Nr
voll ausreifen zu laſſen und für jede Illuſtration eigene
Studien zu betreiben. Im Beſonderen wäre aus dem
Reich der Illuſtratoren nur zu erwähnen, daß die
Unterabtheilung, die Berliner Vereinigung für Griginal-
lithographie, ſich mehr und mehr auch in die Poeſie
ihrer moderniſirten Technik hineinfindet, zur Seit aller-
dings noch hinter andern Gruppen, wie z. B. dem
Karlsruher Künſtlerbund, zurückbleibt. Daß man übrigens
den Neuerungen auf graphiſchem Gebiet eine liebevolle
Aufmerkſamkeit zu Theil werden läßt, beweiſt der Um-
ſtand, daß ein Saal allein für die ſogenannten Mono-
typien von Carl Langhammer und Carl Kappftein be-
willigt iſt und der Staat hat ſich beeilt, die hervor-
ragendſten dieſer Sindrücke zu erwerben.
Die Höhe graphiſcher Kunſt behauptet nach wie
vor die „Freie Vereinigung der Graphiker zu Berlin“,
deren führende Perſönlichkeit Prof. Hans Meper iſt.
Mit nur wenigen Ausnahmen leiſten die Mitglieder
Hervorragendes auf ihrem Gebiet und befleißigen ſich
jener modernen Regſamkeit, die auf die Wiederbelebung
alter und auf die Eroberung neuer Techniken und zu-
gleich auf eine maleriſche Glorifizirung der ſtrengen
Seichnung hinſtrebt. Bier indeſſen wie in der all-
gemeinen graphiſchen Abtheilung zeigen ſich nirgends
Arbeiten des klaſſiſchen Linienkupferſtichs, die feine
Form an ſich ſcheint heute geradezu verpönt zu ſein,
höchſtens daß man den Linienadel in einer Art von
ſtrengen Radirung, die ſich der Grabſtichelmanier an-
nähert, hie und da kultivirt. Aber das iſt nicht Fiſch
noch Fleiſch. Allerdings Hans Meper verleugnet auch
in ſeinen Radirungen nicht die Antecedentien des
ſtrengen Graphikers. Er hält am großen Stil feſt, den
er phantaſtiſch mildert, wie zu erſehen iſt an den drei
meiſterhaften Blättern vom Narr, vom Geizhals und
vom Papſt, welche den großen Todtentanz-Spyklus fort-
ſetzen. Auch die Schabkunſt ſehen wir zu einer
gewiſſen monumentalen Steigerung gefördert und
zwar an dem Hubertusſee von Franz Auguſt Börner,
einer Nachbildung des bekannten Gemäldes von
Leiſtikow. Sonſt hat ſich noch Otto Protzen auf
die ſeltene, aber dankbare Schabkunſt verlegt. Das
Ideal von Form und Linie mit Anlehnung an den
ſtrengen Typus iſt ferner in den ſehr wirkungsvollen
und tonſatten Radirungen von Otto Jahn gemeiſtert.
Und Albert Krüger hat die Sonderart des Farbenholz-
ſchnittes nunmehr wohl zur Vollendung entwickelt,
jedenfalls ſcheint ſein Blatt nach Holbein's Erasmus
von Rotterdam eine fernerhin unübertreffliche Leiſtung
zu ſein, wobei wohl zu bemerken iſt, daß es Krüger
nicht auf eine ſklaviſche Nachahmung des Originals,
ſondern auf eine der Technik kongeniale Nachdichtung
abgeſehen hat. Die Feinheiten und den Eſprit der
kalten Nadel ſchauen wir an einigen Bildniſſen von
Hermann Struck, den diskreten Sauber der Farben-
lithographie an den Arbeiten von O. H. Engel, von
Max Fabian, Carl Nappſtein, Rudolf Thienhaus, Richard
Winkel und die beſtechende Eleganz des modernen
Holzſtichs an mehreren Studien von Martin Hönemann.
Im Ganzen bietet die Ausſtellung der Freien Ver-
einigung der Graphiker an Anregungen und ESrrungen-
ſchaften eine erfreuliche Fülle.
Im Sammelſaal der Graphik kommt denn auch
die Zeichnung an ſich zur Geltung. Ohne Sweifel iſt
hier der Münchner Attilio Sacchetto der Löwe der
Saiſon. Dieſe Bleiſtiftzeichnungen von Landſchaften
und Stadtanſichten beweiſen eine Bravour des breiten
und maleriſch intimen Striches, wie ſie heute ſelten iſt.
Als Virtuos der Seichenkunſt vom entgegengeſetzten Pol,
ein Meiſter der feinſten und kleinſten Einzelheit, dürfte
S323 l
heute der Dresdner Richard Müller ſeinesgleichen nicht
finden, wie wiederum an der Seichnung eines Terriers
zu erſehen iſt. Swiſchen dieſen graphiſchen Extremen
entfaltet ſich eine reichgeſtufte Skala von Seichnungen
aller Art. Das große Bildniß des Weimarer Malers
G. A. Sartorio von Carl Alexander Brendel, der gleich-
falls aus der Weimarer Schule hervorgegangen, eine
landſchaftliche Raffaelli - Stiftzeichnung des Wieners
Nugo Charlemont, Bildnißzeichnungen von Hans Krauſe,
eine Röthelzeichnung von Georg Ludwig Meyn, ſein
Töchterchen darſtellend, die klaſſtziſtiſch ſtrenge Rohr-
federzeichnung der Sypreſſen von Tivoli von Valentin
Kuths und die glatte, nicht ſehr charaktervolle Bildniß-
zeichnung des Kaiſers von Theodor Siegler zeigen in
der Nauptſache die verſchiedenartigen Tendenzen des
heutigen zeichneriſchen Fleißes. Im Uebrigen ſind in
dieſem Saal auch einige Beſonderheiten modern graphi-
ſcher Technik vertreten, die zur Betrachtung auffordern.
Da ſehen wir die an dieſer Stelle ſchon eingehend ge-
kennzeichneten Original-Steinradirungen von Rudolf
Schulte im Hofe, welche die Kraft der Seichnung mit
dem maleriſchen Schmelz der Lithographie ganz eigen-
artig vereinigen. Otto Riepert lieferte einen ſehr feinen
Nolzſchnitt nach dem „Eiſenwalzwerk“ von Arthur
Rempf. Max Dietſchmann zeigt eine Kreuzabnahme in
Schabkunſtmanier mit pathetiſcher Tönung und ſtärkſtem
Effekt, wobei allerdings nicht eine harmoniſche Aus-
gleichung aller Cheile erzielt iſt. Die Platte iſt ent-
weder nicht fertig geworden oder der Künſtler mit
ſeinem Experiment nicht. Techniſch bemerkenswerth iſt
auch der Holzſtich von Hugo Meyer nach einer Kreuz-
abnahme von Papperitz. Das Problem der farbigen
Originalradirung behandeln mit Glück Georg Külerner
in ſeinem Berberlöwen, Heinrich Kohnert in einer
abendſeligen Landſchaft und Sttore Coſomati-Cronberg
in einem Herbſtbilde. Die Kupferſtiche von Ernſt For-
berg und Donald Shaw Mac Laughlan-Paris endlich
beweiſen wohl am deutlichſten, daß die ehedem edelſte
Abart der Graphik heute ein undankbares Unternehmen
geworden iſt.
M R
Unsere Abbildung.
Demnächſt erſcheint im Verlag der bekannten Amelang-
ſchen Buch- und Uunſthandlung in Berlin eine umfaſſende
Publikation — Mappe mit Text — über Rermann Ne bk
den großen Meiſter der monumentalen Malerei in Deutſchland.
Der gleichfalls illuſtrirte Text, verfaßt von Georg Galland,
wird im Weſentlichen zwar nur die Entwicklung des Hünſtlers
in ſeinen monumentalen Schöpfungen würdigen, die nach-
einander in Berlin, Worms, Danzig, Hildesheim, Breslau,
Rom und Dresden entſtanden. Doch läßt ſich der Autor des
Textes nicht nehmen, auch gelegentlich auf Prell's andere
maleriſche Arbeiten hinüberzugreifen, wenn er zeigen will, wie
dieſer großzügige Künſtler immer in Fühlung mit der Natur
und mit den techniſchen Problemen unſerer Gegenwart blieb
und für ſeine unermüdlichen Studien überall heranzog, was
ihn nur, ſei es von mancherlei Volkstppen, ſei es aus 5
Landſchaft des Südens oder Nordens, intereſſirte. 0 möge
die vorliegende Abbildung dieſes Heftes, eine Skizze aus
Oſtende, als eine Studienprobe Zermann Prell's betrachtet
werden.
voll ausreifen zu laſſen und für jede Illuſtration eigene
Studien zu betreiben. Im Beſonderen wäre aus dem
Reich der Illuſtratoren nur zu erwähnen, daß die
Unterabtheilung, die Berliner Vereinigung für Griginal-
lithographie, ſich mehr und mehr auch in die Poeſie
ihrer moderniſirten Technik hineinfindet, zur Seit aller-
dings noch hinter andern Gruppen, wie z. B. dem
Karlsruher Künſtlerbund, zurückbleibt. Daß man übrigens
den Neuerungen auf graphiſchem Gebiet eine liebevolle
Aufmerkſamkeit zu Theil werden läßt, beweiſt der Um-
ſtand, daß ein Saal allein für die ſogenannten Mono-
typien von Carl Langhammer und Carl Kappftein be-
willigt iſt und der Staat hat ſich beeilt, die hervor-
ragendſten dieſer Sindrücke zu erwerben.
Die Höhe graphiſcher Kunſt behauptet nach wie
vor die „Freie Vereinigung der Graphiker zu Berlin“,
deren führende Perſönlichkeit Prof. Hans Meper iſt.
Mit nur wenigen Ausnahmen leiſten die Mitglieder
Hervorragendes auf ihrem Gebiet und befleißigen ſich
jener modernen Regſamkeit, die auf die Wiederbelebung
alter und auf die Eroberung neuer Techniken und zu-
gleich auf eine maleriſche Glorifizirung der ſtrengen
Seichnung hinſtrebt. Bier indeſſen wie in der all-
gemeinen graphiſchen Abtheilung zeigen ſich nirgends
Arbeiten des klaſſiſchen Linienkupferſtichs, die feine
Form an ſich ſcheint heute geradezu verpönt zu ſein,
höchſtens daß man den Linienadel in einer Art von
ſtrengen Radirung, die ſich der Grabſtichelmanier an-
nähert, hie und da kultivirt. Aber das iſt nicht Fiſch
noch Fleiſch. Allerdings Hans Meper verleugnet auch
in ſeinen Radirungen nicht die Antecedentien des
ſtrengen Graphikers. Er hält am großen Stil feſt, den
er phantaſtiſch mildert, wie zu erſehen iſt an den drei
meiſterhaften Blättern vom Narr, vom Geizhals und
vom Papſt, welche den großen Todtentanz-Spyklus fort-
ſetzen. Auch die Schabkunſt ſehen wir zu einer
gewiſſen monumentalen Steigerung gefördert und
zwar an dem Hubertusſee von Franz Auguſt Börner,
einer Nachbildung des bekannten Gemäldes von
Leiſtikow. Sonſt hat ſich noch Otto Protzen auf
die ſeltene, aber dankbare Schabkunſt verlegt. Das
Ideal von Form und Linie mit Anlehnung an den
ſtrengen Typus iſt ferner in den ſehr wirkungsvollen
und tonſatten Radirungen von Otto Jahn gemeiſtert.
Und Albert Krüger hat die Sonderart des Farbenholz-
ſchnittes nunmehr wohl zur Vollendung entwickelt,
jedenfalls ſcheint ſein Blatt nach Holbein's Erasmus
von Rotterdam eine fernerhin unübertreffliche Leiſtung
zu ſein, wobei wohl zu bemerken iſt, daß es Krüger
nicht auf eine ſklaviſche Nachahmung des Originals,
ſondern auf eine der Technik kongeniale Nachdichtung
abgeſehen hat. Die Feinheiten und den Eſprit der
kalten Nadel ſchauen wir an einigen Bildniſſen von
Hermann Struck, den diskreten Sauber der Farben-
lithographie an den Arbeiten von O. H. Engel, von
Max Fabian, Carl Nappſtein, Rudolf Thienhaus, Richard
Winkel und die beſtechende Eleganz des modernen
Holzſtichs an mehreren Studien von Martin Hönemann.
Im Ganzen bietet die Ausſtellung der Freien Ver-
einigung der Graphiker an Anregungen und ESrrungen-
ſchaften eine erfreuliche Fülle.
Im Sammelſaal der Graphik kommt denn auch
die Zeichnung an ſich zur Geltung. Ohne Sweifel iſt
hier der Münchner Attilio Sacchetto der Löwe der
Saiſon. Dieſe Bleiſtiftzeichnungen von Landſchaften
und Stadtanſichten beweiſen eine Bravour des breiten
und maleriſch intimen Striches, wie ſie heute ſelten iſt.
Als Virtuos der Seichenkunſt vom entgegengeſetzten Pol,
ein Meiſter der feinſten und kleinſten Einzelheit, dürfte
S323 l
heute der Dresdner Richard Müller ſeinesgleichen nicht
finden, wie wiederum an der Seichnung eines Terriers
zu erſehen iſt. Swiſchen dieſen graphiſchen Extremen
entfaltet ſich eine reichgeſtufte Skala von Seichnungen
aller Art. Das große Bildniß des Weimarer Malers
G. A. Sartorio von Carl Alexander Brendel, der gleich-
falls aus der Weimarer Schule hervorgegangen, eine
landſchaftliche Raffaelli - Stiftzeichnung des Wieners
Nugo Charlemont, Bildnißzeichnungen von Hans Krauſe,
eine Röthelzeichnung von Georg Ludwig Meyn, ſein
Töchterchen darſtellend, die klaſſtziſtiſch ſtrenge Rohr-
federzeichnung der Sypreſſen von Tivoli von Valentin
Kuths und die glatte, nicht ſehr charaktervolle Bildniß-
zeichnung des Kaiſers von Theodor Siegler zeigen in
der Nauptſache die verſchiedenartigen Tendenzen des
heutigen zeichneriſchen Fleißes. Im Uebrigen ſind in
dieſem Saal auch einige Beſonderheiten modern graphi-
ſcher Technik vertreten, die zur Betrachtung auffordern.
Da ſehen wir die an dieſer Stelle ſchon eingehend ge-
kennzeichneten Original-Steinradirungen von Rudolf
Schulte im Hofe, welche die Kraft der Seichnung mit
dem maleriſchen Schmelz der Lithographie ganz eigen-
artig vereinigen. Otto Riepert lieferte einen ſehr feinen
Nolzſchnitt nach dem „Eiſenwalzwerk“ von Arthur
Rempf. Max Dietſchmann zeigt eine Kreuzabnahme in
Schabkunſtmanier mit pathetiſcher Tönung und ſtärkſtem
Effekt, wobei allerdings nicht eine harmoniſche Aus-
gleichung aller Cheile erzielt iſt. Die Platte iſt ent-
weder nicht fertig geworden oder der Künſtler mit
ſeinem Experiment nicht. Techniſch bemerkenswerth iſt
auch der Holzſtich von Hugo Meyer nach einer Kreuz-
abnahme von Papperitz. Das Problem der farbigen
Originalradirung behandeln mit Glück Georg Külerner
in ſeinem Berberlöwen, Heinrich Kohnert in einer
abendſeligen Landſchaft und Sttore Coſomati-Cronberg
in einem Herbſtbilde. Die Kupferſtiche von Ernſt For-
berg und Donald Shaw Mac Laughlan-Paris endlich
beweiſen wohl am deutlichſten, daß die ehedem edelſte
Abart der Graphik heute ein undankbares Unternehmen
geworden iſt.
M R
Unsere Abbildung.
Demnächſt erſcheint im Verlag der bekannten Amelang-
ſchen Buch- und Uunſthandlung in Berlin eine umfaſſende
Publikation — Mappe mit Text — über Rermann Ne bk
den großen Meiſter der monumentalen Malerei in Deutſchland.
Der gleichfalls illuſtrirte Text, verfaßt von Georg Galland,
wird im Weſentlichen zwar nur die Entwicklung des Hünſtlers
in ſeinen monumentalen Schöpfungen würdigen, die nach-
einander in Berlin, Worms, Danzig, Hildesheim, Breslau,
Rom und Dresden entſtanden. Doch läßt ſich der Autor des
Textes nicht nehmen, auch gelegentlich auf Prell's andere
maleriſche Arbeiten hinüberzugreifen, wenn er zeigen will, wie
dieſer großzügige Künſtler immer in Fühlung mit der Natur
und mit den techniſchen Problemen unſerer Gegenwart blieb
und für ſeine unermüdlichen Studien überall heranzog, was
ihn nur, ſei es von mancherlei Volkstppen, ſei es aus 5
Landſchaft des Südens oder Nordens, intereſſirte. 0 möge
die vorliegende Abbildung dieſes Heftes, eine Skizze aus
Oſtende, als eine Studienprobe Zermann Prell's betrachtet
werden.