Nr.
165
lich nicht genüge, für die nationalen Gepflogenheiten
dieſer fremden Künſtler ein feinfühliges Verſtändniß
und Entgegenkommen ſtets bereit zu haben, ſondern,
daß es nur recht und billig ſei, das gleiche Entgegen-
kommen auch gegenüber den analogen Erzeugniſſen
der eigenen künſtleriſchen Produktion zu bethätigen. ...
Ich ſtelle mir im Geiſte gern vor, daß die eben
gegebene Auffaſſung gar manchmal die eifrigen Kunft-
geſpräche des Monarchen mit Altmeiſter Menzel belebt
haben dürfte, der von dem Kaiſerlichen Herrn hoch-
geſchätzt und geehrt wurde, wie noch niemals bisher
ein Mann der Palette von einem Fürſten Ehrung er-
fuhr, weil er vor anderen Meiſtern unſerer Seit den
Jüngern bewies: wie ernſt und ehrlich man ſich gerade
in die Bücher des vaterländiſchen Lebens vertiefen
könne, ohne jemals an der künſtleriſchen Schönheit und
Würde irre zu werden.
Eine Florentiner Sammlung
von Werken der Schmiedekunst.
Von Helen Zimmern, Florenz.
L okrates hat den Satz aufgeſtellt, Schönheit beruhe auf
2 Zweckmäßigkeit. Auf die Heilighaltung dieſes Grund-
© ſatzes in der griechiſchen und alten italieniſchen Kunft
iſt die Unvergänglichkeit ihrer Werke zurückzuführen. Inſtinktiv
war das Streben auf Schönheit und Brauchbarkeit bei allen
jenen Gegenſtänden gerichtet, die die Menſchen täglich benutzten
und vor Augen hatten. Im Mittelalter und der Renaiſſance,
dem maſchinenloſen Seitalter, konnte der Handwerker noch
ſeine Individualität offenbaren. Einem angeborenen Runſt-
ſinn folgend, ſuchten und fanden die Menſchen damals einen
Genuß im Anblicken ſchöner Dinge. Das Leben bewegte ſich
naturgemäß in engeren Grenzen, in der Surückgezogenheit des
Heims, und alle Freuden barg das Haus und die Umgebung
desſelben. Daher auch wurde den häuslichen Geräthen ſo viel
mehr Sorgfalt zugewandt als heute, wo wir uns mit der
Dutzendwaare der Fabriken begnügen. Das Schöne aber, was
aus den Werkſtätten vergangener Seiten hervorgegangen iſt,
da eben jeder Arbeiter noch Freude am Werk ſeiner Bände
hatte, in Sammlungen aufzubewahren, iſt ein nicht zu unter-
ſchätzendes Verdienſt. Giebt es auch unter der heutigen Herr-
ſchaft des Maſchinenbetriebes kaum noch Arbeiter, die wahre
hingebende Freude, im eigentlichen Sinne Schaffensfreude, an
ihrer Arbeit haben, ſo iſt darum die Würdigung guter, gediegener
Leiſtungen und derer, die ſie mit Liebe thun, keineswegs aus-
geſtorben. Viele giebt es noch, die auch dafür zu zahlen bereit
ſind. Es gilt nur, den Weg zu zeigen, ſo wird er auch be-
treten. Solche und ähnliche Gedanken erweckte mir die mit
liebevollem Verſtändniß aufgebrachte werthvolle Sammlung
alter Schmiedekunſt des Marcheſe Peruzzi dei Medici,
eines jungen Florentiner Edelmanns, der ſich die Erhaltung
dieſer Schätze ſeines Vaterlandes angelegen ſein läßt, wohl
wiſſend, daß er damit ein ſchönes patriotiſches Werk thut. Es
iſt eine wohlbekannte Thatſache, daß der Norden Italiens den
weitaus größten Theil der Erzeugniſſe dieſes KHunſthandwerks
hervorgebracht hat. Dem robuſten Geiſt ſeiner Bewohner ent-
ſprach die Bethätigung ihres Formenſinns in dem ſpröden
Material am beſten. Piemont, Venedig, Siena und Florenz
haben darin ebenſo Herrliches geleiſtet, wie ſelbſt Frankreich
und ſogar Spanien, das klaſſiſche Land für Schmiedekunſt. Und
hierfür zeugt denn auch die Sammlung des Marcheſe Peruzzi,
der das Muſeum im Erdgeſchoß ſeines Stamm Palaſtes in der
Via Maggio, Florenz, in zuvorkommendſter Weiſe Jedem, der
Intereſſe an dem Gegenſtand hat, geöffnet hält. Und eine
paſſendere Umgebung, als der ſtreng mittelalterliche Raum, in
dem die Sammlung ſich befindet, iſt für dieſe gar nicht denkbar.
Beginnen wir nun mit der Muſterung. Da feſſelt zunächſt
unſere Blicke eine Serie von Lavabos oder Beckenſtändern, die
in chronologiſch geordneter Reihe längſt der Mitte des Saales
aufgeſtellt ſind. Der erſte dieſer Ständer, aus dem 14. Jahr-
hundert, beſteht in einem Schaft, der oben in drei Theile
gabelförmig geſpalten iſt und eine einfache Verzierung in Form
einer Schleife trägt. Hier zeigt ſich erſt nur der ſchwache Verſuch
eines Sieraths, eben jene Schleife in mittlerer Höhe des
Ständers, doch ſind die Proportionen korrekt und gefällig. Das
zweite Exemplar iſt ſchon ganz anderer Art. Der kunſtvoll
geſchweifte Schaft in Geſtalt einer Schlange wird von drei
ſchlangenartigen Füßen gothiſchen Stils getragen. Der graziöſe
Ständer iſt aus dem 15. Jahrhundert, dem Seitalter der Schönheit.
Nahe beidieſem ſteht einer, der dem drauffolgenden Jahrhundertent-
ſtammt. Er iſt aus drei gebogenen Längsſtangen gebildet, die
durch eine Schnörkelverſchlingung mit Boſſen in Bronze ver-
bunden ſind. Und ſo folgen noch viele, die aber in ſtufen-
weiſer Ordnung eine Abnahme an ornamentalem Schmuck und
Formenſchönheit bei ſchwererem Material aufweiſen, bis herab
zum ordinären italieniſchen Waſchſtänder, der wenige Centeſimi
koſtet und künſtleriſch nichts werth iſt. Indeſſen bleibt noch
ein aus dem 17. Jahrhundert ſtammendes Lavabo zu erwähnen,
das in ſeiner ganzen Geſtalt an die Form der Florentiner
Lilie erinnert, das Emblem der Stadt. Ganz anderer Art iſt
hinwiederum ein prächtiges Sakriſtei-Cavabo, das Werk eines
Venetianers aus demſelben Jahrhundert. Das wunderbar gut
erhaltene Stück beſteht aus zwei Theilen. Der eine iſt ein
ſchön gearbeiteter Dreifuß, der mit ſeiner aus Spiralen ge-
bildeten Form an die Lavabos des 14. und 15. Jahrhunderts
erinnert. Die je aus zwei Bogen zuſammengefügten Beine
haben an dieſen Stellen Hahnenköpfe als Verzierung, die aus
Metallplatten geſchnitten ſind. Der Ständer trägt ein aus
gleicher Epoche herrührendes prachtvolles Metallbaſſin. Der
darangefügte zweite Theil iſt ein Geſtell in Form einer hohen
Eiſenſtange mit zwei Armen, deren einer mit einem fliegenden
Drachen verziert iſt, an dem ein Waſſerbehälter über dem
Baſſin hängt, während der andere drehbare Arm als Hand-
tuchhalter dient. Am oberen Ende iſt die Stange mit einem
Ornament in Form einer Wetterfahne verſehen, während die
äußerſte Spitze von einer Spirale gekrönt iſt. Sunächſt fällt
uns nur eine mit Spiralen verzierte Laterne auf, die oben
offen iſt und unten eine außerordentlich ſchön aus-
eee i e le lat, Lichthalter dieſer
Art ſind äußerſt ſelten und von bedeutendem hiſtoriſchen
Intereſſe, da ihr Gebrauch nur den Patriziern, Trägern be-
rühmter Namen und einflußreichen Bürgern der Stadt erlaubt
war. Daher ſind ſie auch meiſt reich ornamentirt. Das
Exemplar des Marcheſe Peruzzi ſtammt aus der Mitte des
15. Jahrhunderts. Daneben ſehen wir einen intereſſanten
eiſernen Gitter-Schirm, deſſen durchbrochene Fläche in Vierblatt
165
lich nicht genüge, für die nationalen Gepflogenheiten
dieſer fremden Künſtler ein feinfühliges Verſtändniß
und Entgegenkommen ſtets bereit zu haben, ſondern,
daß es nur recht und billig ſei, das gleiche Entgegen-
kommen auch gegenüber den analogen Erzeugniſſen
der eigenen künſtleriſchen Produktion zu bethätigen. ...
Ich ſtelle mir im Geiſte gern vor, daß die eben
gegebene Auffaſſung gar manchmal die eifrigen Kunft-
geſpräche des Monarchen mit Altmeiſter Menzel belebt
haben dürfte, der von dem Kaiſerlichen Herrn hoch-
geſchätzt und geehrt wurde, wie noch niemals bisher
ein Mann der Palette von einem Fürſten Ehrung er-
fuhr, weil er vor anderen Meiſtern unſerer Seit den
Jüngern bewies: wie ernſt und ehrlich man ſich gerade
in die Bücher des vaterländiſchen Lebens vertiefen
könne, ohne jemals an der künſtleriſchen Schönheit und
Würde irre zu werden.
Eine Florentiner Sammlung
von Werken der Schmiedekunst.
Von Helen Zimmern, Florenz.
L okrates hat den Satz aufgeſtellt, Schönheit beruhe auf
2 Zweckmäßigkeit. Auf die Heilighaltung dieſes Grund-
© ſatzes in der griechiſchen und alten italieniſchen Kunft
iſt die Unvergänglichkeit ihrer Werke zurückzuführen. Inſtinktiv
war das Streben auf Schönheit und Brauchbarkeit bei allen
jenen Gegenſtänden gerichtet, die die Menſchen täglich benutzten
und vor Augen hatten. Im Mittelalter und der Renaiſſance,
dem maſchinenloſen Seitalter, konnte der Handwerker noch
ſeine Individualität offenbaren. Einem angeborenen Runſt-
ſinn folgend, ſuchten und fanden die Menſchen damals einen
Genuß im Anblicken ſchöner Dinge. Das Leben bewegte ſich
naturgemäß in engeren Grenzen, in der Surückgezogenheit des
Heims, und alle Freuden barg das Haus und die Umgebung
desſelben. Daher auch wurde den häuslichen Geräthen ſo viel
mehr Sorgfalt zugewandt als heute, wo wir uns mit der
Dutzendwaare der Fabriken begnügen. Das Schöne aber, was
aus den Werkſtätten vergangener Seiten hervorgegangen iſt,
da eben jeder Arbeiter noch Freude am Werk ſeiner Bände
hatte, in Sammlungen aufzubewahren, iſt ein nicht zu unter-
ſchätzendes Verdienſt. Giebt es auch unter der heutigen Herr-
ſchaft des Maſchinenbetriebes kaum noch Arbeiter, die wahre
hingebende Freude, im eigentlichen Sinne Schaffensfreude, an
ihrer Arbeit haben, ſo iſt darum die Würdigung guter, gediegener
Leiſtungen und derer, die ſie mit Liebe thun, keineswegs aus-
geſtorben. Viele giebt es noch, die auch dafür zu zahlen bereit
ſind. Es gilt nur, den Weg zu zeigen, ſo wird er auch be-
treten. Solche und ähnliche Gedanken erweckte mir die mit
liebevollem Verſtändniß aufgebrachte werthvolle Sammlung
alter Schmiedekunſt des Marcheſe Peruzzi dei Medici,
eines jungen Florentiner Edelmanns, der ſich die Erhaltung
dieſer Schätze ſeines Vaterlandes angelegen ſein läßt, wohl
wiſſend, daß er damit ein ſchönes patriotiſches Werk thut. Es
iſt eine wohlbekannte Thatſache, daß der Norden Italiens den
weitaus größten Theil der Erzeugniſſe dieſes KHunſthandwerks
hervorgebracht hat. Dem robuſten Geiſt ſeiner Bewohner ent-
ſprach die Bethätigung ihres Formenſinns in dem ſpröden
Material am beſten. Piemont, Venedig, Siena und Florenz
haben darin ebenſo Herrliches geleiſtet, wie ſelbſt Frankreich
und ſogar Spanien, das klaſſiſche Land für Schmiedekunſt. Und
hierfür zeugt denn auch die Sammlung des Marcheſe Peruzzi,
der das Muſeum im Erdgeſchoß ſeines Stamm Palaſtes in der
Via Maggio, Florenz, in zuvorkommendſter Weiſe Jedem, der
Intereſſe an dem Gegenſtand hat, geöffnet hält. Und eine
paſſendere Umgebung, als der ſtreng mittelalterliche Raum, in
dem die Sammlung ſich befindet, iſt für dieſe gar nicht denkbar.
Beginnen wir nun mit der Muſterung. Da feſſelt zunächſt
unſere Blicke eine Serie von Lavabos oder Beckenſtändern, die
in chronologiſch geordneter Reihe längſt der Mitte des Saales
aufgeſtellt ſind. Der erſte dieſer Ständer, aus dem 14. Jahr-
hundert, beſteht in einem Schaft, der oben in drei Theile
gabelförmig geſpalten iſt und eine einfache Verzierung in Form
einer Schleife trägt. Hier zeigt ſich erſt nur der ſchwache Verſuch
eines Sieraths, eben jene Schleife in mittlerer Höhe des
Ständers, doch ſind die Proportionen korrekt und gefällig. Das
zweite Exemplar iſt ſchon ganz anderer Art. Der kunſtvoll
geſchweifte Schaft in Geſtalt einer Schlange wird von drei
ſchlangenartigen Füßen gothiſchen Stils getragen. Der graziöſe
Ständer iſt aus dem 15. Jahrhundert, dem Seitalter der Schönheit.
Nahe beidieſem ſteht einer, der dem drauffolgenden Jahrhundertent-
ſtammt. Er iſt aus drei gebogenen Längsſtangen gebildet, die
durch eine Schnörkelverſchlingung mit Boſſen in Bronze ver-
bunden ſind. Und ſo folgen noch viele, die aber in ſtufen-
weiſer Ordnung eine Abnahme an ornamentalem Schmuck und
Formenſchönheit bei ſchwererem Material aufweiſen, bis herab
zum ordinären italieniſchen Waſchſtänder, der wenige Centeſimi
koſtet und künſtleriſch nichts werth iſt. Indeſſen bleibt noch
ein aus dem 17. Jahrhundert ſtammendes Lavabo zu erwähnen,
das in ſeiner ganzen Geſtalt an die Form der Florentiner
Lilie erinnert, das Emblem der Stadt. Ganz anderer Art iſt
hinwiederum ein prächtiges Sakriſtei-Cavabo, das Werk eines
Venetianers aus demſelben Jahrhundert. Das wunderbar gut
erhaltene Stück beſteht aus zwei Theilen. Der eine iſt ein
ſchön gearbeiteter Dreifuß, der mit ſeiner aus Spiralen ge-
bildeten Form an die Lavabos des 14. und 15. Jahrhunderts
erinnert. Die je aus zwei Bogen zuſammengefügten Beine
haben an dieſen Stellen Hahnenköpfe als Verzierung, die aus
Metallplatten geſchnitten ſind. Der Ständer trägt ein aus
gleicher Epoche herrührendes prachtvolles Metallbaſſin. Der
darangefügte zweite Theil iſt ein Geſtell in Form einer hohen
Eiſenſtange mit zwei Armen, deren einer mit einem fliegenden
Drachen verziert iſt, an dem ein Waſſerbehälter über dem
Baſſin hängt, während der andere drehbare Arm als Hand-
tuchhalter dient. Am oberen Ende iſt die Stange mit einem
Ornament in Form einer Wetterfahne verſehen, während die
äußerſte Spitze von einer Spirale gekrönt iſt. Sunächſt fällt
uns nur eine mit Spiralen verzierte Laterne auf, die oben
offen iſt und unten eine außerordentlich ſchön aus-
eee i e le lat, Lichthalter dieſer
Art ſind äußerſt ſelten und von bedeutendem hiſtoriſchen
Intereſſe, da ihr Gebrauch nur den Patriziern, Trägern be-
rühmter Namen und einflußreichen Bürgern der Stadt erlaubt
war. Daher ſind ſie auch meiſt reich ornamentirt. Das
Exemplar des Marcheſe Peruzzi ſtammt aus der Mitte des
15. Jahrhunderts. Daneben ſehen wir einen intereſſanten
eiſernen Gitter-Schirm, deſſen durchbrochene Fläche in Vierblatt