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ſind Karl Sderer's „Waldſtudie“ u. A. und Richard
Jakopic's „Winter“. Auch Ludwig Sigmund's „Weide“
iſt von beſten Qualitäten. Ein vortreffliches Winter-
bild „Der Schnee“ von Ludwig Misky möchte ich
ſpeziell erwähnen. Carl Moll hat ſich zu klarer und
einfacher Wirkung durchgerungen, und auch F. v. Myr-
bach's „Pfefferbaumallee in Kalifornien“ hat vortreff-
liche Qualitäten. Maximilian Lenz hat eine Reihe
Aquarellſkizzen für ein Ballet „Die Wunſchruthe“ aus-
geſtellt, in denen Phantaſie, Kompoſitionsreichthum und
ein entzückender Farbenſinn, der in den prächtigſten
Holoriten ſchwelgt, ſich ausſprechen. Es wäre eine
dankbare, künſtleriſche Aufgabe, den Rünſtlergedanken
der auch ſtofflich reizvollen Kompoſition auf der Bühne
aufleben zu laſſen. Wir könnten damit das arg nieder-
gegangene Ballet endlich in jene Bahnen äſthetiſcher
Wirkungen lenken, die es uns als Kunft und Kunft-
genießen für das Auge wieder aufleben machen würden.
Aber leider bleiben die ſchönſten Künſtlerträume in den
meiſten Fällen eben — Träume!
Leo Putz „Sommer-Luſt und Freude“ wandelt
wohl zu deutlich in Manet'ſchen Bahnen, während
Joſef Engelhart's Bänkelſänger den Künſtler wieder
von ſeiner prächtigſten Seite — im kecken zielſicheren
Hugreifen ſeiner in ihrer Art ganz einzigen Wiener
Typen — zeigt. Von außerordentlicher Feinheit der
Durchbildung iſt Theodor Axentowicz' „Ruthenin“,
die zu den Perlen der Ausſtellung zählt. Stöhr's
„Mondnacht“ leidet an der Technik und einigen outrirten
KHoloriten, Mehoffer's „Europa jubilans“ an der
etwas unklaren bizarren Idee, während Jäger's „Die
Raſt“ von angenehmer Schlichtheit der Grund-
ſtimmung iſt.
Maximilian CLiebenwein hat einen Dornröschen-
zyklus ausgeſtellt, der wohl vortrefflich in der Seichnung,
und von angenehmen Wirkungen der Farben iſt, aber
etwas an Naivetät und Humor vermiſſen läßt. Es iſt
mehr Geiſt als erzählerfreudige Phantaſie darin, und
das will dem guten deutſchen Märchenſtoff nicht recht
bekommen. Was die nicht ſehr zahlreichen Porträts
der Ausſtellung betrifft, will mir nicht ſo recht gefallen.
Wilhelm Liſt's Bild in Weiß-Schwarz ging von einer
koloriſtiſchen Idee aus, die nicht völlig durchgreifend
wirkt. Dagegen möchte ich eine Reihe japaniſcher
Originallithographien und Radirungen der mit ent-
zückender Feinheit nachbildenden Hand Smil OGrlik's
beſonders erwähnen. Sie gehören zu dem Meiſterlichſten,
das die diesmalige Ausſtellung der Sezeſſion beſitzt.
Auch Leopold Holle a's Monotypien und Seichnungen
in Marmorirtechnik, ſowie Rudolf Jettmar's zwölf
Kadirungen: „Die Stunden der Nacht“ verdienen
lobende Erwähnung.
Die Plaſtik iſt, nachdem ihr die Sezeſſion eben
erſt eine Sonderausſtellung eingeräumt, verhältniß-
mäßig ſpärlich vertreten. Ivan Meſtrovis variirt
in ſeinem „Timor Dei“ die Rodin'ſche Idee von
der Hand des Schickſals: In dieſem Falle iſt es
der ungeheure Fuß der Gottheit, der die Menſchenleiber
im Schreiten zertritt. Es iſt viel Prächtiges in Einzel-
heiten enthalten, aber der Vorwurf iſt nicht ohne ge-
wiſſe äſthetiſche Vergewaltigung reſilos zu löſen. Recht
intereſſant und mit kräftiger Phantaſtik iſt Joſef
Müllner's „Minotaurus“ durchgeführt. Ganz meiſter-
lich iſt Richard Lukſch's „Kopf des Wanderers. Franz
Metzner, einer der ſtärkſten und eigenartigſten Könner
unſerer jüngeren Bildhauergeneration, iſt leider auf
dem Wege, die Kargheit ſeiner Formenſprache, die die
einfache große Flächenwirkung oft mit meiſterlicher
Kraft und Eindringlichkeit in den Vordergrund rückt,
zur Manier erſtarren zu laſſen, und an die Grenze des
Komiſchen zu gerathen. Voch fühlt man die Stärke
ſchlägt um. Der hochbegabte Künftler möge daher
eindringlich gewarnt werden, zum eigenen Parodiſten
zu werden. Es ſcheint mir leider, als ob er auf dem
Wege dazu wäre.
Sum Schluß möchte ich noch der architektoniſchen
Entwürfe Otto Wagner's Erwähnung thun, von
welchen beſonders ein Kirchenmodell auffällt. So reiz-
voll auch Vieles in der Wirkung iſt, wollen die geraden
Linien, und die von Wagner ſo energiſch erfochtene
Verwendung der Eiſenkonſtruktion hier doch mit der
Würde des Bauobjektes nicht recht in Einklang treten.
Es bleibt etwas Vüchternes zurück, das den großen
Zug trotz der zahlreichen dekorativen Elemente, die
keinen vollen Geſammteindruck zu erzielen vermögen,
vermiſſen läßt! ;
Paul Wilhelm.
Münchner Xunstschau.
Du den ergreifendſten und ſtärkſten Leiſtungen
I Segantini's gehört das gewaltige Triptychon
der Alpenwelt, das neben vierzehn anderen,
ſchwächeren Arbeiten des welſchtiroler Meiſters zur Seit
in Heinemanns Gallerie ausgeſtellt iſt. Es war Se-
gantini's letztes Werk, zwei der Bilder, die über das
fonft bei dem Künſtler übliche Format weit hinaus-
gehen, hätten vielleicht ſogar der letzten Hand noch
bedurft. Aber ſelbſt dieſes Unabgeſchloſſene, das
allerdings nur dem genauer Suſchauenden auffallen wird,
kann den Arbeiten nichts von ihrem Werthe nehmen.
Die in Berlin bereits bekannten Bilder tragen die
Titel: „Werden — Sein — Vergehen“ oder „Natur —
Leben — Tod“. Man kann daraus ſchon erſehen, daß
Segantini hier an höchſte und tiefſte Probleme rührte,
daß er Welträthſel löſen wollte. Er that dies aber nicht
in der grotesken und ſymboliſchen Form unſerer „Ideen-
maler“ und „Nünſtlerphiloſophen“, ſondern auf der
durchaus realen Grundlage der Schilderung ſeiner
Alpenwelt und ihrer Menſchen und Chiere, wie ſie ſich
im Vorfrühling, im Hochſommer nud im Winter zeigen.
Der Stimmungsgehalt, den der Meiſter bei aller
Schlichtheit der dargeſtellten Situationen über ſeine
Bilder auszugießen verſtand, iſt ein bezwingender,
namentlich aber rührt das gewaltige innere Leuchten,
das von den Gemälden ausgeht und das eiuem In-
einander - fließen ſeeliſch-gedanklicher und techniſcher Qua-
litäten ſeinen Urſprung verdankt.
Die übrigen Darbietungen des Salons folgen bei
vieler Tüchtigkeit im Einzelnen dem gewaltigen Werk
Segantinis nur in weiter Ferne.
Für ESrnſt Gerhard iſt es ein wahres Unglück,
daß man ſeine Bilder, Akte, Porträts, Figuren und
Landſchaften, im Vorſaal zur Segantini-Ausſtellung
unterbrachte: da müſſen ſie überſehen werden. Und
vielleicht verdiente es der Künſtler trotz aller Ser-
fahrenheit und Unfertigkeit, die aus ſeinem Werk ſpricht,
daß man ihm einige Aufmerkſamkeit ſchenkte. In
dieſen Landſchaften, mögen ſie koloriſtiſch noch ſo dürftig
ſein, iſt oft ein Sug, eine Partie, eine Linie, ein Ton,
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ſind Karl Sderer's „Waldſtudie“ u. A. und Richard
Jakopic's „Winter“. Auch Ludwig Sigmund's „Weide“
iſt von beſten Qualitäten. Ein vortreffliches Winter-
bild „Der Schnee“ von Ludwig Misky möchte ich
ſpeziell erwähnen. Carl Moll hat ſich zu klarer und
einfacher Wirkung durchgerungen, und auch F. v. Myr-
bach's „Pfefferbaumallee in Kalifornien“ hat vortreff-
liche Qualitäten. Maximilian Lenz hat eine Reihe
Aquarellſkizzen für ein Ballet „Die Wunſchruthe“ aus-
geſtellt, in denen Phantaſie, Kompoſitionsreichthum und
ein entzückender Farbenſinn, der in den prächtigſten
Holoriten ſchwelgt, ſich ausſprechen. Es wäre eine
dankbare, künſtleriſche Aufgabe, den Rünſtlergedanken
der auch ſtofflich reizvollen Kompoſition auf der Bühne
aufleben zu laſſen. Wir könnten damit das arg nieder-
gegangene Ballet endlich in jene Bahnen äſthetiſcher
Wirkungen lenken, die es uns als Kunft und Kunft-
genießen für das Auge wieder aufleben machen würden.
Aber leider bleiben die ſchönſten Künſtlerträume in den
meiſten Fällen eben — Träume!
Leo Putz „Sommer-Luſt und Freude“ wandelt
wohl zu deutlich in Manet'ſchen Bahnen, während
Joſef Engelhart's Bänkelſänger den Künſtler wieder
von ſeiner prächtigſten Seite — im kecken zielſicheren
Hugreifen ſeiner in ihrer Art ganz einzigen Wiener
Typen — zeigt. Von außerordentlicher Feinheit der
Durchbildung iſt Theodor Axentowicz' „Ruthenin“,
die zu den Perlen der Ausſtellung zählt. Stöhr's
„Mondnacht“ leidet an der Technik und einigen outrirten
KHoloriten, Mehoffer's „Europa jubilans“ an der
etwas unklaren bizarren Idee, während Jäger's „Die
Raſt“ von angenehmer Schlichtheit der Grund-
ſtimmung iſt.
Maximilian CLiebenwein hat einen Dornröschen-
zyklus ausgeſtellt, der wohl vortrefflich in der Seichnung,
und von angenehmen Wirkungen der Farben iſt, aber
etwas an Naivetät und Humor vermiſſen läßt. Es iſt
mehr Geiſt als erzählerfreudige Phantaſie darin, und
das will dem guten deutſchen Märchenſtoff nicht recht
bekommen. Was die nicht ſehr zahlreichen Porträts
der Ausſtellung betrifft, will mir nicht ſo recht gefallen.
Wilhelm Liſt's Bild in Weiß-Schwarz ging von einer
koloriſtiſchen Idee aus, die nicht völlig durchgreifend
wirkt. Dagegen möchte ich eine Reihe japaniſcher
Originallithographien und Radirungen der mit ent-
zückender Feinheit nachbildenden Hand Smil OGrlik's
beſonders erwähnen. Sie gehören zu dem Meiſterlichſten,
das die diesmalige Ausſtellung der Sezeſſion beſitzt.
Auch Leopold Holle a's Monotypien und Seichnungen
in Marmorirtechnik, ſowie Rudolf Jettmar's zwölf
Kadirungen: „Die Stunden der Nacht“ verdienen
lobende Erwähnung.
Die Plaſtik iſt, nachdem ihr die Sezeſſion eben
erſt eine Sonderausſtellung eingeräumt, verhältniß-
mäßig ſpärlich vertreten. Ivan Meſtrovis variirt
in ſeinem „Timor Dei“ die Rodin'ſche Idee von
der Hand des Schickſals: In dieſem Falle iſt es
der ungeheure Fuß der Gottheit, der die Menſchenleiber
im Schreiten zertritt. Es iſt viel Prächtiges in Einzel-
heiten enthalten, aber der Vorwurf iſt nicht ohne ge-
wiſſe äſthetiſche Vergewaltigung reſilos zu löſen. Recht
intereſſant und mit kräftiger Phantaſtik iſt Joſef
Müllner's „Minotaurus“ durchgeführt. Ganz meiſter-
lich iſt Richard Lukſch's „Kopf des Wanderers. Franz
Metzner, einer der ſtärkſten und eigenartigſten Könner
unſerer jüngeren Bildhauergeneration, iſt leider auf
dem Wege, die Kargheit ſeiner Formenſprache, die die
einfache große Flächenwirkung oft mit meiſterlicher
Kraft und Eindringlichkeit in den Vordergrund rückt,
zur Manier erſtarren zu laſſen, und an die Grenze des
Komiſchen zu gerathen. Voch fühlt man die Stärke
ſchlägt um. Der hochbegabte Künftler möge daher
eindringlich gewarnt werden, zum eigenen Parodiſten
zu werden. Es ſcheint mir leider, als ob er auf dem
Wege dazu wäre.
Sum Schluß möchte ich noch der architektoniſchen
Entwürfe Otto Wagner's Erwähnung thun, von
welchen beſonders ein Kirchenmodell auffällt. So reiz-
voll auch Vieles in der Wirkung iſt, wollen die geraden
Linien, und die von Wagner ſo energiſch erfochtene
Verwendung der Eiſenkonſtruktion hier doch mit der
Würde des Bauobjektes nicht recht in Einklang treten.
Es bleibt etwas Vüchternes zurück, das den großen
Zug trotz der zahlreichen dekorativen Elemente, die
keinen vollen Geſammteindruck zu erzielen vermögen,
vermiſſen läßt! ;
Paul Wilhelm.
Münchner Xunstschau.
Du den ergreifendſten und ſtärkſten Leiſtungen
I Segantini's gehört das gewaltige Triptychon
der Alpenwelt, das neben vierzehn anderen,
ſchwächeren Arbeiten des welſchtiroler Meiſters zur Seit
in Heinemanns Gallerie ausgeſtellt iſt. Es war Se-
gantini's letztes Werk, zwei der Bilder, die über das
fonft bei dem Künſtler übliche Format weit hinaus-
gehen, hätten vielleicht ſogar der letzten Hand noch
bedurft. Aber ſelbſt dieſes Unabgeſchloſſene, das
allerdings nur dem genauer Suſchauenden auffallen wird,
kann den Arbeiten nichts von ihrem Werthe nehmen.
Die in Berlin bereits bekannten Bilder tragen die
Titel: „Werden — Sein — Vergehen“ oder „Natur —
Leben — Tod“. Man kann daraus ſchon erſehen, daß
Segantini hier an höchſte und tiefſte Probleme rührte,
daß er Welträthſel löſen wollte. Er that dies aber nicht
in der grotesken und ſymboliſchen Form unſerer „Ideen-
maler“ und „Nünſtlerphiloſophen“, ſondern auf der
durchaus realen Grundlage der Schilderung ſeiner
Alpenwelt und ihrer Menſchen und Chiere, wie ſie ſich
im Vorfrühling, im Hochſommer nud im Winter zeigen.
Der Stimmungsgehalt, den der Meiſter bei aller
Schlichtheit der dargeſtellten Situationen über ſeine
Bilder auszugießen verſtand, iſt ein bezwingender,
namentlich aber rührt das gewaltige innere Leuchten,
das von den Gemälden ausgeht und das eiuem In-
einander - fließen ſeeliſch-gedanklicher und techniſcher Qua-
litäten ſeinen Urſprung verdankt.
Die übrigen Darbietungen des Salons folgen bei
vieler Tüchtigkeit im Einzelnen dem gewaltigen Werk
Segantinis nur in weiter Ferne.
Für ESrnſt Gerhard iſt es ein wahres Unglück,
daß man ſeine Bilder, Akte, Porträts, Figuren und
Landſchaften, im Vorſaal zur Segantini-Ausſtellung
unterbrachte: da müſſen ſie überſehen werden. Und
vielleicht verdiente es der Künſtler trotz aller Ser-
fahrenheit und Unfertigkeit, die aus ſeinem Werk ſpricht,
daß man ihm einige Aufmerkſamkeit ſchenkte. In
dieſen Landſchaften, mögen ſie koloriſtiſch noch ſo dürftig
ſein, iſt oft ein Sug, eine Partie, eine Linie, ein Ton,