oder Trecentokunſt. Einige Ganz-Große, die ihre „per-
ſönliche Note“ liebevoll pflegen, ſtehen für uns vorläufig
hors concours, weil ſie ſich mit den zu ſtellenden Auf-
gaben noch nicht befreundet haben oder nicht be-
freunden wollen. Mit einer unſicher taſtenden Moderne
läßt ſich für die Mehrzahl bildneriſcher Aufgaben, im
beiderſeitigen Intereſſe, kaum paktiren. Dennoch bürgt
der für jede bedeutſame Neuheit ungemein empfäng-
liche Sinn des Kaiſers dafür, daß, ſollte je aus dem
Wuſte heutiger künſtleriſcher Experimente eine edle,
hochgemuthe, den alten Idealen ebenbürtige Schönheit
kryſtalliſiren, auch jedes Werk des „aus unbekannten
und verborgenen Tiefen“ ſchöpfenden Genies, das
unſerer Formenfreude zu genügen und unſere Seele zu
erheben weiß, die Theilnahme und Anerkennung de
Herrſchers finden werde.
August Kudler.
Von Alexander Reilmeper, München.
Hierzu eine Abbildung.
12 s giebt eine Betrachtungsweiſe von Nunſtwerken,
die ſie ohne Weiteres als Ausfluß einer Per-
A ßſönlichkeit auffaſſen. Es giebt aber auch noch
eine andere, die das Schaffen des Nünſtlers und ſeine
Werke im Suſammenhange mit der Tradition und den
Problemen ſeiner Nunſt ſieht. In beiden Arten äußert
ſich das Beſtreben, ſich einer phänomenalen Erſcheinung,
wie ſie Nunſtwerke und Vünſtler bieten, durch das
Medium der kunſthiſtoriſchen und kritiſchen Betrachtungs-
weiſe zu nähern, indem man bald das Subjekt und
bald das Objekt zum Mittel- und Ausgangspunkt macht.
Genau betrachtet führen beide Wege zu ein und dem-
ſelben Siele, nur nähern ſie ſich ihm von verſchiedenen
Seiten. Verſuchen wir es einmal, von einigen allge-
meinen Bemerkungen über Plaſtik zur eingehenden
Betrachtung einzelner Werke überzugehen.
Man muß zwiſchen plaſtiſchen Werken unterſcheiden,
ſolche, die nur im Suſammenhange mit einer gewiſſen
Situation, z. B. der Architektur, gedacht ſind oder als
Brunnen, Grabmale ꝛc. in eine beſtimmte Umgebung
zu ſtehen kommen, und ſolche, die an ſich nur ein be-
ſtimmtes plaſtiſches Problem löſen und als Einzel-
erſcheinung dominiren. Die erſtere Gattung umfaßt
das ganze weite Gebiet der dekorativen Plaſtik, die
letztere, die räumlich beſchränktere, aber im Ausdruck
von allen äußeren Umſtänden unabhängigere, Welt
der reinen Formen. Vorzüglich gelangt dieſe zum Aus-
druck in der Darſtellung der menſchlichen Figur. Wenn
wir die letzten Ausſtellungen betrachten, will es uns
faſt ſcheinen, als wäre die Plaſtik in der Löſung dieſe-
Problems nicht weiter gegangen, als überließen ſich
die jüngeren Kräfte einer gewiſſen ſpieleriſchen Dir-
tuoſität in der Behandlung formaler und techmiſcher
Aufgaben. Um ſo mehr überraſchte es auf der Aus-
ſtellung des Deutſchen Nünſtlerbundes in München und
auf der Großen Uunſtausſtellung in Dresden Werken
von Auguſt Budler zu begegnen, die durch einen
gewiſſen friſchen und lebensvollen Ausdruck Aufmerk-
) Nr. 7
ſamkeit erregten. Einige Mittheilungen über den
Künſtler und ſein Schaffen dürften vielleicht intereſſiren.
Wenn ich mir Budler recht vorſtelle, ſo denke ich
ihn mir wie Millet im innigſten Suſammenhange mit
der Natur. Seine Nunſt wurzelt in ſeinem ſtarken
Naturgefühl. Die Wände ſeines Ateliers ſind nackt
und kahl. Vergebens ſucht man darin Gipsabgüſſe
nach berühmten Vorbildern. Wenn er arbeitet, kennt
er nur ein Verhältniß zu ſeiner Kunſt, ſich ſelbſt und
ſein Werk. Jede Arbeit iſt das poſitive Ergebniß un-
gewöhnlich ſtarker Vonzentration ſeiner bildneriſchen
Vorſtellung. Wie beweglich und fruchtbar ſeine Phan-
taſie, wie reich und mannigfaltig ſein Ausdrucks-
vermögen in der Wiedergabe lebendig empfundener
Motive iſt, zeigte er einmal in einer Fülle von Skizzen,
in denen er alle Aeußerungen des Affekts vom Aus-
druck vollkommener Ruhe bis zur äußerſten Bewegtheit
darſtellte. Der Menſch mit ſeinen aufs Höchſte ent-
wickelten Körperformen, ſeinen ſprechenden Gebärden,
ſeiner ganzen charakteriſtiſchen Erſcheinung intereſſirt
ihn vor Allem. Die Darſtellung der menſchlichen Figur,
insbeſondere die Darſtellung des individuellen Lebens
in der Form, bildet den Mittelpunkt ſeines Schaffens.
Nudler's Figuren erkennt man ſofort an gewiſſen
Merkmalen. Wer auf Ausſtellungen darauf achtet,
unterſcheidet ſie ſogleich von den übrigen. Es tritt
darin eine gewiſſe Vorliebe für hohe, ſchlanke Geſtalten
zu Tage, aber das Bezeichnendſte iſt doch eine ım:
gemeine Intimität, eine in plaſtiſchen Werken ſich ſelten
findende Unmittelbarkeit des Ausdrucks — eine gewiſſe
Naturnähe. Gleich in ſeiner erſten Arbeit auf der
Münchner Akademie trat dieſes Moment bereits über-
raſchend hervor. Es war ein Bogenſchütze, den ſich
Hudler zum Vorwurf genommen. Dem geſpannten
Bogen iſt der raſche Pfeil entglitten, der Schütze ſchaut
ihm nach, er hebt ſich auf beiden Füßen und ſtreckt ſich
in die Höhe. Der ganze Körper unterſteht dieſer einen
Was er auch ſeitdem geſchaffen, immer
entſpringt die bildliche Vorſtellung ſeinem eigenen
Vörpergefühl, er empfindet plaſtiſch. Dafür nur einige
Beiſpiele.
In der Ausſtellung des deutſchen Künſtlerbundes
in München konnte man eine Bronzeſtatue von Hudler
ſehen, an der man nicht gleichgültig vorübergehen
konnte. Im Natalog war ſie „Der Träumer“ benannt.
Sie giebt auch in jedem Suge das Bild beſchaulicher
Ruhe, ſie übermittelt dem Beſchauer den Eindruck eines
ſtillen, verſonnenen Weſens. In hohem Grade iſt es
Hudler gelungen, in der Form auf das latente, gleich-
ſam ſchlummernde Leben hinzuweiſen. Der Linienfluß
zieht ruhig dahin in ſanften Schwingungen und ohne
ſtarken Accent. Gerade in den Begrenzungslinien
äußert ſich das Leben der Form, daher der Kontur bei
jedem plaſtiſchen Bildwerke, ganz beſonders aber bei
Bronzen, eine große Bedeutung beſitzt. Man kann
ſagen, in der Führung der Linien liegt das Leben, der
Ausdruck aller Empfindung. Wir dürfen daraufhin
nur einmal den ſitzenden nackten Mann, der dem Auf-
ſatz als Abbildung beigegeben iſt, betrachten, wie ſcharf
kennzeichnet hier die Formgebung das Individuelle und
Eigenthümliche in dem Körper eines älteren Mannes.
Die Figur vergegenwärtigt wieder, wie die meiſten
Arbeiten Hudler's, eine beſtimmte Funktion, ſchon der
Titel „Senſendengler“ weiſt darauf hin. Wer ſchon
einmal im Beumonat am Abend durch ein Dorf ging
und die bekannten, hellklingenden Schläge vernahm,
wird gewiß auch da und dort einen Mäher bei dieſer
Beſchäftigung angetroffen haben. Budler vermittelt
in dieſer Figur eine ſolche Erſcheinung, und zwar in
ſönliche Note“ liebevoll pflegen, ſtehen für uns vorläufig
hors concours, weil ſie ſich mit den zu ſtellenden Auf-
gaben noch nicht befreundet haben oder nicht be-
freunden wollen. Mit einer unſicher taſtenden Moderne
läßt ſich für die Mehrzahl bildneriſcher Aufgaben, im
beiderſeitigen Intereſſe, kaum paktiren. Dennoch bürgt
der für jede bedeutſame Neuheit ungemein empfäng-
liche Sinn des Kaiſers dafür, daß, ſollte je aus dem
Wuſte heutiger künſtleriſcher Experimente eine edle,
hochgemuthe, den alten Idealen ebenbürtige Schönheit
kryſtalliſiren, auch jedes Werk des „aus unbekannten
und verborgenen Tiefen“ ſchöpfenden Genies, das
unſerer Formenfreude zu genügen und unſere Seele zu
erheben weiß, die Theilnahme und Anerkennung de
Herrſchers finden werde.
August Kudler.
Von Alexander Reilmeper, München.
Hierzu eine Abbildung.
12 s giebt eine Betrachtungsweiſe von Nunſtwerken,
die ſie ohne Weiteres als Ausfluß einer Per-
A ßſönlichkeit auffaſſen. Es giebt aber auch noch
eine andere, die das Schaffen des Nünſtlers und ſeine
Werke im Suſammenhange mit der Tradition und den
Problemen ſeiner Nunſt ſieht. In beiden Arten äußert
ſich das Beſtreben, ſich einer phänomenalen Erſcheinung,
wie ſie Nunſtwerke und Vünſtler bieten, durch das
Medium der kunſthiſtoriſchen und kritiſchen Betrachtungs-
weiſe zu nähern, indem man bald das Subjekt und
bald das Objekt zum Mittel- und Ausgangspunkt macht.
Genau betrachtet führen beide Wege zu ein und dem-
ſelben Siele, nur nähern ſie ſich ihm von verſchiedenen
Seiten. Verſuchen wir es einmal, von einigen allge-
meinen Bemerkungen über Plaſtik zur eingehenden
Betrachtung einzelner Werke überzugehen.
Man muß zwiſchen plaſtiſchen Werken unterſcheiden,
ſolche, die nur im Suſammenhange mit einer gewiſſen
Situation, z. B. der Architektur, gedacht ſind oder als
Brunnen, Grabmale ꝛc. in eine beſtimmte Umgebung
zu ſtehen kommen, und ſolche, die an ſich nur ein be-
ſtimmtes plaſtiſches Problem löſen und als Einzel-
erſcheinung dominiren. Die erſtere Gattung umfaßt
das ganze weite Gebiet der dekorativen Plaſtik, die
letztere, die räumlich beſchränktere, aber im Ausdruck
von allen äußeren Umſtänden unabhängigere, Welt
der reinen Formen. Vorzüglich gelangt dieſe zum Aus-
druck in der Darſtellung der menſchlichen Figur. Wenn
wir die letzten Ausſtellungen betrachten, will es uns
faſt ſcheinen, als wäre die Plaſtik in der Löſung dieſe-
Problems nicht weiter gegangen, als überließen ſich
die jüngeren Kräfte einer gewiſſen ſpieleriſchen Dir-
tuoſität in der Behandlung formaler und techmiſcher
Aufgaben. Um ſo mehr überraſchte es auf der Aus-
ſtellung des Deutſchen Nünſtlerbundes in München und
auf der Großen Uunſtausſtellung in Dresden Werken
von Auguſt Budler zu begegnen, die durch einen
gewiſſen friſchen und lebensvollen Ausdruck Aufmerk-
) Nr. 7
ſamkeit erregten. Einige Mittheilungen über den
Künſtler und ſein Schaffen dürften vielleicht intereſſiren.
Wenn ich mir Budler recht vorſtelle, ſo denke ich
ihn mir wie Millet im innigſten Suſammenhange mit
der Natur. Seine Nunſt wurzelt in ſeinem ſtarken
Naturgefühl. Die Wände ſeines Ateliers ſind nackt
und kahl. Vergebens ſucht man darin Gipsabgüſſe
nach berühmten Vorbildern. Wenn er arbeitet, kennt
er nur ein Verhältniß zu ſeiner Kunſt, ſich ſelbſt und
ſein Werk. Jede Arbeit iſt das poſitive Ergebniß un-
gewöhnlich ſtarker Vonzentration ſeiner bildneriſchen
Vorſtellung. Wie beweglich und fruchtbar ſeine Phan-
taſie, wie reich und mannigfaltig ſein Ausdrucks-
vermögen in der Wiedergabe lebendig empfundener
Motive iſt, zeigte er einmal in einer Fülle von Skizzen,
in denen er alle Aeußerungen des Affekts vom Aus-
druck vollkommener Ruhe bis zur äußerſten Bewegtheit
darſtellte. Der Menſch mit ſeinen aufs Höchſte ent-
wickelten Körperformen, ſeinen ſprechenden Gebärden,
ſeiner ganzen charakteriſtiſchen Erſcheinung intereſſirt
ihn vor Allem. Die Darſtellung der menſchlichen Figur,
insbeſondere die Darſtellung des individuellen Lebens
in der Form, bildet den Mittelpunkt ſeines Schaffens.
Nudler's Figuren erkennt man ſofort an gewiſſen
Merkmalen. Wer auf Ausſtellungen darauf achtet,
unterſcheidet ſie ſogleich von den übrigen. Es tritt
darin eine gewiſſe Vorliebe für hohe, ſchlanke Geſtalten
zu Tage, aber das Bezeichnendſte iſt doch eine ım:
gemeine Intimität, eine in plaſtiſchen Werken ſich ſelten
findende Unmittelbarkeit des Ausdrucks — eine gewiſſe
Naturnähe. Gleich in ſeiner erſten Arbeit auf der
Münchner Akademie trat dieſes Moment bereits über-
raſchend hervor. Es war ein Bogenſchütze, den ſich
Hudler zum Vorwurf genommen. Dem geſpannten
Bogen iſt der raſche Pfeil entglitten, der Schütze ſchaut
ihm nach, er hebt ſich auf beiden Füßen und ſtreckt ſich
in die Höhe. Der ganze Körper unterſteht dieſer einen
Was er auch ſeitdem geſchaffen, immer
entſpringt die bildliche Vorſtellung ſeinem eigenen
Vörpergefühl, er empfindet plaſtiſch. Dafür nur einige
Beiſpiele.
In der Ausſtellung des deutſchen Künſtlerbundes
in München konnte man eine Bronzeſtatue von Hudler
ſehen, an der man nicht gleichgültig vorübergehen
konnte. Im Natalog war ſie „Der Träumer“ benannt.
Sie giebt auch in jedem Suge das Bild beſchaulicher
Ruhe, ſie übermittelt dem Beſchauer den Eindruck eines
ſtillen, verſonnenen Weſens. In hohem Grade iſt es
Hudler gelungen, in der Form auf das latente, gleich-
ſam ſchlummernde Leben hinzuweiſen. Der Linienfluß
zieht ruhig dahin in ſanften Schwingungen und ohne
ſtarken Accent. Gerade in den Begrenzungslinien
äußert ſich das Leben der Form, daher der Kontur bei
jedem plaſtiſchen Bildwerke, ganz beſonders aber bei
Bronzen, eine große Bedeutung beſitzt. Man kann
ſagen, in der Führung der Linien liegt das Leben, der
Ausdruck aller Empfindung. Wir dürfen daraufhin
nur einmal den ſitzenden nackten Mann, der dem Auf-
ſatz als Abbildung beigegeben iſt, betrachten, wie ſcharf
kennzeichnet hier die Formgebung das Individuelle und
Eigenthümliche in dem Körper eines älteren Mannes.
Die Figur vergegenwärtigt wieder, wie die meiſten
Arbeiten Hudler's, eine beſtimmte Funktion, ſchon der
Titel „Senſendengler“ weiſt darauf hin. Wer ſchon
einmal im Beumonat am Abend durch ein Dorf ging
und die bekannten, hellklingenden Schläge vernahm,
wird gewiß auch da und dort einen Mäher bei dieſer
Beſchäftigung angetroffen haben. Budler vermittelt
in dieſer Figur eine ſolche Erſcheinung, und zwar in