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lich erſt ſeine Studienzeit in München beendete und erſt
jetzt ſich in Leipzig anſäſſig gemacht. In ſeiner im
Kunſtverein veranſtalteten Sonderausſtellung waren
vorwiegend Bleiſtiftzeichnungen nach Motiven aus
Sachſen und dem baperiſchen Gebirge zu finden, die
eine ungewöhnliche maleriſche Kraft beſitzen und ſoviel
perſönliche Selbſtſtändigkeit aufweiſen, daß mir ſeine
Arbeiten als vielverheißende Schöpfungen erſchienen
ſind. Bewunderswerth an dieſen Landſchaftsbildern iſt
das feine Empfinden für die Naturformen und die
frappante Wiedergabe der ſubtilſten und energiſchſten
Tonwerthe durch den ſchwarzen Stift. Einige farbige
Schilderungen aus Bayern und Dalmatien vervoll-
ſtändigten das feſſelnde Bild ſeines künſtleriſchen
Könnens.
Auch bei Beyer & Sohn hatte vor Kurzem ein
Leipziger ausgeſtellt, der in München lebende O. Gott-
fried. Seinen diesmaligen Darbietungen nach zu
urtheilen, beſchäftigt ſich Gottfried jetzt vornehmlich
mit der Landſchaft, und mir will ſcheinen, als ob er
recht daran thut. Es war gewiß immer etwas
Gutes in ſeinen Porträts und Studienköpfen zu finden,
aber weitaus mehr wollen mir doch ſeine feinempfundenen
Landſchaftsbilder beſagen. Hier iſt er wirklich in einem
eigenartigen Kolorismus ganz er ſelbſt.
Ernſt KNiesling.
Unsere Abbildung.
Da Hermann Prell, durch die Ausſtellung ſeiner großen,
temperamentvoll entworfenen Kartons zu den Wandbildern im
Dresdner Albertinum, mehrerer Plaſtiken und durch eine Samm-
lung von Aquarellen, die eine reizvolle künſtleriſche Wirkung
ausüben, im Mittelpunkte der diesjährigen großen Berliner
Kunſtausſtellung ſteht, halten wir es für angezeigt, nochmals
auf das große Prellwerk hinzuweiſen, das im Verlag der
Hunſthandlung von Amelang in Charlottenburg vor einiger
eit erſchienen iſt. Es handelt ſich in dieſer opulenten und
wuchtigen Vorführung des Lebenswerkes des Dresdner Meiſters
vorzugsweiſe um Hermann Prell als Monumentalmaler, und
der Autor des illuſtrirten Textbandes, Georg Galland, hat
denn auch dieſe Seite des Prell'ſchen Schaffens, im Zuſammen-
hang mit der Monumentalmalerei des 19. Jahrhunderts, vor-
nehmlich beleuchtet. Doch ſind in den Text auch einige hübſche
Studien, die keine weitere Verarbeitung gefunden haben, ein-
geſtreut. Zu dieſen Studienblättern gehört auch die kleine
Gouache „Crepuscula“. Der Künſtler hat den Stimmungs-
zauber der Dämmerung durch die figürlichen Zuthaten der
flott ſkizzirten Landſchaft noch verſtärkt. Ein von der Moderne
begeiſterter Kritiker glaubte einmal, angeſichts einer ganzen
Sammlung von derartigen köſtlichen Impreſſionen Prell's, den
Einfluß der ſog. modernen Richtung auf unſern Monumental-
maler konſtatiren zu ſollen. Der Uritiker wußte leider nicht,
daß die betreffenden Impreſſionen faſt ſämmtlich der Frühzeit
des Meiſters, den ſiebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
angehören, als in Deutſchland wohl kaum ſchon von jener
Moderne die Rede geweſen iſt.
Kunstchronik.
* Berlin. Ad. Menzel hat auch eine nennenswerthe
Bibliothek hinterlaſſen, die in den Beſitz der Buchhandlung
von Gſellius gelangt iſt. Natürlich ſteht der wichtigſte Theil
dieſer Bücherſammlung in Beziehung zu Menzel's Schaffen.
* Düren. Herr Eberhard Höſch hatte bekanntlich für
den Bau eines Theaters eine Summe von 500 000 Mk.
geſtiftet, die inzwiſchen mit den Finſen auf 550 000 Mk. an-
gewachſen iſt, da aber die Ausführung des genehmigten
Projektes über 600 000 Mk. erfordert, hat der Spender, wie in
der geſtrigen Stadtrathsſitzung hervorgehoben wurde, weitere
100 000 Uk. unter der Bedingung geſpendet, daß der Cheater-
bau bis zum 15. November k. J. fertig geſtellt iſt. Die künſt-
leriſche Oberleitung des Baues wurde dem Regierungs-Bau-
meiſter Moritz Köln übertragen.
* Florenz. Unbekannte Hand zeichnungen Michel-
angelo 's ſind kürzlich in den Uffizien durch den Konſervator
der Sammlung, Profeſſor Ferri, und Dr. Emil Jacobſen nach-
gewieſen. Sie hatten jahrhundertelang mit Kopien und werth-
loſen Blättern vermiſcht, unbeachtet dagelegen. Achtzehn
Blätter mit an 60 Studien zu den berühmteſten Werken
Michelangelo's aus den verſchiedenſten Epochen wurden die
Ausbeute der Nachforſchungen, darunter befinden ſich Studien
zu den Deckengemälden in der Sixtina, Studien zu der Nacht
und den ſitzenden Statuen der Mediceiſchen Kapelle, Studien
zu den Sklaven, zum Moſes und endlich zu dem Rieſenwerk
ſeines Alters, dem Jüngſten Gericht der Sixtiniſchen Kapelle.
* Haag. Am 2. Juli Vormittags wurde in der Ugl.
Gemäldegallerie ein kleines Gemälde von Franz Hals, das
Bildniß eines Havaliers, geſtohlen. Es iſt ein Bruſtbild, auf
Holz gemalt, 241 - 19½ em groß. Der Diebſtahl wurde
ſofort bemerkt; aber die ſogleich vorgenommene Schließung
der Gallerie und Unterſuchung der Anweſenden blieb ohne Erfolg.
* Leipzig. Das Römiſche Haus, das dem Durchbruch
einer Straße zum Opfer gefallen iſt, barg bekanntlich in
ſeinem Innern neben den berühmten Prellerſchen OGdyſſee-
landſchaften noch einen weitern künſtleriſchen Schatz in Geſtalt
von ſechs Wandgemälden, die von J. Naue nach dem be-
kannten „Aſchenbrödel-Fyklus“ von Moritz von Schwind
geſchaffen worden waren. Es gelang ſeinerzeit, auch ſie ohne
Schaden abzulöſen und nach den Räumen des Aunſtgewerbe-
Muſeums zu proviſoriſcher Unterkunft zu überführen. Dieſe
ſinnigen Wandbilder ſind von dem Leipziger Verlagsbuchhändler
Herrn Domherrn Dr. J. A. Baumgärtner der Stadt Leipzig
als Geſchenk überwieſen worden. Sie ſollen nunmehr, wie
das Leipziger Tageblatt hört, ihren Platz in der Schule für
Frauenberufe zu Leipzig erhalten. Zu dieſem Zweck hat man
in dieſen Tagen im Hunſtgewerbe-Muſeum die Verladung der
ſechs einzelnen Wandbilder ſamt ihrer Steinwand vorgenommen.
* London. Die Geſellſchaft für Erwerbungen nationaler
Kunſt (The National Art-Collections Fund) hat eines der
ſchönſten Gemälde von Whiſtler, eine Anſicht der Themſe bei
Nacht mit der alten Batterſea-Brücke im Vordergrund, der
der Hünſtler den Namen Nokturno in Blau und Silber
gegeben hat, der Nationalgallerie zum Geſchenk gemacht.
Whiſtler war bis jetzt in engliſchen Muſeen nur durch ſein
wundervolles Porträt Carlple's vertreten.
* Sondon. Ein verſchollenes Werk von Rubens iſt
unlängſt hier aufgefunden worden. In dem Vachlaßinventar
des großen Dlamen, das 1641, ein Jahr nach dem Tode des
Hünſtlers, abgefaßt iſt, war als Nr. 96 ein „Bildniß Karl's
des Kühnen in Rüſtung auf Leinwand“ beſchrieben. Das
Gemälde iſt in Ausführung und Größe ſehr nah verwandt
mit dem bekannten Wiener Porträt Karl's des Kühnen, das
ebenfalls in dem Inventar aufgeführt iſt. Beide Bildniſſe
wurden in demſelben Jahr gemalt, und zwar im Jahre 1655,
als der Erzherzog Ferdinand unter großem Gepränge und in
feierlichem Triumph in Antwerpen einzog.
* Mailand. Im Dom wurden in der Nacht zum 18. Juli
der Statue der Madonna del Roſario links neben dem Haupt-
altar Krone, Halsband und Ringe, Alles aus maſſivem Golde,
mit Edelſteinen geziert, im Werthe von 50 000 Lire, geraubt.
* Paris. Madame Benjamin⸗Conſtant hat der Stadt
Paris eines der ſchönſten Bilder ihres Gatten, die große
marokkaniſche Straßenſzene „Le jour des funérailles“ zum
Geſchenk gemacht. Das Bild wird im Petit-Palais ausgeſtellt
320
lich erſt ſeine Studienzeit in München beendete und erſt
jetzt ſich in Leipzig anſäſſig gemacht. In ſeiner im
Kunſtverein veranſtalteten Sonderausſtellung waren
vorwiegend Bleiſtiftzeichnungen nach Motiven aus
Sachſen und dem baperiſchen Gebirge zu finden, die
eine ungewöhnliche maleriſche Kraft beſitzen und ſoviel
perſönliche Selbſtſtändigkeit aufweiſen, daß mir ſeine
Arbeiten als vielverheißende Schöpfungen erſchienen
ſind. Bewunderswerth an dieſen Landſchaftsbildern iſt
das feine Empfinden für die Naturformen und die
frappante Wiedergabe der ſubtilſten und energiſchſten
Tonwerthe durch den ſchwarzen Stift. Einige farbige
Schilderungen aus Bayern und Dalmatien vervoll-
ſtändigten das feſſelnde Bild ſeines künſtleriſchen
Könnens.
Auch bei Beyer & Sohn hatte vor Kurzem ein
Leipziger ausgeſtellt, der in München lebende O. Gott-
fried. Seinen diesmaligen Darbietungen nach zu
urtheilen, beſchäftigt ſich Gottfried jetzt vornehmlich
mit der Landſchaft, und mir will ſcheinen, als ob er
recht daran thut. Es war gewiß immer etwas
Gutes in ſeinen Porträts und Studienköpfen zu finden,
aber weitaus mehr wollen mir doch ſeine feinempfundenen
Landſchaftsbilder beſagen. Hier iſt er wirklich in einem
eigenartigen Kolorismus ganz er ſelbſt.
Ernſt KNiesling.
Unsere Abbildung.
Da Hermann Prell, durch die Ausſtellung ſeiner großen,
temperamentvoll entworfenen Kartons zu den Wandbildern im
Dresdner Albertinum, mehrerer Plaſtiken und durch eine Samm-
lung von Aquarellen, die eine reizvolle künſtleriſche Wirkung
ausüben, im Mittelpunkte der diesjährigen großen Berliner
Kunſtausſtellung ſteht, halten wir es für angezeigt, nochmals
auf das große Prellwerk hinzuweiſen, das im Verlag der
Hunſthandlung von Amelang in Charlottenburg vor einiger
eit erſchienen iſt. Es handelt ſich in dieſer opulenten und
wuchtigen Vorführung des Lebenswerkes des Dresdner Meiſters
vorzugsweiſe um Hermann Prell als Monumentalmaler, und
der Autor des illuſtrirten Textbandes, Georg Galland, hat
denn auch dieſe Seite des Prell'ſchen Schaffens, im Zuſammen-
hang mit der Monumentalmalerei des 19. Jahrhunderts, vor-
nehmlich beleuchtet. Doch ſind in den Text auch einige hübſche
Studien, die keine weitere Verarbeitung gefunden haben, ein-
geſtreut. Zu dieſen Studienblättern gehört auch die kleine
Gouache „Crepuscula“. Der Künſtler hat den Stimmungs-
zauber der Dämmerung durch die figürlichen Zuthaten der
flott ſkizzirten Landſchaft noch verſtärkt. Ein von der Moderne
begeiſterter Kritiker glaubte einmal, angeſichts einer ganzen
Sammlung von derartigen köſtlichen Impreſſionen Prell's, den
Einfluß der ſog. modernen Richtung auf unſern Monumental-
maler konſtatiren zu ſollen. Der Uritiker wußte leider nicht,
daß die betreffenden Impreſſionen faſt ſämmtlich der Frühzeit
des Meiſters, den ſiebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
angehören, als in Deutſchland wohl kaum ſchon von jener
Moderne die Rede geweſen iſt.
Kunstchronik.
* Berlin. Ad. Menzel hat auch eine nennenswerthe
Bibliothek hinterlaſſen, die in den Beſitz der Buchhandlung
von Gſellius gelangt iſt. Natürlich ſteht der wichtigſte Theil
dieſer Bücherſammlung in Beziehung zu Menzel's Schaffen.
* Düren. Herr Eberhard Höſch hatte bekanntlich für
den Bau eines Theaters eine Summe von 500 000 Mk.
geſtiftet, die inzwiſchen mit den Finſen auf 550 000 Mk. an-
gewachſen iſt, da aber die Ausführung des genehmigten
Projektes über 600 000 Mk. erfordert, hat der Spender, wie in
der geſtrigen Stadtrathsſitzung hervorgehoben wurde, weitere
100 000 Uk. unter der Bedingung geſpendet, daß der Cheater-
bau bis zum 15. November k. J. fertig geſtellt iſt. Die künſt-
leriſche Oberleitung des Baues wurde dem Regierungs-Bau-
meiſter Moritz Köln übertragen.
* Florenz. Unbekannte Hand zeichnungen Michel-
angelo 's ſind kürzlich in den Uffizien durch den Konſervator
der Sammlung, Profeſſor Ferri, und Dr. Emil Jacobſen nach-
gewieſen. Sie hatten jahrhundertelang mit Kopien und werth-
loſen Blättern vermiſcht, unbeachtet dagelegen. Achtzehn
Blätter mit an 60 Studien zu den berühmteſten Werken
Michelangelo's aus den verſchiedenſten Epochen wurden die
Ausbeute der Nachforſchungen, darunter befinden ſich Studien
zu den Deckengemälden in der Sixtina, Studien zu der Nacht
und den ſitzenden Statuen der Mediceiſchen Kapelle, Studien
zu den Sklaven, zum Moſes und endlich zu dem Rieſenwerk
ſeines Alters, dem Jüngſten Gericht der Sixtiniſchen Kapelle.
* Haag. Am 2. Juli Vormittags wurde in der Ugl.
Gemäldegallerie ein kleines Gemälde von Franz Hals, das
Bildniß eines Havaliers, geſtohlen. Es iſt ein Bruſtbild, auf
Holz gemalt, 241 - 19½ em groß. Der Diebſtahl wurde
ſofort bemerkt; aber die ſogleich vorgenommene Schließung
der Gallerie und Unterſuchung der Anweſenden blieb ohne Erfolg.
* Leipzig. Das Römiſche Haus, das dem Durchbruch
einer Straße zum Opfer gefallen iſt, barg bekanntlich in
ſeinem Innern neben den berühmten Prellerſchen OGdyſſee-
landſchaften noch einen weitern künſtleriſchen Schatz in Geſtalt
von ſechs Wandgemälden, die von J. Naue nach dem be-
kannten „Aſchenbrödel-Fyklus“ von Moritz von Schwind
geſchaffen worden waren. Es gelang ſeinerzeit, auch ſie ohne
Schaden abzulöſen und nach den Räumen des Aunſtgewerbe-
Muſeums zu proviſoriſcher Unterkunft zu überführen. Dieſe
ſinnigen Wandbilder ſind von dem Leipziger Verlagsbuchhändler
Herrn Domherrn Dr. J. A. Baumgärtner der Stadt Leipzig
als Geſchenk überwieſen worden. Sie ſollen nunmehr, wie
das Leipziger Tageblatt hört, ihren Platz in der Schule für
Frauenberufe zu Leipzig erhalten. Zu dieſem Zweck hat man
in dieſen Tagen im Hunſtgewerbe-Muſeum die Verladung der
ſechs einzelnen Wandbilder ſamt ihrer Steinwand vorgenommen.
* London. Die Geſellſchaft für Erwerbungen nationaler
Kunſt (The National Art-Collections Fund) hat eines der
ſchönſten Gemälde von Whiſtler, eine Anſicht der Themſe bei
Nacht mit der alten Batterſea-Brücke im Vordergrund, der
der Hünſtler den Namen Nokturno in Blau und Silber
gegeben hat, der Nationalgallerie zum Geſchenk gemacht.
Whiſtler war bis jetzt in engliſchen Muſeen nur durch ſein
wundervolles Porträt Carlple's vertreten.
* Sondon. Ein verſchollenes Werk von Rubens iſt
unlängſt hier aufgefunden worden. In dem Vachlaßinventar
des großen Dlamen, das 1641, ein Jahr nach dem Tode des
Hünſtlers, abgefaßt iſt, war als Nr. 96 ein „Bildniß Karl's
des Kühnen in Rüſtung auf Leinwand“ beſchrieben. Das
Gemälde iſt in Ausführung und Größe ſehr nah verwandt
mit dem bekannten Wiener Porträt Karl's des Kühnen, das
ebenfalls in dem Inventar aufgeführt iſt. Beide Bildniſſe
wurden in demſelben Jahr gemalt, und zwar im Jahre 1655,
als der Erzherzog Ferdinand unter großem Gepränge und in
feierlichem Triumph in Antwerpen einzog.
* Mailand. Im Dom wurden in der Nacht zum 18. Juli
der Statue der Madonna del Roſario links neben dem Haupt-
altar Krone, Halsband und Ringe, Alles aus maſſivem Golde,
mit Edelſteinen geziert, im Werthe von 50 000 Lire, geraubt.
* Paris. Madame Benjamin⸗Conſtant hat der Stadt
Paris eines der ſchönſten Bilder ihres Gatten, die große
marokkaniſche Straßenſzene „Le jour des funérailles“ zum
Geſchenk gemacht. Das Bild wird im Petit-Palais ausgeſtellt