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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 2 (15. Oktober 1904)
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Aachen: Kunstbericht
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Marasse, M.: Irische Malkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0030

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Nr. 2

Auch bei der Wiederherſtellung und dem Ausbau
des alten gothiſchen Rathhauſes ging nicht alles ſo,
wie man beim gegenwärtigen Stande der Denkmals-
pflege hätte erwarten können. Für die Uniformität der
beiden urſprünglich verſchieden angelegten Thürme
laſſen ſich allerdings Gründe ins Treffen führen, auch
iſt für ſie der Reſtaurator G. Frentzen nicht verant-
wortlich, wohl aber für die Ignorirung der urſprüng-
lichen Portalanlage. Ihre deutlichen Spuren wurden
ohne weiteres beſeitigt. Was an ihre Stelle geſetzt iſt,
erſcheint verfehlt, es wirkt gedrückt und kleinlich. Die
Thürflügel mit den in Bronze getriebenen Reliefs und
Einzelfigürchen ſind ſtillos und ſpieleriſch, der Giebel-
ſchmuck ſchwerfällig und für eine ſo hervorragende
Stelle nicht künſtleriſch genug ausgeführt. Gut ſind an
der Rathhausfaſſade überhaupt nur die rechteckigen
Reliefs mit den Allegorien der Gewerbe und freien
Künſte von T. Krauß. Im Innern des Rathhauſes
hat ſeiner Seit der frühere Stadtbaumeiſter J. Stübben
übel gehauſt, indem er es von dem größten Theile der
durch J. J. Couven entworfenen Rokoko-Vertäfelung
ſäuberte und ſie auf Abbruch verkaufte. Heute ziert ſie
einen Schloßbau in Moresnet und iſt mit beträchtlichen
Koſten durch weit geringere Arbeiten erſetzt worden,
die man bei Umbauten von Kirchen und Drivathäuſern
erwarb. Es iſt eine Ironie des Schickſals, daß gerade
die beiden Männer, die an einem ſo hervorragenden
alten Bauwerke geſündigt haben, bei dem diesjährigen
Tage für Denkmalspflege das Referat über die
ſtädtiſchen Bauordnungen im Dienſte der Denkmals-
pflege erſtatten. Hoffentlich wird bei derſelben Ge-
legenheit die Frage einer beſſeren kunſthiſtoriſchen Vor-
bildung der Architekten, welchen ja vielfach der Schutz
alter Baudenkmäler obliegt, erörtert werden und zu
den erwünſchten praktiſchen ESrgebniſſen führen.

An der Südſeite des Rathhauſes, wo nichts zu
konſerviren war, konnte Frentzen ſeine Phantaſie in
maleriſchen ſpätgothiſchen Arkaden entfalten, welche im
Vereine mit dem neuen Rathhauſe Putzers den Platz
zu einem der ſchönſten und eigentümlichſten Stadtbilder
geſtalten. Allgemein wünſcht man, daß hier an
paſſender Stelle ein Denkmal Karls des Großen er-
richtet werde, der ſich vorläufig noch mit der zierlichen
Dinanterie auf dem Marktbrunnen begnügen muß.
Doch den Wunſch zur That zu geſtalten hält ſchwer,
denn der alte Frankenkaiſer verteilt keine Orden. Vor-
läufig iſt der „Baakauf“ an der Reihe, der Sage nach
ein Ungeheuer, halb Kalb, halb Drache, das ſich an-
geheiterten Nachtſchwärmern auf den Nacken ſetzt und
ſie bis nach Hauſe verfolgt. In der Dialektdichtung eine
grotesk⸗komiſche Geſtalt, kann ſie in der Plaſtik nicht
anders als widerwärtig wirken. Sbenſo wenig Ge-
ſchmack verräth das Frentzenſche Projekt eines Bismarck-
thurmes, welches bereits zur Ausführung vorgeſchlagen
iſt — ein Doppelthurm mit drei horizontalen Ver-
bindungen, welche von weitem ungefähr ein großes B
ergeben ſollen, ein bei Feuerwerken ſehr beliebter
Scherz.

Wie jetzt um die Münſterreſtaurirung ſtritt man ſich
vor einigen Jahren um die Erhaltung des Weſpien-
hauſes. Es gelang damals weder die ſtädtiſche Ver-
waltung für den Ankauf dieſes beſten, und für die
eigenartige Entwicklung des Rokokos in Aachen am
meiſten kennzeichnenden Baues zu gewinnen, noch durch
eine private Sammlung die Mittel hierfür auſzubringen.
So iſt denn die ganze innere Einrichtung unter den
Nammer gekommen und ſchließlich ſogar die Faſſade,
dank der rückſichtsloſen Erwerbsgier des jetzigen Be-
ſitzers, durch die Anlage von Verkaufsläden gänzlich

entſtellt worden. Dafür wird Aachen jedoch durch die
finanzielle Unterſtützung der Stadt und Privater zu
ſeinem Suermondt-Muſeum noch ein Hochſchul-Muſeum
bekommen, in welchem die ſehr unbedeutende Reiff'ſche
Sammlung moderner Gemälde aufgeſtellt werden ſoll.
Das Weſpienhaus aber iſt nur in effigie in einer
Publikation von Max Schmid erhalten, welche dem
„gegenwärtig regierenden“ Oberbürgermeiſter gewidmet
iſt, 44 Tafeln mit Lichtdrucken und 6 Seiten Text ent-
hält. Es unterſcheidet ſich nicht zu ſeinem Vortheile
von den beiden früher genannten. Der größere Theil
der Tafeln iſt flau, der Text unerlaubt dürftig. Was
ſich in ihm von wiſſenſchaftlichem Material vorfindet,
iſt von anderen Seiten zuſammengetragen, namentlich
beſchämt Buchkremer durch ſeine fleißige und gründ-
liche Studie über die beiden Baumeiſter Couven, welche
auch zahlreiche Abbildungen aus dem Weſpienhauſe
enthält, den Autor, der ſich an ihn überall anlehnt.
Von einem Kunſthiſtoriker hätte man an dieſer Stelle
eine Analyſe des Aachener Rokokos, eine Darſtellung
ſeiner Beziehungen zu Lüttich und anderen belgiſchen
und niederländiſchen Kunſtſtätten erwarten ſollen.
Nierzu iſt nicht einmal der beſcheidenſte Verſuch ge-
macht. An einer verborgenen Stelle entdecken wir
den Namen des Herſtellers der Aufnahmen, des Archi-
tekten Grewe, dagegen prangt auf jeder einzelnen Tafel
der des Herausgebers.
A. Niſa.

@

Jrische Malkunst.

N n der Art Gallery of the Corporation ot London

8 zieht augenblicklich eine Ausſtellung der Werke
iriſcher Maler das kunſtſinnige Publikum der
engliſchen Nauptſtadt in breiten Maſſen der ſo unheimlich
belebten und nervenerſchütternden City zu. Denn die
Salons, welche das maleriſche Können der Inſel der
Veiligen repräſentieren, liegen in der Guildhall, über
deren Vorhalle das Motto der City in deutlichen Buch-
ſtaben prangt: „Domine dirige nos“. Herr leite uns,
ein Stoßſeufzer, den ſo häufig auch der kunſtdurſtigſte
Beſucher nicht unterdrücken kann, wenn er eine moderne
Ausſtellung mit einer endloſen Reihe von bildgeſchmückten
Sälen betritt. Bei der 15. Exhibition, die in den Räumen
der Guildhall im Mai des Jahres eröffnet wurde, fehlt
dieſes ſchwerwiegende Abſchreckungsmittel. Wir betrachten
die iriſche Palettenkunſt nur in 6 Sälen, die einen guten
Ueberblick über die intereſſante Vollektion geſtatten.
Die urſprüngliche Beſtimmung der Sammlung, der
Weltausſtellung in St. Louis entgegenzuſchiffen, ſtieß auf
nicht vorhergeſehene Schwierigkeiten, die ſich als unüber-
windlich herausſtellten. Um eine Auflöſung zu vermeiden,
trat die Corporation of London thatfräftig auf, indem
ſie die Räume der Guildhall zu freundlicher Benutzung
anbot. Das trug weſentlich zur Bereicherung des Unter-
nehmens bei, denn viele Beſitzer, die gegen den Trans-
port über das Meer proteſtirt hatten, ſtellten nun in
gefälligem Entgegenkommen ihre Porträts zur Verfügung.
Man muß das Kind beim rechten Namen nennen, der
engliſche Galleriebeſucher verlangt vor allem nach dem
Porträt, dieſes, es iſt ſtets mit dem Namen des Griginals
bezeichnet, bildet die Grundlage ſeines künſtleriſchen Inter-
eſſes. Vor ſolch einem Bilde — auch in der gegenwärtig
tagenden Ausſtellung der Royal Academy — ſtaut ſich
die Menge, kritiſirt, diskutirt, die Männer prahlen mit
 
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