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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 11 (1. März 1905)
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Wien: Die Plastik-Ausstellung der Sezession
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Münchner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0194

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166


Nr. 11

zweifellos ernſtes Werk einer techniſch und gedanklich
reifen und geklärten Kunſt. Joſef Banak hat eine
anmuthige Halbfigur eines jungen Mädchens (Akt) und
Canciani in ſeinem „Steinwerfer“ einen trefflichen
Akt geliefert. Meſtro vic gefällt ſich immer mehr in
unerquicklicher Manierirtheit und Koketterie. Feodorowna
Rieß, die begabte Nelmer-Schülerin, deren faſt männ-
liche Kraft der Durchbildung man bisher lobend an-
erkennen mußte, hat ein reichlich verſchwommenes Bild
des Unterrichtsminiſters v. Hartel ausgeſtellt, das ſelbſt
für einen offiziellen Auftrag noch zu unperſönlich und
farblos erſcheint.

Mit Profeſſor Metzner's Büſte eines alten Mannes
iſt ſchwer zu rechten! Sie iſt in der Art ihres Schöpfers
ganz vortrefflich, nur will es mir ſcheinen, als ob dieſe
Manier: blos die große Wirkung der Fläche und des
Körperlichen wiederzugeben — beim Porträt hart an
die Grenze der Karikatur leiten würde. Auch dieſem hoch-
begabten Künſtler wäre anzurathen: Manier — Manier
ſein zu laſſen und endlich die wahren Werthe und die
tieferen Erkenntniſſe der ſo heilſamen modernen Kunſt-
entwicklung von dem äußerlichen Gallimathias los-
zulöſen, der nur den Speck für das große Publikum
bedeutete, und deſſen der ernſte Künſtler wahrlich ent-
rathen kann.

Münchner Nunstschau.

ie Gallerie Beinemann hat ihre ſchönen Räume

neuerdings weſentlich vergrößert, Emanuel Seidl,
der tüchtige Münchner Architekt, hat ein paar
liebenswürdige Interieurs geſchaffen: mittelgroße, gut-
beleuchtete Säle und einige ſtille, halbdunkle Kabinets,
die ſich namentlich zur Aufnahme intimer, vorwiegend
graphiſcher Kunſtwerke eignen dürften. Es giebt in
neuen und alten Räumen bei Heinemann zur Seit nicht
weniger als ſieben neue Nollektiv-Ausſtellungen. Dabei
ſind die Holländer, von denen ich ſchon früher be-
richtete, noch ſtehen geblieben. Freilich iſt unter dieſen
vielen Werken nicht Alles erſter Güte. Es ſchwimmt
viel Mittelgut mit, das läßt ſich eben im Kunſthandel
wohl nicht gut vermeiden.

Da iſt einmal die Ausſtellung des Grafen CT.
Almaſy aus Sſadany. Etwa 20 Werke, theilweiſe
bis in die achtziger Jahre zurückreichend. Ich bringe,
wenn ich dieſe Bilder betrachte, den Eindruck nicht los,
daß hier ein geſchickter Dilettant am Werke iſt, der
eklektiſch heute Munkacſy, morgen Böcklin und über-
morgen — nun ſagen wir einmal den RNarlsruher
Ferdinand RNeller ſich zum Vorbild nimmt. Es iſt ein
unſicheres, planloſes Taſten und Tappen in ſeinem
Werk. Er malt ein großes Jagodſtück, einen Hubertus,
alterthümlich, ganz Gothik, er malt eine allegoriſche
„Wacht“, die er Böcklin abgelauſcht hat, er malt ein
entzückend friſches Kinderbildchen, er malt einen Pußta-
tanz, ſonnenheiß, ſtaubgeſchwängert — Alles bunt und
wirr durcheinander. Man ſieht keinen letzten Grund
ſeiner Arbeit ein, es fehlt die Gehaltenheit und Würde
des wahren Künſtlers, der ſeine Ueberzeugung nie ver-
leugnet.

Auch der Münchner Max Kuſchel iſt ein Eklektiker.
Die große Sonne Arnold Böcklin's hat in ihm ein ım-
ſicher ſchwankendes Lichtlein angezündet, und dazu ſind
ihm viele Andere, die vor ihm ſchon auf Böcklin's

blumigen Wegen wandelten, zu Lehr und Vorbild ge-
worden. Beſonders Stuck's üppige Huldinnen, die
aller reifen Reize ſich augenblitzend bewußt ſind, haben
ihm gefallen, und er hat ſie ſkrupellos in ſein Pro-
gramm aufgenommen. Ein wenig zu raſch, zu hand-
fertig giebt er in lauten, allzu bunten Farben dieſes
kurioſe Gedanken- und Formengemiſch von ſich, ſicherlich
nicht ohne wenigſtens eine eigene Note dazuzugeben.
Denn dieſe ſeltſam grünlichen oder bräunlichen Schatten
in einem kräftig modellirten Frauenkopf ſind ſchon ſeine
eigene Erfindung. Das Buntzuſammengetragene iſt zu
ſehr der Tiefe entbehrend, und das wenige Eigene iſt
mit allzu viel Prätenſion vorgebracht, als daß man
Kuſchel's Bildern einen dauernden Kulturwerth beilegen
könnte. Deswegen ſoll aber ſo gefälligen, zierlichen
Kleinigkeiten wie ſeinem „Bockgeſpann“ eine liebens-
würdige Heiterkeit oder ſeinen abendlichen Landſchaften
eine gewiſſe geklärte Stimmung nicht abgeſprochen ſein.

Da iſt Gino Parin, ein Italiener, der in München
gelernt und hier ſein Selt aufgeſchlagen hat, viel
origineller, wenn ich auch ſeine Art und Richtung nicht
eben ſonderlich liebe. Beardsley, Toulouſe-Cautrec und
andere Dekadenten ſind die Pathen ſeiner nervöſen Kunſt.
Vielleicht haben auch die Japaner, beſonders Utamaro,
auf ſeine Linienführung eingewirkt; jedenfalls wenigſtens
ſind dieſe zwei Dutzend Porträts ein Beweis dafür,
daß der Japanismus in der mitteleuropäiſchen Kunſt
noch nicht todt iſt. Parin malt vor Allem Frauen.
Frauen — was ſag' ich? — er malt das Weib. Dem
ſpürt er nach mit jedem Pinſelſtrich: die Eine wird zu
einer leidenſchaftlich Begehrenden, die Andere zu einer
frommen, ach wie frommen Heiligen. „Hortus con-
clusus“ ſteht unter einem der Frauenbildniſſe. Das
Reifſte und Brillanteſte ſeiner Kunſt — auch im Tech-
niſchen — hat Parin wohl in dem Porträt der Frau
Hedwig Lange gegeben, hier ſind ihm wahrhaft pikante
Farbenwirkungen gelungen, und zwar mit ganz ge-
ringen äußeren Mitteln. Wie ich höre, ſoll dieſes Porträt
eine der letzten, jüngſten Arbeiten Parin's ſein. Das
wäre erfreulich. Denn das wäre ein Beweis dafür,
daß er von der Manier weg in die Bahnen eines ge-
ſunden und vornehmen Realismus einlenken will. In
dieſem Verſtand könnte man Parin wohl herzlich in dem
Kreis unſerer Porträtrealiſten willkommen heißen und
ihm ein günſtiges Prognoſtikon ſtellen. Freilich dürfte
er in die alte Manier, die ſich am greulichſten etwa in
dem Bildnis der Donatella P. bekundet, nicht mehr
zurückfallen.

Von den „Breisgauer Fünfern“ (Freiburg i. B.)
ſind nur vier gekommen: Hermann Diſchler, Karl
Haffner, Fritz Reiß und Ludwig Sorn. Es iſt erſicht-
lich, was dieſe neue Vereinigung will: Heimatkunſt.
Die Worpsweder, die Dachauer machen Schule. Warum
nicht in den reizvollen, romantiſchen Schwarzwald
hinausziehen und ſeine Schönheiten aller Welt vor
Augen führen? Das iſt ein lobeſames Unternehmen.
Das unterliegt doch keinem Sweifel: Die Schönheiten
der eigenen Heimat weiß man doch immer am feurigſten
und muthigſten zu preiſen. Karl Haffner freilich zeigt
bis jetzt noch nicht viel Heimatliches, er wandert noch
nach Tivoli und Viareggio, obwohl ſeine ganze nebelige
Art ihn vielmehr nach Norden als nach Süden weiſen
ſollte. Er iſt kein Italienmaler. Fritz Reiß, auch als
Illuſtrator bekannt, iſt der Produktipſte dieſes kleinen
Kreiſes. Ach, er iſt zu produktiv. Da wird man leicht
oberflächlich, ein wenig leichtſinnig. Die Ciefe heimat-
licher Kultur iſt noch nicht ganz in ihm. Am beſten iſt
ihm wohl eine hübſche Landſchaft „Nach dem Gewitter“
gelungen — da iſt das Aufathmen drinnen, das den
 
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