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Nr. 25
München:
H. Internationale Kunstausstellung.
(Die Sezeſſion. — Die Scholle.)
7 n der Sezeſſion gibt es zwei Gruppen von Künſtlern.
Y Die einen, und das ſind weitaus die meiſten, gehen
Os auf monumentale Wirkungen aus, die anderen,
idylliſchere und genügſamere, meiſt auch abgeklärtere
Naturen, ſind mit ſchlichten Bildwirkungen zufrieden.
Gerade bei dieſer Sezeſſions-Ausſtellung wird es einem
recht klar, wie ſehr unſerer heutigen Malerei der Drang
ins Große innewohnt. Sie will nimmer Kunft um ihrer
ſelbſt willen ſein, irgend welche architektoniſchen Ideen
ſpuken in den Köpfen der Künſtler. Es werden Rieſen-
leinwanden bemalt, das Bild in drei, vier Theile ge-
gliedert, lineare und koloriſtiſche Effekte und plakat-
artige Buntheit ſollen die heiß erſehnte monumentale
Wirkung herbeiführen. ;
Auch auf die Landſchaft ſpielt ſich das hinüber.
ier iſt es beſonders Richard Pietzſch, der den Monu-
mentalſtil anſtrebt. Pietzſch erſcheint mir in Manchem
als das Münchner Gegenſtück des Berliners Leiſtikow.
Geht dieſer immer und immer wieder den Reizen der
Grunewaldlandſchaft nach, ſo ſteht Pietzſch in herzlichem
Entzücken vor den Schönheiten des Iſarthals. Kühn
geſchwungene Höhen, alte Bäume, finſtere Wälder,
zerklüftete Ufer, das abſurd ſich ſchlängelnde Flußbett —
zu allen Jahreszeiten ſcheint dies dem Künſtler ein dank-
barer Vorwurf. Monumental, ernſt faßt er die Land-
ſchaft auf, ein kühner und tüchtiger Geſtalter. Auch
der Weimarer Hagen hat in ſeinen techniſch ſehr
geſchickten Ausſchnitten aus dem Weimarer Park dieſen
Zug ins Monumentale, der auch Vinnen, dem Münchner
Richard Naiſer und in beſonderem Grade dem poetiſch
gefühlvollen Steppes eignet, dem ſelbſt eine ſeltſam
pointillirende Technik die ſchöne, markige Wirkung
nicht zerſchlagen kann.
Dagegen iſt der alte, feine Karl Haider eine ganz
in ſich geſchloſſene, intimen Bildreizen nachgehende
Natur. Er hat etwas Altmeiſterliches an ſich, oft muß
ich an Altdorfer denken, wenn ich vor ſeinen Bildern
ſtehe. Haider hat in ſeiner Art und Technik etwas
Kindliches, Naives. Da ſteht er vor einem Wald und
da läßt er nun ſein Auge von einem Baum zum andern
taſten, einen malt er ſo ſorgfältig wie den anderen.
Darüber legt er eine zweite, eine dritte Baumreihe —
es iſt eine Primitivität der Technik, wie man ſie ſich
naiver nicht denken kann. Die KNunſt des Hintergrundes
kennt Haider nicht. Und ſeine Bilder ſind keine Abſchrift
der Wirklichkeit, ſondern er giebt darin ſeine Vorſtellung
von der Landſchaft. Fragt man ſich nun, warum gleich-
wohl Haider's Bilder ſo ſtark wirken, ſo wird man ein-
ſehen müſſen, daß das herzliche, das altmeiſterliche
Verhältniß, das zwiſchen den Bildern und der Perſön-
lichkeit Haider's beſteht, und das ſich in jedem einzelnen
Stück ſeiner Hand dokumentiert, dieſe ſchöne Wirkung
hervorruft. Heute malen unſere jungen Leute raſch und
ohne inneren Antheil ihre Bilder herunter und geben ſie
weg, Haider aber ſteht noch mit der Sorgfalt eines
Meiſters der Alt⸗Nürnberger oder Alt-Regensburger
Seele in ſeine Werke. Wie Haider ſind auch T. Stadler,
Keller⸗Reutlingen und ſelbſt Wilhelm Trübner (in ſeinen
Hemsbacher Parkbildern) auf intime Landſchafts⸗Wir-
kungen aus. Von Franz Stuck weiß man, daß er die
dekorativen Wirkungen über Alles ſetzt. Dieſen Künſtler
müßte man einmal vor die Aufgabe ſtellen, die ſo vielen
Quattrozentiſten gegeben war: man müßte ihn vor
eine Rieſenwand ſtellen, wo ſich ſein heißes Temperament
auf dem naſſen Kalk austoben könnte. Stuck füllt faſt
immer aus dem Rahmen des Gemäldes: auch hier,
in ſeinem Greſtes-Bild iſt er zu dramatiſch und bewegt,
das geht weit hinaus über ein Ausſtellungsbild, da-
ſchreit nach einer Freskobehandlung. Auch der unſicher
ſchwankende Julius Exter wirkt in ſeinem hier gezeigten
großen, phantaſtiſchen Gemälde nach Gottfried Keller’s
Tanzlegendchen in erſter Linie dekorativ, er wird darin
aber noch überholt von Angelo Jank, deſſen Streben
nach Monumentalität und dekorativer Wirkung durch
das große und kühne Jagdbild „Halali“ deutlich doku-
mentiert wird. Bier iſt es die heiße Farbe, die den
Zug ins Monumentale andeutet. Alles iſt in eine rothe
Gluthitze getaucht, Menſchen, Pferde, Hunde und Land-
ſtrahlt, an einem Thermometer meſſen, ſo müßte man
nahe zum Siedepunkt kommen. Es iſt etwas Plakat-
artiges an dem Bild, aber nicht im böſen und ſchlechten
Sinn. Vielmehr in jenem, der am Plakat die Konzen-
tration, das Weglaſſen alles Unweſentlichen, das kräftige
Erhöhen aller Wirkungen durch eine, die ſonſt geſteckten
Grenzen häufig überſchreitende Verwendung kräftiger
Farben lobt und nothwendig findet. Aehnliches ließe ſich
von CLandenberger's Bild mit den badenden Knaben
ſagen, auch hier wird die Größe und Wirkung durch
farbige Reize erzielt: es iſt der feine orangefarbene Ton
in den Körpern der Badenden, die vor das ſatte Blau
des Meeres und des Himmels geſtellt ſind. Ich zähle
nun kurz jene auf, die nach gleichen, allerdings individuell
abgeſtuften und abgetönten Prinzipien zur Monumen-
talität ſtreben: das iſt Hierl⸗Deronco, der exotiſche und
exzentriſche Phantaſt, Hayek, Habermann in ſeinen Porträts,
Knirr, Hölzel, Weisgerber, Levier, Klein, Engels-Düſſel-
dorf. Und dieſen ſetze ich jene entgegen, die mit kleineren
und intimeren Wirkungen zufrieden ſind: ich meine
Sumbuſch, Hengeler, Winternitz, Damberger, Virchner,
Grätz, Uhde, ſelbſt Liebermann, Kalckreuth und Nuehl.
Nicht zu vergeſſen Paul Höcker, der in ſeinem gemüth-
lichen alten Herrn in der gemüthlich⸗friedfertigen, alt-
väteriſchen Stube eines der anſprechendſten Bilder der
Ausſtellung ſchuf.
In dieſer Liſte der Sezeſſionskünſtler fehlt mancher,
der auf der Ausſtellung vertreten iſt, die Thiermaler und
eine Anzahl von Porträtiſten habe ich nicht genannt.
Alle dieſe Künſtler, die Hügel, Heyden, Schramm-Sittau,
Tooby, Junghanns, die Samberger, Wiſzl und wie ſie
alle heißen, wandern auf ihren bekannten, oft und aus-
führlich geſchilderten Pfaden. Es kam hier nur darauf
an, jene zwei Strömungen zu beleuchten, die durch die
Sezeſſion gehen: die überwiegende Sehnſucht nach
Monumentalität und das ſtille, altmeiſterliche Ausklingen
idylliſcher Naturen auf dem Staffeleibild.
215. *
*
Die Geſchichte und die Art der jungen Künftler-
vereinigung „Scholle“ iſt in der „Kunſt-Halle“ ſchon
öfters und eingehend behandelt und dargeſtellt worden.
So kann ich mich darauf beſchränken, allein die heurigen
Gaben dieſer muthigen, talentirten Künſtlerſchaar kurz
zu überſchauen. } ; ;
Die Arbeiten der Scholle, etwa dreißig Gemälde
und Studien, füllen zwei Säle, die auf ein mildes Gelb
und ſtumpfes Grau geſtimmt ſind. Leider fehlen dies-
mal zwei tüchtige und erprobte Künſtler des kleinen
Kreiſes: der lyriſch-empfindſame Reinhold Max Eichler
und der derb-robuſte Max Feldbauer, zwei andere,
Voigt und Höfer, ſind nur ſchwach und mit gleich-
gültigen Arbeiten vertreten. Dagegen ragen die
Nr. 25
München:
H. Internationale Kunstausstellung.
(Die Sezeſſion. — Die Scholle.)
7 n der Sezeſſion gibt es zwei Gruppen von Künſtlern.
Y Die einen, und das ſind weitaus die meiſten, gehen
Os auf monumentale Wirkungen aus, die anderen,
idylliſchere und genügſamere, meiſt auch abgeklärtere
Naturen, ſind mit ſchlichten Bildwirkungen zufrieden.
Gerade bei dieſer Sezeſſions-Ausſtellung wird es einem
recht klar, wie ſehr unſerer heutigen Malerei der Drang
ins Große innewohnt. Sie will nimmer Kunft um ihrer
ſelbſt willen ſein, irgend welche architektoniſchen Ideen
ſpuken in den Köpfen der Künſtler. Es werden Rieſen-
leinwanden bemalt, das Bild in drei, vier Theile ge-
gliedert, lineare und koloriſtiſche Effekte und plakat-
artige Buntheit ſollen die heiß erſehnte monumentale
Wirkung herbeiführen. ;
Auch auf die Landſchaft ſpielt ſich das hinüber.
ier iſt es beſonders Richard Pietzſch, der den Monu-
mentalſtil anſtrebt. Pietzſch erſcheint mir in Manchem
als das Münchner Gegenſtück des Berliners Leiſtikow.
Geht dieſer immer und immer wieder den Reizen der
Grunewaldlandſchaft nach, ſo ſteht Pietzſch in herzlichem
Entzücken vor den Schönheiten des Iſarthals. Kühn
geſchwungene Höhen, alte Bäume, finſtere Wälder,
zerklüftete Ufer, das abſurd ſich ſchlängelnde Flußbett —
zu allen Jahreszeiten ſcheint dies dem Künſtler ein dank-
barer Vorwurf. Monumental, ernſt faßt er die Land-
ſchaft auf, ein kühner und tüchtiger Geſtalter. Auch
der Weimarer Hagen hat in ſeinen techniſch ſehr
geſchickten Ausſchnitten aus dem Weimarer Park dieſen
Zug ins Monumentale, der auch Vinnen, dem Münchner
Richard Naiſer und in beſonderem Grade dem poetiſch
gefühlvollen Steppes eignet, dem ſelbſt eine ſeltſam
pointillirende Technik die ſchöne, markige Wirkung
nicht zerſchlagen kann.
Dagegen iſt der alte, feine Karl Haider eine ganz
in ſich geſchloſſene, intimen Bildreizen nachgehende
Natur. Er hat etwas Altmeiſterliches an ſich, oft muß
ich an Altdorfer denken, wenn ich vor ſeinen Bildern
ſtehe. Haider hat in ſeiner Art und Technik etwas
Kindliches, Naives. Da ſteht er vor einem Wald und
da läßt er nun ſein Auge von einem Baum zum andern
taſten, einen malt er ſo ſorgfältig wie den anderen.
Darüber legt er eine zweite, eine dritte Baumreihe —
es iſt eine Primitivität der Technik, wie man ſie ſich
naiver nicht denken kann. Die KNunſt des Hintergrundes
kennt Haider nicht. Und ſeine Bilder ſind keine Abſchrift
der Wirklichkeit, ſondern er giebt darin ſeine Vorſtellung
von der Landſchaft. Fragt man ſich nun, warum gleich-
wohl Haider's Bilder ſo ſtark wirken, ſo wird man ein-
ſehen müſſen, daß das herzliche, das altmeiſterliche
Verhältniß, das zwiſchen den Bildern und der Perſön-
lichkeit Haider's beſteht, und das ſich in jedem einzelnen
Stück ſeiner Hand dokumentiert, dieſe ſchöne Wirkung
hervorruft. Heute malen unſere jungen Leute raſch und
ohne inneren Antheil ihre Bilder herunter und geben ſie
weg, Haider aber ſteht noch mit der Sorgfalt eines
Meiſters der Alt⸗Nürnberger oder Alt-Regensburger
Seele in ſeine Werke. Wie Haider ſind auch T. Stadler,
Keller⸗Reutlingen und ſelbſt Wilhelm Trübner (in ſeinen
Hemsbacher Parkbildern) auf intime Landſchafts⸗Wir-
kungen aus. Von Franz Stuck weiß man, daß er die
dekorativen Wirkungen über Alles ſetzt. Dieſen Künſtler
müßte man einmal vor die Aufgabe ſtellen, die ſo vielen
Quattrozentiſten gegeben war: man müßte ihn vor
eine Rieſenwand ſtellen, wo ſich ſein heißes Temperament
auf dem naſſen Kalk austoben könnte. Stuck füllt faſt
immer aus dem Rahmen des Gemäldes: auch hier,
in ſeinem Greſtes-Bild iſt er zu dramatiſch und bewegt,
das geht weit hinaus über ein Ausſtellungsbild, da-
ſchreit nach einer Freskobehandlung. Auch der unſicher
ſchwankende Julius Exter wirkt in ſeinem hier gezeigten
großen, phantaſtiſchen Gemälde nach Gottfried Keller’s
Tanzlegendchen in erſter Linie dekorativ, er wird darin
aber noch überholt von Angelo Jank, deſſen Streben
nach Monumentalität und dekorativer Wirkung durch
das große und kühne Jagdbild „Halali“ deutlich doku-
mentiert wird. Bier iſt es die heiße Farbe, die den
Zug ins Monumentale andeutet. Alles iſt in eine rothe
Gluthitze getaucht, Menſchen, Pferde, Hunde und Land-
ſtrahlt, an einem Thermometer meſſen, ſo müßte man
nahe zum Siedepunkt kommen. Es iſt etwas Plakat-
artiges an dem Bild, aber nicht im böſen und ſchlechten
Sinn. Vielmehr in jenem, der am Plakat die Konzen-
tration, das Weglaſſen alles Unweſentlichen, das kräftige
Erhöhen aller Wirkungen durch eine, die ſonſt geſteckten
Grenzen häufig überſchreitende Verwendung kräftiger
Farben lobt und nothwendig findet. Aehnliches ließe ſich
von CLandenberger's Bild mit den badenden Knaben
ſagen, auch hier wird die Größe und Wirkung durch
farbige Reize erzielt: es iſt der feine orangefarbene Ton
in den Körpern der Badenden, die vor das ſatte Blau
des Meeres und des Himmels geſtellt ſind. Ich zähle
nun kurz jene auf, die nach gleichen, allerdings individuell
abgeſtuften und abgetönten Prinzipien zur Monumen-
talität ſtreben: das iſt Hierl⸗Deronco, der exotiſche und
exzentriſche Phantaſt, Hayek, Habermann in ſeinen Porträts,
Knirr, Hölzel, Weisgerber, Levier, Klein, Engels-Düſſel-
dorf. Und dieſen ſetze ich jene entgegen, die mit kleineren
und intimeren Wirkungen zufrieden ſind: ich meine
Sumbuſch, Hengeler, Winternitz, Damberger, Virchner,
Grätz, Uhde, ſelbſt Liebermann, Kalckreuth und Nuehl.
Nicht zu vergeſſen Paul Höcker, der in ſeinem gemüth-
lichen alten Herrn in der gemüthlich⸗friedfertigen, alt-
väteriſchen Stube eines der anſprechendſten Bilder der
Ausſtellung ſchuf.
In dieſer Liſte der Sezeſſionskünſtler fehlt mancher,
der auf der Ausſtellung vertreten iſt, die Thiermaler und
eine Anzahl von Porträtiſten habe ich nicht genannt.
Alle dieſe Künſtler, die Hügel, Heyden, Schramm-Sittau,
Tooby, Junghanns, die Samberger, Wiſzl und wie ſie
alle heißen, wandern auf ihren bekannten, oft und aus-
führlich geſchilderten Pfaden. Es kam hier nur darauf
an, jene zwei Strömungen zu beleuchten, die durch die
Sezeſſion gehen: die überwiegende Sehnſucht nach
Monumentalität und das ſtille, altmeiſterliche Ausklingen
idylliſcher Naturen auf dem Staffeleibild.
215. *
*
Die Geſchichte und die Art der jungen Künftler-
vereinigung „Scholle“ iſt in der „Kunſt-Halle“ ſchon
öfters und eingehend behandelt und dargeſtellt worden.
So kann ich mich darauf beſchränken, allein die heurigen
Gaben dieſer muthigen, talentirten Künſtlerſchaar kurz
zu überſchauen. } ; ;
Die Arbeiten der Scholle, etwa dreißig Gemälde
und Studien, füllen zwei Säle, die auf ein mildes Gelb
und ſtumpfes Grau geſtimmt ſind. Leider fehlen dies-
mal zwei tüchtige und erprobte Künſtler des kleinen
Kreiſes: der lyriſch-empfindſame Reinhold Max Eichler
und der derb-robuſte Max Feldbauer, zwei andere,
Voigt und Höfer, ſind nur ſchwach und mit gleich-
gültigen Arbeiten vertreten. Dagegen ragen die