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Julius Cäſar, Nonſtantin, Karl d. Gr. und Rudolf
von Habsburg, die dem Sieger von Fehrbellin als
leuchtende Sterne am Rimmel der Geſchichte vor Augen
ſchwebten. Und hoch über ihm und ſeinen leiblichen
bez. geiſtigen Vorfahren, die in Wandniſchen ſtanden,
thronte inmitten der Decke die „Göttliche Vorſehung“,
rings umgeben von den Perſonifikationen der Tugenden
und KRünſte. So fand bereits damals, im allerdings
geſchloſſenen Rahmen, ein ähnlicher Gedanke wie an
der Siegesallee einen ſehr bemerkenswerthen Ausdruck
in zykliſch gedachten Kunſtwerken. Doch der eigen-
artige und tiefere geiſtige Gehalt, der dem umfang-
reichen Ganzen der Thiergartenſchöpfung innewohnt,
verleiht der letzteren, über den begrenzten Sweck des
Fürſtlichen Ehrgeizes weit hinausgehend, das Gepräge
eines nationalen Kunſtwerkes.
Ein Kunſtwerk in der That von nicht gewöhnlicher
Art. Denn wenn auch manches Detail nicht auf der
vollen Höhe des plaſtiſchen Vermögens der Seit ſteht,
wenn auch hin und wieder ein manierirter Sug den
geiſtigen Eindruck einer Geſtalt, eines Kopfes etwas
abſchwächt, ſo zeichnet doch ein beträchtliches künſt-
leriſches Niveau das Ganze aus. Durchweg feſſelt
uns der Verſuch der Bildhauer, aus dem für jeden
Fürſten ermittelten Material ein harmoniſches, die be-
treffende Epoche wirkſam charakteriſirendes Geſammt-
bild der Gruppe zu geſtalten: ein Verſuch, der dank
der unermüdlichen Theilnahme des hohen Beſtellers in
mehreren Fällen überraſchend ſchön, ja formvollendet
geglückt iſt. So vollendet, daß man — unbekümmert
um manche abfällige zeitgenöſſiſche Kritik — getroſt
das Urtheil der Nachwelt abwarten darf, die es gewiß
dereinſt bewundern wird, daß lediglich aus den Kräften
einer einzigen heimiſchen Bildhauerſchule in verhältnis-
mäßig kurzer Seitſpanne eine ſo gewaltige künſtleriſche
Leiſtung erreicht wurde. Auch wird ſich die Nachwelt
wohl die Rechtfertigung der angefochtenen Monotonie
der Gruppen hinſichtlich der Anordnung gleich hoher
Standbilder in Niſchen von natürlichem Geſträuch, und
im Halbkreiſe von hermengeſchmückten Marmorbänken
umrahmt, angelegen ſein laſſen. Sie wird, in die Welt
hiſtoriſcher Kunſt ſich verſenkend, an die Gleichförmig-
keit geweihter Sphinxalleen, an den feierlichen Rhythmus
antiker Säulengänge erinnern und wird, darauf fußend,
die Idee des Kaiſers, der ſich den Königsplatz mit
ſeinen Denkmälern als einen von der Kuppel des
Nimmels umſpannten offenen Nationaltempel vorſtellte,
dahin interpretiren, daß der Monarch dieſem lebendigen
Dom als Atrium eine Feſtſtraße vorlegte, aus deren
Gleichförmigkeit der edle Rhythmus einer mit Wand-
niſchen und Statuen geſchmückten Halle herausklingen
ſollte. Möge es nicht lange mehr dauern, bis auch
für die oft getadelte Berliner Siegesallee „die Wahr-
heit heranrückt“!
Hoffentlich wird ſich dann auch noch manche
andere irrthümliche Auffaſſung geklärt haben. So iſt
die Schwächlichkeit der Runſtgeſinnung zu bekämpfen,
die den Werth des deutſchen Kunſtſchaffens, trotz aller
gegentheiligen Verſicherung, noch immer nach dem
Grad der Abhängigkeit von den heute gefeierten Aus-
landsgrößen beurtheilt. Man ſcheint in unſeren natura-
liſtiſchen Kreiſen noch immer der Meinung zu ſein, daß
ein moderner Maler nur ehrlich ſein könne, wenn er
holländiſche Näsbauern oder Pariſer Griſetten malt.
Unſere eigenen Volkstypen aber, ich meine freilich
nicht die manchmal beliebten häßlichen, ſondern die
edlen, flößen den Herren augenſcheinlich ſolche Abneigung
ein, daß ſie deren Aufnahme als mit ihrer geprieſenen
Ehrlichkeit unvereinbar ablehnen. Das ſind wahrhaft
bedenkliche Suſtände! Man hält zwar, wenn es gerade
ſo paßt, das Gegenſtändliche in der Kunſt für gleich-
gültig (ſiehe oben!) und erklärt dennoch den patriotiſchen
Stoff für unzuläſſig, als wenn nicht der Künſtler,
ſondern der Stoff das Werk qualifizire. Und dieſen
eigenthümlichen Standpunkt vertreten heute ſogar
wiſſenſchaftliche Leute, die man für berufen halten
könnte, wenn ſie durch ihre zur Schau getragene Ge-
ſinnung nicht das Gegentheil verriethen. Den Macht-
habern der Partei zu Liebe wollen ſie nicht daran
denken, daß z. B. der weltberühmte Parthenonfries de
Phidias, der die Wehrkraft, die Schönheit und den
Stolz des atheniſchen Volkes wunderbar bezeugt, vor
Allem an das patriotiſche Herz dieſes Volkes mächtig
gerüttelt hat, daß ein Velasquez in dem herrlichen
Bilde ſeiner Lanzenkrieger vor den Thoren des er-
oberten Breda der ſpaniſchen Tapferkeit und Groß-
muth im patriotiſchen Sinne ſeinen Pinſel lieh. ...
Soll allein dem deutſchen Maler die gleiche Freude
vergällt, das gleiche Recht genommen werden?
Daß dies zum Glück nicht gelang: wem anders
als unſerem Kaiſer gebührt das Verdienſt? Er wußte
dem Hiſtorienſchilderer, dem Kriegs- und dem Marine-
maler gar manche dankbare Aufgabe zu ſtellen, die im
hohen künſtleriſchen Geiſte zu löſen war. Dem freien
Künſtler blieb die Geſtaltung ausſchließlich überlaſſen.
Wurden die Erwartungen einmal nicht erfüllt, ſo lag
das wahrlich nicht an der Abſicht des Beſtellers, der
nur Bedeutendes und Erhebendes wünſchte; am
wenigſten bot es Urſache, den einzelnen Mißerfolg mit
einem vaterländiſchen Stoffe zu einem kritiſchen Angriff
auf die ganze Gattung auszumünzen. Der Tadel hätte
in ſolchem Falle weit eher jene fähigen Künſtler treffen
ſollen, die ihre Phantaſie den edlen Nandlungen,
CThaten und Geſtalten unſeres Volkes gefliſſentlich fern
halten, allein von dem Streben beſeelt, in Fühlung
mit den neueſten Senſationen der internationalen Kunſt
zu bleiben. Der Kritiker hätte dabei auch darauf hin-
weiſen können, daß draußen, wo heute die ſchwanken-
den Werthe des internationalen Schaffens feſtgelegt
und emittirt werden, trotzdem die nationale Marke hoch
im Kurſe ſtehe, und daß in Frankreich, in England, in
Dänemark, in Norwegen ein patriotiſcher Stoff einen
Künſtler noch niemals entehrt habe, wenn er ihn nur
auch im künſtleriſchen Geiſte geſtaltete — daß es end-
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Julius Cäſar, Nonſtantin, Karl d. Gr. und Rudolf
von Habsburg, die dem Sieger von Fehrbellin als
leuchtende Sterne am Rimmel der Geſchichte vor Augen
ſchwebten. Und hoch über ihm und ſeinen leiblichen
bez. geiſtigen Vorfahren, die in Wandniſchen ſtanden,
thronte inmitten der Decke die „Göttliche Vorſehung“,
rings umgeben von den Perſonifikationen der Tugenden
und KRünſte. So fand bereits damals, im allerdings
geſchloſſenen Rahmen, ein ähnlicher Gedanke wie an
der Siegesallee einen ſehr bemerkenswerthen Ausdruck
in zykliſch gedachten Kunſtwerken. Doch der eigen-
artige und tiefere geiſtige Gehalt, der dem umfang-
reichen Ganzen der Thiergartenſchöpfung innewohnt,
verleiht der letzteren, über den begrenzten Sweck des
Fürſtlichen Ehrgeizes weit hinausgehend, das Gepräge
eines nationalen Kunſtwerkes.
Ein Kunſtwerk in der That von nicht gewöhnlicher
Art. Denn wenn auch manches Detail nicht auf der
vollen Höhe des plaſtiſchen Vermögens der Seit ſteht,
wenn auch hin und wieder ein manierirter Sug den
geiſtigen Eindruck einer Geſtalt, eines Kopfes etwas
abſchwächt, ſo zeichnet doch ein beträchtliches künſt-
leriſches Niveau das Ganze aus. Durchweg feſſelt
uns der Verſuch der Bildhauer, aus dem für jeden
Fürſten ermittelten Material ein harmoniſches, die be-
treffende Epoche wirkſam charakteriſirendes Geſammt-
bild der Gruppe zu geſtalten: ein Verſuch, der dank
der unermüdlichen Theilnahme des hohen Beſtellers in
mehreren Fällen überraſchend ſchön, ja formvollendet
geglückt iſt. So vollendet, daß man — unbekümmert
um manche abfällige zeitgenöſſiſche Kritik — getroſt
das Urtheil der Nachwelt abwarten darf, die es gewiß
dereinſt bewundern wird, daß lediglich aus den Kräften
einer einzigen heimiſchen Bildhauerſchule in verhältnis-
mäßig kurzer Seitſpanne eine ſo gewaltige künſtleriſche
Leiſtung erreicht wurde. Auch wird ſich die Nachwelt
wohl die Rechtfertigung der angefochtenen Monotonie
der Gruppen hinſichtlich der Anordnung gleich hoher
Standbilder in Niſchen von natürlichem Geſträuch, und
im Halbkreiſe von hermengeſchmückten Marmorbänken
umrahmt, angelegen ſein laſſen. Sie wird, in die Welt
hiſtoriſcher Kunſt ſich verſenkend, an die Gleichförmig-
keit geweihter Sphinxalleen, an den feierlichen Rhythmus
antiker Säulengänge erinnern und wird, darauf fußend,
die Idee des Kaiſers, der ſich den Königsplatz mit
ſeinen Denkmälern als einen von der Kuppel des
Nimmels umſpannten offenen Nationaltempel vorſtellte,
dahin interpretiren, daß der Monarch dieſem lebendigen
Dom als Atrium eine Feſtſtraße vorlegte, aus deren
Gleichförmigkeit der edle Rhythmus einer mit Wand-
niſchen und Statuen geſchmückten Halle herausklingen
ſollte. Möge es nicht lange mehr dauern, bis auch
für die oft getadelte Berliner Siegesallee „die Wahr-
heit heranrückt“!
Hoffentlich wird ſich dann auch noch manche
andere irrthümliche Auffaſſung geklärt haben. So iſt
die Schwächlichkeit der Runſtgeſinnung zu bekämpfen,
die den Werth des deutſchen Kunſtſchaffens, trotz aller
gegentheiligen Verſicherung, noch immer nach dem
Grad der Abhängigkeit von den heute gefeierten Aus-
landsgrößen beurtheilt. Man ſcheint in unſeren natura-
liſtiſchen Kreiſen noch immer der Meinung zu ſein, daß
ein moderner Maler nur ehrlich ſein könne, wenn er
holländiſche Näsbauern oder Pariſer Griſetten malt.
Unſere eigenen Volkstypen aber, ich meine freilich
nicht die manchmal beliebten häßlichen, ſondern die
edlen, flößen den Herren augenſcheinlich ſolche Abneigung
ein, daß ſie deren Aufnahme als mit ihrer geprieſenen
Ehrlichkeit unvereinbar ablehnen. Das ſind wahrhaft
bedenkliche Suſtände! Man hält zwar, wenn es gerade
ſo paßt, das Gegenſtändliche in der Kunſt für gleich-
gültig (ſiehe oben!) und erklärt dennoch den patriotiſchen
Stoff für unzuläſſig, als wenn nicht der Künſtler,
ſondern der Stoff das Werk qualifizire. Und dieſen
eigenthümlichen Standpunkt vertreten heute ſogar
wiſſenſchaftliche Leute, die man für berufen halten
könnte, wenn ſie durch ihre zur Schau getragene Ge-
ſinnung nicht das Gegentheil verriethen. Den Macht-
habern der Partei zu Liebe wollen ſie nicht daran
denken, daß z. B. der weltberühmte Parthenonfries de
Phidias, der die Wehrkraft, die Schönheit und den
Stolz des atheniſchen Volkes wunderbar bezeugt, vor
Allem an das patriotiſche Herz dieſes Volkes mächtig
gerüttelt hat, daß ein Velasquez in dem herrlichen
Bilde ſeiner Lanzenkrieger vor den Thoren des er-
oberten Breda der ſpaniſchen Tapferkeit und Groß-
muth im patriotiſchen Sinne ſeinen Pinſel lieh. ...
Soll allein dem deutſchen Maler die gleiche Freude
vergällt, das gleiche Recht genommen werden?
Daß dies zum Glück nicht gelang: wem anders
als unſerem Kaiſer gebührt das Verdienſt? Er wußte
dem Hiſtorienſchilderer, dem Kriegs- und dem Marine-
maler gar manche dankbare Aufgabe zu ſtellen, die im
hohen künſtleriſchen Geiſte zu löſen war. Dem freien
Künſtler blieb die Geſtaltung ausſchließlich überlaſſen.
Wurden die Erwartungen einmal nicht erfüllt, ſo lag
das wahrlich nicht an der Abſicht des Beſtellers, der
nur Bedeutendes und Erhebendes wünſchte; am
wenigſten bot es Urſache, den einzelnen Mißerfolg mit
einem vaterländiſchen Stoffe zu einem kritiſchen Angriff
auf die ganze Gattung auszumünzen. Der Tadel hätte
in ſolchem Falle weit eher jene fähigen Künſtler treffen
ſollen, die ihre Phantaſie den edlen Nandlungen,
CThaten und Geſtalten unſeres Volkes gefliſſentlich fern
halten, allein von dem Streben beſeelt, in Fühlung
mit den neueſten Senſationen der internationalen Kunſt
zu bleiben. Der Kritiker hätte dabei auch darauf hin-
weiſen können, daß draußen, wo heute die ſchwanken-
den Werthe des internationalen Schaffens feſtgelegt
und emittirt werden, trotzdem die nationale Marke hoch
im Kurſe ſtehe, und daß in Frankreich, in England, in
Dänemark, in Norwegen ein patriotiſcher Stoff einen
Künſtler noch niemals entehrt habe, wenn er ihn nur
auch im künſtleriſchen Geiſte geſtaltete — daß es end-