dageweſen ward Während die großen Meiſter der
Benaiſſance ſich thatſächlich gar nicht ſonderlich antik
geberdeten, vielmehr im Süden wie im Vorden nach
ihren beharrlichen Schilderungen frommer Legenden zu
urtheilen, mindeſtens ebenſo eifrig die mittelalterlichen
Traditionen pflegten. Hing nicht auch der geniale
nordiſche Realiſt Hubert van Eyck, der die Gelmalerei
erfand und die Natur, den Menſchen, wie die Land-
ſchaft, für die Nunſt wiederentdeckte, ſein Herz trotzdem
brünſtig an die myſtiſchen Wunder und Offenbarungen,
mit denen die Glaubenslehren des Mittelalters den
chriſtlichen Himmel phantaſievoll erfüllten? Wo und
wann exiſtirte eigentlich jene ſtrenge künſtleriſche Weſens-
einheit, die den großen ſchöpferiſchen und muſter-
würdigen Epochen gewöhnlich imputirt wird? Etwa
im alten, national und naturaliſtiſch geſinnten Rolland,
in Rembrandt's glücklichen Lebenstagen, wo gleichzeitig
Jakob van Kampen das Amſterdamer Rathhaus als
„achtes Weltwunder“ im klaſſiſchen Palladioſtil er-
richtete? Oder vielleicht im heutigen Paris, wo immer
das Neueſte en vogue iſt? Als wenn man nicht auch
wüßte, daß die echte „Pariſer Note“, die Offen
barungen der Grazie, der Eleganz und des raffinirten
Geſchmacks ſchon recht alten Datums und Rufes wären,
nicht genau wüßte, daß dort die berühmten hiſtoriſchen
Stilformen noch niemals ſo virtuos gehandhabt und ſo
leidenſchaftlich wie heute begehrt würden, nicht endlich
wüßte, daß die Bilder der Pariſer Impreſſioniſten ſo
lange in einem Winkel der Luxembourg-Gallerie ein
wenig beachtetes Daſein friſteten, bis man für ihren
Ruhm in Berlin die Reklametrommel mächtig rührte
und ihren Triumph in den Bäumen unſerer National-
gallerie vollendete? Geändert hat ſelbſt dieſe hohe
Genugthuung ſicherlich nichts in den künſtleriſchen Ver-
hältniſſen der eitlen, ſtolzen, in ihrem Kern froßdem
unverwüſtlich konſervativen Hauptſtadt Frankreichs.
So hat man bisher überall, wo man das jeweilige
Munſtſchaffen nicht unter das Joch der einſeitigen Prin-
zipien eines rückſichtsloſen Fortſchrittes beugte, ſondern
als geklärten Ausdruck der äſthetiſchen Forderungen
aller berechtigten Kreiſe pflegte, auch immer „alter
Tradition und Schule“ die gebührende Ehre und Folge
gegeben; wie wenn ein edler Inſtinkt die ſchwankende
Menſchheit von Fall zu Fall gewarnt hätte, die er-
erbten und gefährdeten künſtleriſchen und nationalen
Güter den oft wohlfeilen Reizen der Neuheit, den
wechſelnden Launen der Mode, dem Götzen eines über-
bildeten oder rohen Tagesgeſchmackes zu Spfern n
In dieſem ernſten Geiſte vollzog ſich die äſthetiſche
Schulung unſeres Kaiſers bereits im Nauſe ſeines kunſt-
ſinnigen hohen Elternpaares und ſodann an der Bonner
Univerſität. Aus den vielfältigen Anregungen, wie ſie
die Kunſtgeſchichte nicht blos dem grübelnden Verſtand
und den für ideale Schönheit empfänglichen Sinnen
giebt, ſondern auch dem warmen Gemüth des nationalen
Menſchen ermöglicht, hat der ſeitdem mit künſtleriſchen
Ideen unermüdlich beſchäftigte Herrſcher ſeine An-
Neis
ſchauungen geſchöpft, ſeine Ueberzeugung gefeſtigt, daß
„das Studium der Meiſter der Vergangenheit vor
Allem dazu befähigt, tiefer in die Probleme der Kunſt
einzuführen“, auch die zuverläſſigen Grundlagen zu
gelegentlicher unzweideutiger Kritik gewiſſer moderner
Erzeugniſſe, ſowie ſeine treue Geſinnung für den
deutſchen Meiſter, in deſſen Hand hehre Güter der
Nation gelegt ſind, gewinnen können.
Zum findenken an Anselm Feuerbach.
Feuerbach-Ausſtellung in München.
m 4. Januar waren fünfundzwanzig Jahre ver-
floſſen, ſeit Anſelm Feuerbach in Venedig ver-
laſſen und enttäuſcht ſeine große, einſame Seele
aushauchte. Dem Mann, der ſein Leben lang mit
Unverſtand und Intriguen zu kämpfen hatte, kam der
Tod nicht unerwünſcht. Eine innere Gewißheit war
ihm, daß er erſt geſtorben ſein müſſe, um recht zu
leben. „Glaube mir,“ ſchrieb er an ſeine Mutter
Henriette, „nach fünfzig Jahren werden meine Bilder
Zungen bekommen und ſagen, was ich war und was
ich wollte.“ — Erſt iſt die Hälfte dieſer Seit abgelaufen
und doch wiſſen wir heute ſchon, daß Feuerbach's
Name nur mit denen der Allergrößten zuſammen
genannt werden darf, ſeine Bilder reden heute zu allen
denen, deren Sinn nicht zu iſt für das Schöne, eine
laute, jauchzende Sprache, ſie predigen das Evangelium
helleniſcher Schönheit.
Und doch ſtehen wir vielleicht erſt im Anfang
unſeres Verſtändniſſes für Feuerbach. Vielleicht haben
wir ihn uns noch nicht ganz erarbeitet und verdient,
vielleicht wird die Kunſt dieſes Gottbegnadeten, der
ſeiner Seit ſo weit vorauseilte, überhaupt erſt der
Generation nach uns voll bewußt. Laſſen ſich doch
heute ſchon von radikaler Seite her Rufe hören wie
der: Berunter vom Throne mit Böcklin, Feuerbach ge-
hört an ſeine Stelle!
Deutſchland hat ſeinen eigentlich letzten Maler
großen Stils zu Lebzeiten abgelehnt. Man kann
ja wohl einigermaßen verſtehen. Die Kunſt Feuerbach's
war in ihrer ragenden, harten Monumentalität, in
ihrem „Neuſchaffen der Natur von innen heraus“, in
ihrem Weglaſſen alles Unweſentlichen etwas Frap-
pirendes, Verblüffendes, mit dem der große Schwarm
nichts anzufangen wußte. Stehen ja doch auch heute
noch, wo ſich der Kunſtverſtand weiterer Kreiſe zu-
ſehends geſchärft hat, gar viele vor den Werken des
Hans von Marses, der Feuerbach's große Traditionen
noch am eheſten fortſetzte, und vor den Werken
Hermann Prell's, der unter den Lebenden faſt als der
Sinzige eine großzügige Monumentalmalerei pflegt, —
und wiſſen nicht, wo aus und ein, wo Anfang und
Ende.
In dieſen Tagen hat es an lauten Feuerbach-
jubiläen und Feſtartikeln und Künſtlerfeſten nicht ge-
fehlt, es iſt doch wahrhaft eine bittere Ironie, den
Lebenden zu verhetzen, zu verſpotten, verhungern zu
laſſen und dem Todten mit feſtlichem Gepränge und
Weihrauch und Opfergaben zu nahen! Eine Aus-
ſtellung der ſämmtlichen Werke Anſelm Feuerbach
wird heute als ein „enormer kultureller Gewinn für
Benaiſſance ſich thatſächlich gar nicht ſonderlich antik
geberdeten, vielmehr im Süden wie im Vorden nach
ihren beharrlichen Schilderungen frommer Legenden zu
urtheilen, mindeſtens ebenſo eifrig die mittelalterlichen
Traditionen pflegten. Hing nicht auch der geniale
nordiſche Realiſt Hubert van Eyck, der die Gelmalerei
erfand und die Natur, den Menſchen, wie die Land-
ſchaft, für die Nunſt wiederentdeckte, ſein Herz trotzdem
brünſtig an die myſtiſchen Wunder und Offenbarungen,
mit denen die Glaubenslehren des Mittelalters den
chriſtlichen Himmel phantaſievoll erfüllten? Wo und
wann exiſtirte eigentlich jene ſtrenge künſtleriſche Weſens-
einheit, die den großen ſchöpferiſchen und muſter-
würdigen Epochen gewöhnlich imputirt wird? Etwa
im alten, national und naturaliſtiſch geſinnten Rolland,
in Rembrandt's glücklichen Lebenstagen, wo gleichzeitig
Jakob van Kampen das Amſterdamer Rathhaus als
„achtes Weltwunder“ im klaſſiſchen Palladioſtil er-
richtete? Oder vielleicht im heutigen Paris, wo immer
das Neueſte en vogue iſt? Als wenn man nicht auch
wüßte, daß die echte „Pariſer Note“, die Offen
barungen der Grazie, der Eleganz und des raffinirten
Geſchmacks ſchon recht alten Datums und Rufes wären,
nicht genau wüßte, daß dort die berühmten hiſtoriſchen
Stilformen noch niemals ſo virtuos gehandhabt und ſo
leidenſchaftlich wie heute begehrt würden, nicht endlich
wüßte, daß die Bilder der Pariſer Impreſſioniſten ſo
lange in einem Winkel der Luxembourg-Gallerie ein
wenig beachtetes Daſein friſteten, bis man für ihren
Ruhm in Berlin die Reklametrommel mächtig rührte
und ihren Triumph in den Bäumen unſerer National-
gallerie vollendete? Geändert hat ſelbſt dieſe hohe
Genugthuung ſicherlich nichts in den künſtleriſchen Ver-
hältniſſen der eitlen, ſtolzen, in ihrem Kern froßdem
unverwüſtlich konſervativen Hauptſtadt Frankreichs.
So hat man bisher überall, wo man das jeweilige
Munſtſchaffen nicht unter das Joch der einſeitigen Prin-
zipien eines rückſichtsloſen Fortſchrittes beugte, ſondern
als geklärten Ausdruck der äſthetiſchen Forderungen
aller berechtigten Kreiſe pflegte, auch immer „alter
Tradition und Schule“ die gebührende Ehre und Folge
gegeben; wie wenn ein edler Inſtinkt die ſchwankende
Menſchheit von Fall zu Fall gewarnt hätte, die er-
erbten und gefährdeten künſtleriſchen und nationalen
Güter den oft wohlfeilen Reizen der Neuheit, den
wechſelnden Launen der Mode, dem Götzen eines über-
bildeten oder rohen Tagesgeſchmackes zu Spfern n
In dieſem ernſten Geiſte vollzog ſich die äſthetiſche
Schulung unſeres Kaiſers bereits im Nauſe ſeines kunſt-
ſinnigen hohen Elternpaares und ſodann an der Bonner
Univerſität. Aus den vielfältigen Anregungen, wie ſie
die Kunſtgeſchichte nicht blos dem grübelnden Verſtand
und den für ideale Schönheit empfänglichen Sinnen
giebt, ſondern auch dem warmen Gemüth des nationalen
Menſchen ermöglicht, hat der ſeitdem mit künſtleriſchen
Ideen unermüdlich beſchäftigte Herrſcher ſeine An-
Neis
ſchauungen geſchöpft, ſeine Ueberzeugung gefeſtigt, daß
„das Studium der Meiſter der Vergangenheit vor
Allem dazu befähigt, tiefer in die Probleme der Kunſt
einzuführen“, auch die zuverläſſigen Grundlagen zu
gelegentlicher unzweideutiger Kritik gewiſſer moderner
Erzeugniſſe, ſowie ſeine treue Geſinnung für den
deutſchen Meiſter, in deſſen Hand hehre Güter der
Nation gelegt ſind, gewinnen können.
Zum findenken an Anselm Feuerbach.
Feuerbach-Ausſtellung in München.
m 4. Januar waren fünfundzwanzig Jahre ver-
floſſen, ſeit Anſelm Feuerbach in Venedig ver-
laſſen und enttäuſcht ſeine große, einſame Seele
aushauchte. Dem Mann, der ſein Leben lang mit
Unverſtand und Intriguen zu kämpfen hatte, kam der
Tod nicht unerwünſcht. Eine innere Gewißheit war
ihm, daß er erſt geſtorben ſein müſſe, um recht zu
leben. „Glaube mir,“ ſchrieb er an ſeine Mutter
Henriette, „nach fünfzig Jahren werden meine Bilder
Zungen bekommen und ſagen, was ich war und was
ich wollte.“ — Erſt iſt die Hälfte dieſer Seit abgelaufen
und doch wiſſen wir heute ſchon, daß Feuerbach's
Name nur mit denen der Allergrößten zuſammen
genannt werden darf, ſeine Bilder reden heute zu allen
denen, deren Sinn nicht zu iſt für das Schöne, eine
laute, jauchzende Sprache, ſie predigen das Evangelium
helleniſcher Schönheit.
Und doch ſtehen wir vielleicht erſt im Anfang
unſeres Verſtändniſſes für Feuerbach. Vielleicht haben
wir ihn uns noch nicht ganz erarbeitet und verdient,
vielleicht wird die Kunſt dieſes Gottbegnadeten, der
ſeiner Seit ſo weit vorauseilte, überhaupt erſt der
Generation nach uns voll bewußt. Laſſen ſich doch
heute ſchon von radikaler Seite her Rufe hören wie
der: Berunter vom Throne mit Böcklin, Feuerbach ge-
hört an ſeine Stelle!
Deutſchland hat ſeinen eigentlich letzten Maler
großen Stils zu Lebzeiten abgelehnt. Man kann
ja wohl einigermaßen verſtehen. Die Kunſt Feuerbach's
war in ihrer ragenden, harten Monumentalität, in
ihrem „Neuſchaffen der Natur von innen heraus“, in
ihrem Weglaſſen alles Unweſentlichen etwas Frap-
pirendes, Verblüffendes, mit dem der große Schwarm
nichts anzufangen wußte. Stehen ja doch auch heute
noch, wo ſich der Kunſtverſtand weiterer Kreiſe zu-
ſehends geſchärft hat, gar viele vor den Werken des
Hans von Marses, der Feuerbach's große Traditionen
noch am eheſten fortſetzte, und vor den Werken
Hermann Prell's, der unter den Lebenden faſt als der
Sinzige eine großzügige Monumentalmalerei pflegt, —
und wiſſen nicht, wo aus und ein, wo Anfang und
Ende.
In dieſen Tagen hat es an lauten Feuerbach-
jubiläen und Feſtartikeln und Künſtlerfeſten nicht ge-
fehlt, es iſt doch wahrhaft eine bittere Ironie, den
Lebenden zu verhetzen, zu verſpotten, verhungern zu
laſſen und dem Todten mit feſtlichem Gepränge und
Weihrauch und Opfergaben zu nahen! Eine Aus-
ſtellung der ſämmtlichen Werke Anſelm Feuerbach
wird heute als ein „enormer kultureller Gewinn für