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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 16 (15. Mai 1905)
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Pariser Brief
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Dworaczek, Wilhelm: Wien: XXXII. Jahresausstellung im Künstlerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0285

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Nr. 16


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ſals). Hier hat Carlo Böcklin die Art des Paters er-
erbt und ſelbſtändig ausgebildet. Dieſer Höllenhund
mit den drei menſchähnlichen Köpfen, von denen einer
ſchläft, während der mittlere auf ſtarrem Halſe ſitzend
uns verſteinernd⸗meduſenhaft anſtarrt, während man im
fahlgelben Hintergrund Charon ſeinen Todtennachen dahin-
fahren ſieht, iſt von faſzinirender Gewalt, ebenſo wie
dieſe Gottheit des böſen Schickſals, die mit weit ge-
öffnetem, blutunterlaufenem Auge den Beſchauer anſtiert.
Auch einige Porträts zeigen ein eigenartiges Arrangement.
Was allerdings frappirt, iſt die Ungleichheit der ausge-
ſtellten Bilder, von denen einige recht bedenkliche Schwächen
aufweiſen. Doch iſt es wiederum eher ein gutes Seichen
für den latenten Individualitätsdrang C. Böcklin's, daß
die ſchwächſten Sachen gerade diejenigen ſind, die allzu
deutlich an den Vater erinnern, während andere Ge-
mälde, z. B. ein in dieſem Jahre entſtandenes Seeräuber-
bild eine durchaus perſönliche Note zeigen. Jedenfalls
muß der vorurtheilsfreie Beſchauer in Carlo Böcklin
einen ſehr reſpektablen Künſtler erkennen.
Arthur Neiſſer.

Wien:
XXXII. Jahresausstellung im Künstlerhaus.

bermals eine Ausſtellung mit 453 Katalognummern.

Neunzehn Säle voll mit Bildern und Skulpturen.

Ein kleines Muſeum, in dem der Kritiker, der
allem Erwähnenswerthen gerecht werden ſoll, einen mehr
als ſchweren Stand hat! Es iſt ſo viel und vielerlei
vorhanden, und darunter eine Fülle tüchtiger, künſtleriſch
ernſter Arbeit! freilich auch mancherlei routinirte Mittel-
mäßigkeit, die aber bei ſolchem Maſſenaufgebot in der
Menge verſchwindet. Die Plaſtik hat es oft beſſer. Sie
arbeitet ſchon in größeren Dimenſionen, und lenkt die Auf-
merkſamkeit leichter auf ſich Man würde an der prächtigen
Gruppe von Wollek's Mozartbrunnen „Tamino und
Pamina“ nicht vorübergehen, auch wenn ſie nicht die
große goldene Staatsmedaille erhalten hätte, die man
dem fein durchgeführten Werk, das modernes Stilgefühl
mit antiker Formſchönheit ſo überaus glücklich zu
vermählen weit, aufrichtig gönnen wird. Aber man
wird auch den in den Dimenſionen unendlich kleineren
„Roſſebändiger“ Arthur Straſſer's würdigen müſſen, und
die in reizvollem Märchenhumor durchgeführten Bronze-
ſtatuetten des Badener Undine-Brunnens von Joſef
Kaſſin nicht überſehen dürfen. Auch des Hellmer-
Schülers Anton Camaur „Viſion“ hat Qualitäten, die
Beachtung verdienen. Stefan Schwartz' anmuthiger
Marmorakt „Unſchuld“, Wollek's „Bettelknabe“,
Matthias Gaſteiger' s virtuos modellirte „Reiterſtatuette“
ſowie ſein bekannter „Bismarck“, die vorzügliche Bronze-
ſtatuette hans Dietrich's, die Joſef Lewinsky als „Carlos“
in Clavigo darſtellt, müſſen ebenſo lobend erwähnt
werden, wie das treffliche Selbſtporträt Arthur Kaan's,
die Porträtbüſten von Georg Leiſek, Anſelm Sinsler,
Hans Rathausky u. a. Ganz vorzüglich iſt die Medaillen-
und Plakettenkunſt vertreten. Man kann an der Fülle
dieſer trefflichen, faſt durchwegs von ſicherſter Beherrſchung
des Techniſchen zeugenden Arbeiten ein ſtarkes Smpor-
blühen der plaͤſtiſchen Kleinkunſt beobachten. Namentlich

die Porträtplakette iſt ſehr beliebt geworden, und eine


Plaſtik wäre noch ein ſtimmungsvoller Grabmalentwurf
von Gaſteiger, und Kauffungen's monumental em-
pfundener, kräftig durchgebildeter Entwurf eines Raphael-
Donner-Denkmals zu erwähnen.

Was die Landſchaft betrifft, findet man viel Gutes.
Es würde zu weit führen, die Namen Aller zu nennen,
die ſich mit tüchtigen und beachtenswerthen Leiſtungen
eingeſtellt haben. Es iſt der Nachtheil derartig umfang-
reicher Ausſtellungen, daß das einzelne Werk ſich der
kritiſchen Beurtheilung entzieht, und nur der nach einer
Richtung hin Bemerkenswertheſte beſonders erwähnt
werden kann. So möchte ich vor allem Heinrich Tomec
nennen, der diesmal eine von dem trefflichen Künſtler
bisher nicht erreichte Höhe erklommen hat, und der
landſchaftlich das Beſte geliefert, das ſeit Langem im
Künſtlerhauſe zu ſehen war. Sein prächtiger Niederblick
auf eine weite, im Frühlings-Sonnenglanz ſich aus-
breitende Thalfläche (das Bild führt den Titel
„Das iſt der Tag des Herrn“) iſt die Perle der dies
jährigen Ausſtellung! Frei und groß in der Auffaſſung,
mit vollendeter Sicherheit der Naturbeobachtung durch-
geführt, klingt es wie ein Liebeslied auf die Schöpfung,
unendlich rein und fein geſtimmt, von keinem Mißton
geſtört, ohne Manier oder techniſches Experimentiren,
— ein einwandfreies über allem Streit der Richtungen
ſtehendes Kunſtwerk! Daß ihm die große goldene Staats-
medaille geworden iſt, war nur recht und billig.
Auch die beiden übrigen Bilder des Künſtlers „Aus
Mähren“ und „Sanctus“ (das meiſterlich wieder-
gegebene Interieur der „Stefanskirche“ ſind von außer-
ordentlich künſtleriſcher Innigkeit. Auch von den übrigen
Candſchaftern feſſelt beim Durchwandeln der großen
Säle manches das prüfende Auge. Da iſt Tom
Moſtyn's (Condon) „Alte Sandgrube“, deſſen ſatte
Kolorite angenehm auffallen, Adolf Schwarz' „Vor-
frühling“, das keck und mit Verve angepackt iſt, Hugo
Charlemont's „Mähriſche Haidelandſchaft“, deren
noble und ſanfte Farbenſtimmung ſehr gelobt werden
muß, Adolf Kauf mann's „Allee“, das trotz der großen
Dimenſionen des Bildes die Feinheiten der Stimmung
feſtzuhalten weiß, dann Hugo Darnaut's mit meiſter-
licher Wirkung des Vatureindruckes durchgebildetes
Triptychon „Die Kapelle“, des Karlruher Ferdinand
Keller's in der Fläche breit wirkende, im ſchweren
Kolorit an die Alten gemahnende Landſchaften, die einer
gewiſſen Wirkung immer ſicher ſind, die virtuoſen und
doch von feiner Stimmung erfüllten Aquarelle (meiſt
Wiener Straßenbilder) Carl Pippich's, der bald die
Nachfolgerſchaft Meiſter Alt's angetreten haben wird,
Hans Temple's „Inneres der Wolfgangskirche“
ein ganz meiſterliches Interieurbild, ferner vortreff-
lich durchgeführte Landſchaften von Robert Ruß,
J. N. Geller, Suppantſchitſch, Ferd. Brunner, Peter
e ee d ed. Naspa-
rides hat zwei große ſeiner ſtiliſierten Farbenſymphonien
ausgeſtellt, die trotz ihrer koloriſtiſchen Sonderbarkeiten
volle Naturſtimmung hervorbringen. In ſeinem großen
Gelbild „Das verlorene Paradies“ ſind vorzügliche
zeichneriſche Qualitäten. Trotzdem erſcheint mir das
Spiel der untergehenden Sonne, das Schimmern und
Flimmern der letzten Strahlen auf dem Inkarnat de
weiblichen Aktes als das künſtleriſch Wertvollſte an dem
Bilde.

Paul Wilhelm.
(Schluß folgt.)

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