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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 19 (1. Juli 1905)
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Brosch, L.: Venedig: VI. Internationale Kunstausstellung, [1]
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Neisser, Artur: Der Salon der "Société nationale", 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0338

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294


Nr. 40

läßt dieſes Mal in ſeinen Landſchaften den friſchen Zug
vermiſſen. Hier wollen wir unſere Ueberſicht ſchließen,
um in einem nächſten Artikel über den Antheil der
Italiener zu berichten.

Der Salon der „Société nationale“.
Ven Arthur Neißer, Parse

J0

e zufällig bevorzugen die franzöſiſchen Porträ-
3 C tiſten für die Bildniſſe der Damen und Herren
S aus der Ariſtokratie die Paſtelltechnik. Das
Modedamenhafte und zugleich Puppenköpfige der fran-
zöſiſchen Frauen- und namentlich Mädchentypen läßt
ſich gerade mit den bunten Paſtellſtiften am feinſten
charakteriſiren. Auch iſt dieſe Technik ſehr geeignet,
die durch die berühmten franzöſiſchen kosmetiſchen
Mittel geglätteten Phyſiognomien der „grandes dames“
auch ebenſo glatt wiederzugeben. Das Endergebniß
iſt für den Beſchauer kein ſehr angenehmes: dieſe
Paſtellſäle muthen gar zu ſalonmäßig an. Ja, a
geſichts dieſer überreichen Porträtſammlung glaubt
man, ſich vielfach übermalten Photographien gegenüber
zu befinden, ſo wenig individuell heben ſich die Werke
von einander ab. Ueber den Durchſchnitt ragen die
Porträts von Olga de Boznanska und Pierre
Carrier Belleux here? dei dem ain d
Galizierin Boznanska fällt der ruhig tiefe Geſammt-
ton auf, Carrier-Belleux ſtellt u. A. ein Porträt des be-
kannten Mediziners Dr. Doyen aus. Aus düſterem,
ſchwarzem Grunde hebt ſich die ausgezeichnet getroffene
Ganzgeſtalt des Arztes ab. Auch einige unſerer
deutſchen Landsleute und Schweizer bieten gerade als
Paſtelliſten Hervorragendes, etwa die fleißige C. Bres-
lau, von der ich das Perträt des Frl, de Barbi
wegen der ungezwungenen Anmuth der Bewegung
hervorheben möchte, oder Helene Büttner, die mit
ſehr gut gezeichneten Thierſtücken vertreten iſt. Ferner
iſt namentlich das Porträt des Leipziger Profeſſors
Oſtwald von A. Klamroth rühmend zu erwähnen.
Die mit einem Vögelchen ſpielenden Bauernkinder von
TClémence Molliet ſind keineswegs bloße Tracht-
ſtudien, ſondern überaus zwanglos gruppirt und in die
Landſchaft hineinkomponirt. Unter den Paſtell-Land-
ſchaftern iſt hier neben Duhem vor Allem Le Gout-
Gerard zu nennen, deſſen Spezialität Abendſtudien
in der Bretagne ſind.

Gerade für das Landſchaftliche iſt die kreidige
Paſtelltechnik überaus heikel. Eine „gewöhnliche“
Seichnung giebt da häufig mit einer kleinen Höhung
ein lebensvolleres Naturbild als das fleißigſt verriebene
Paſtell. Ganz prächtig ſchildert z. B. E. d Argence
das Walten eines Unwetters bei Nacht: ein einziger
flackernder, weiß gehöhter Streifen kündet hier von
nächtlichem Wetterſchrecken gar beredt. Einen eigenen
Reiz gewähren die Aquarell-Anſichten namentlich
ſüdlicher Gegenden, etwa die elf ſiziliſchen Skizzen von
Donatien Roy. Wenn auch ſein Pinſelſtrich etwas
dick iſt und ſich dadurch die Technik ein wenig auf-
drängt, ſo wirken doch die Bilder, etwa die famos ge-
ſehenen Schiffsrümpfe, nicht kleckſig.


währt die Wanderung durch die heimlich traulichen

Kojen der Kupferſtecher, Lithographen, Holzſchneider
und ihrer Genoſſen. Léon Bartholomsé (nicht zu
verwechſeln mit dem großen Bildhauer Albert
Bartholomé!) machte es ſich zur Aufgabe, die maleriſchen
Facçaden der alten Häuſer in Brügge, wie ſie Victor
Hilſoul in der gleichen Ausſtellung — gemalt — uns
zeigt (vergl. den vorigen Bericht in Nr. 17) in ver-
kleinertem Maßſtabe als farbigen Kupferſtich zu geben.
Dadurch bringt er eine faſt venezianiſche Buntheit in
die fahlen, vergilbten Farben der altersgrau ſtarrenden
Häuſerreihen, die keinen richtigen Eindruck von dem
alten Brügge gewährt. Klar und ſauber, aber durch
die allzu leer wirkenden weißen Flächen etwas glatt
ſind S. Béjot's Kupferſtiche, darunter fleißige Buch-
illuſtrationen. Charles Cottet verſucht es in ſeinen
HNafenanſichten mit zweierlei Ton, mit Blau und Gelb-
braun, beide ſollen Abendwirkungen charakteriſiren.
Stärker iſt der Effekt beim Gelbbraun, natürlicher,
romantiſcher beim bläulichen Grundton. Sehr ſüß,
ja leiſe gewiſſen Litteraturen ſich nähernd, ſind
Deciſp's geſtochene Illuſtrationen zu einem Buch
„Les princesses“ ausgefallen. Dagegen iſt Charles
Jonas ein Meiſter der Illuſtration und der Stich-
technik. Er lieferte Nupferſtiche zu Huysman's be-
kanntem Buche „Le Quartier Notre-Dame“. Unermüd-
lich ſtudierte er die feſſelnden Details der ehrwürdigen
Kathedrale. Ich möchte nur einen beſonders feinen
Stich hervorheben: es iſt Regenwetter, die alten
romaniſchen Waſſerſpeier ſind in vollſter Thätigkeit und
ergießen das Naß auf die Paſſanten, die, durcheinander-
wimmelnd, ſich vergeblich gegen den „Segen von oben“
wehren. Die ganze Szenerie iſt unnachahmlich fein!
Einer höchſt eigenartigen Technik, die wohl einzig in
ihrer Art iſt, bedient ſich Lefort des Ylouſes bei
ſeinen meiſt heiligen Sujets. Er giebt z. B. einen
Hl. Chriſtoph. Auf die Nonturen der Figur legt er ein

faſt wie Lederſtreifen anmuthendes Deckweiß oder
Schwarz. Er vertieft und variirt dadurch die maleriſche
Wirkung. Der Mpyftiker E ıala ſchuf fei fende

baren Waldſpuk-Anſichten offenbar mehr aus der Luſt
am Problem heraus. Er ſtellt etwa die „Anbetung
des Schattens“ als eine weibliche Geſtalt dar, die, als
Lichtquelle erſtrahlend, die anderen Figuren in ein wirk-
ſames Dunkel hüllt. Es iſt Rembrandt's Helldunkel
aus der Radirung auf den Stich übertragen, jedoch
hält ſich der Künſtler von ſklaviſcher Kopie des Vor-
bildes durchaus fern.

Die raffinirten modernen Techniken der kalten
Nadel haben neuerdings die Holzſchneider zu er-
höhten Anſtrengungen auf ihrem einſt allgemeinen
„Handwerk“ veranlaßt. Es giebt wohl kaum etwas
Schwierigeres, als mittelſt des Holzſchnittes gute
Porträtköpfe zu modelliren. Wie leicht biegt ſich eine
Kante des Holzes zu weit ein und ſchädigt dadurch die
Naturwahrheit der Flächenbelichtung! Erſchwert wird
die Arbeit noch bedeutend, wenn die Farbe dazutritt.
Um ſo größere Bewunderung verdient ein Künftler,
der aller dieſer Klippen ſiegreich Herr wird und ſich
ganz auf die Individualiſirung im Einzelnen be-
ſchränken kann. Jacques Beltrand iſt ein ſolcher
Meiſter. Er hatte eine Art von „Goldenem Buch der
Berühmtheiten“ zu illuſtriren. Da ſehen wir Homer,
Virgil, Sokrates, Michelangelo, Beethoven, Rabelais,
Shakeſpeare ꝛc. brüderlich aufgereiht. Was Porträt⸗—
treue anbetrifft, ſind die antiken Köpfe entſchieden beſſer
gelungen. Ueberall aber iſt die Beherrſchung der
ſchwierigen Technik gleichermaßen erſichtlich. In dieſer
Beziehung ſteht die Geſterreicherin Irma v. Dutjzcuska
hinter dem Franzoſen nicht zurück. Sie übertrifft ihn
 
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