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Nr. 15
des Aquarellistes u. A. Wien verliert in Alt ſeinen
liebevollſten Schilderer, den feinſten Beobachter der
Reize dieſer Stadt, der den Stephansdom, das Wahr-
zeichen Wiens, allein in zahlreichen Bildern mit den
bilder und Veduten das verſchwindende alte Wien für
alle Seiten künſtleriſch feſtgehalten hatte. Alt iſt am
28. Auguſt 1812 als älteſter Sohn des Candſchafts-
malers Jakob Alt geboren. Die Stadt Wien wird
dem Künſtler ein Ehrengrab auf dem Sentralfriedhofe
errichten.
Paul Wilhelm.
München:
Frühjahrs-Ausstellung der Sezession.
* den Frühjahrs⸗Ausſtellungen der Sezeſſion ſoll
ſich die Jugend austoben, die älteren und alten
; Künftler bleiben weg, was haben ſie ſchließlich
auch mit der Jugend zu thun? Ach, wenn ſich dieſe
Jugend nur ein bißchen munterer, geiſtreicher austoben
möchte! Aber ſo iſt die Ausſtellung wohl luſtig und
toll, wenn man die Farben in Betracht zieht, aber
herzlich nüchtern, langweilig und phantaſielos, wenn
man nach Ideen ſich umſieht: Keine Kunſt, die
nach Sternen greift, und keine, die feſtgewachſen aus
der Heimatſcholle emporſteigt. Bunt ohne Tiefe —
das iſt mein Geſammteindruck. Etliche hübſche und
geſcheite Arbeiten ändern an dieſem Urtheil nichts. Die
meiſten von den etwa 150 Ausſtellern erſcheinen zum
erſten Mal im Katalog, ſie erinnern mich an jene
liebenswürdigen, aber hülfloſen Knäblein, die an der be-
kannten Statue des Nil (im Vatikan) herumklettern: keiner
weiß etwas vom anderen, und der alte Flußgott, in
dieſem Falle die offizielle Ceitung der Sezeſſion, ſchert
ſich nicht beſonders um den Nachwuchs. Vielleicht fehlt
den Führern der Sezeſſion die Fähigkeit, gute Lehrer
herauszuſtellen. Stuck rühmt man zwar nach, daß er
es verſtehe, auf die Eigenart ſeiner Schüler einzugehen,
daß er ihnen ſeine Manier nicht aufdränge — aber
was macht ein Einzelner aus unter ſo Vielend So
taſten und tappen denn die jungen Leute führerlos
herein in die Kunſt: unbeholfene Nilknäblein. Ihre
Schwäche verdecken ſie damit, daß ſie ſich rauh und
brutal geben in ihrem Kolorit. Sie ſind natürlich faſt
alle Impreſſioniſten, mit einem komiſch wirkenden Ernſt
werfen ſie, kühn im Schmiß, die theuren Farben auf
die Leinwand. Und wenn dann die Flecken feſt und
dick auf der Leinwand ſitzen bleiben, dann fühlt man
ſich, dann iſt man wer. )
Ich will in dem Ton nicht weiter reden. Ich
will und darf nicht nein ſagen zur Jugend, auch wenn
ſie nicht immer auf rechten Wegen geht, namentlich
wenn es wie hier nicht ihre Schuld iſt, daß ſie durch
falſche Thore zur Kunſt ſuchen muß. Aber den Gffi-
ziellen der Münchner Sezeſſion ſoll es geſagt ſein:
Schaut mehr auf dieſe Jugend! Vehmt euch drum
an mit Ciebe und mit Ernſt. Die Jungen verlangen
nach euch, ſie ſtellen bei euch aus, ihr gebt ihnen Su-
flucht in euerem Haus, gut, weiſt ihnen auch Wege,
die aufwärts zeigen!
Das Intereſſe, das man dieſen Bildern entgegen-
bringt, iſt ein mehr generelles. Es iſt das nicht reiz-
loſe Jungmännerthum der Kunſt, das ſich da präſentirt,
das ſtammelnde, verwirrte, noch planloſe Streben nach
einer eigenen Perſönlichkeitsnote, ja bei Vielen geht
dieſes Streben überhaupt nur nach einer eigenen „Hand-
ſchrift“. Die Letzteren ſollen beſonders gewarnt ſein;
mit Manier und Randſchrift iſt's nicht gethan. Gerade
unſere Beſten, ich denke nur an Menzel und Böcklin,
haben ihre Handſchrift unbedenklich gewechſelt, wenn
es im Intereſſe des Werkes ſtand. Perſönlichkeit iſt
das Erſte, was man fordern muß. Das Techniſche
kommt erſt in zweiter Linie. Und darum gebe ich
dieſen jungen Leuten für all' ihren „Schmiß“ und ihre
farbige Geſchicktheit nichts, ſo lange ſie nicht Per-
ſönlichkeit und tiefe Gedanken vorweiſen können. Wenn
man durch dieſe Ausſtellung geht, ſo haben wohl die
Augen etwas zu thun, aber Herz und Hirn werden
nicht beſchäftigt. Da iſt kein Bild, das mein Blut
raſcher wallen ließe, keines, das meinen Gedanken
irgend eine Aufgabe ſtellte. Es läuft einem keines der
Bilder nach. Es haftet nichts im Gedächtniß. Alles
verſchwimmt — ein Seichen, daß keine ſtarken Perſön-
lichkeiten ſich unter den Ausſtellern befinden.
Soll man da Namen nennen, ſoll man da den
und jenen herausgreifend Immerhin, ich will es aber
kurz und ſchmerzlos machen. Wenn ich dabei an vielen
ohne ein Wort vorbeigehe, ſollen ſie es nicht als Ab-
lehnung auffaſſen. Sie werden kaum beſſer oder
ſchlechter ſein als die, welche ich nenne. Nur geben
ſie vielleicht weniger charakteriſtiſch kund, welche
Strömungen durch die Münchner Künſtlerjugend gehen.
Leo Putz, den man als Mitglied der „Scholle“
und als geſchickten Seichner der „Jugend“ kennt, zeigt
hier in mehreren Verſionen einen liegenden Frauenakt,
auf den durch das grüne Laub der Bäume die Sonne
fällt. Putz hat einen Lieblingston — ein ſilbriges
Grau, darauf ſind alle anderen Töne geſtimmt —
Farbenkunſtſtück. Paul Bach plagt ſich mit einem ähn-
lichen Problem, aber mit weniger Glück. Damberger
malt Bauernſtücke; hier hängen zwei kleine Bildchen,
in der Linie wie Arbeiten aus Leibl's beſter Seit
wirkend, jedenfalls das Werthvollſte, was die Aus-
ſtellung aufzuweiſen hat, reif und fern von turbulenten
Farbenraffinements. Lichtenberger im Gegentheil wirkt
auf ſeinen bunten Gouachen, die ſpaniſche Tänzerinnen
zeigen, durch eine geſchickte Licht⸗ und Farbenſpielerei.
Philipp Klein iſt ein merkwürdiger Kauz: er macht aus
lauter Freude am Farbigen die tollſten Sprünge. Ein
Stillleben (ein abgeräumter Theetiſch) iſt jedenfalls nur
gemalt, um das Suſammenwirken von Weiß und Gelb
zu zeigen, daneben giebt es ein karikirtes Selbſtporträt,
Figuren, eine Landſchaft. Ernſt Stern iſt ein ähnlicher
Heiliger, ich meine aber, der müßte ſich, um ſich ganz
auszuleben, hauptſächlich auf die Seichnung verlegen.
Auch Amandus Faure hat etwas in ſeinen leicht
karikirten Bildern aus dem Nomäödiantenleben, das an
Illuſtrationen denken läßt. Schramm-Sittau, der ſich
früher als Thiermaler hervorthat, bringt diesmal Fiſcher
und Arbeiter, zwei immerhin ſehr reſpektable Arbeiten;
intereſſant iſt der plötzliche Umſchwung im Werk des
begabten Künſtlers. Alſo auch der noch nicht reif, noch
ohne Siel und Sweckd Schrader-Velgen iſt uns ſchon
einmal in einer Phalanx-Ausſtellung begegnet. Irre
ich mich nicht, ſo waren es die nämlichen Bilder. Sum
wenigſten die gleichen Probleme: ſchöne, nackte Menſchen
unter freiem Himmel — eine Verſion der „Jünglinge
in der Landſchaft“, die Baus v. Marées gemalt. Ida
Beer⸗Görtz iſt wohl eine Trübner⸗-Schülerind Mehr
als aus dem landſchaftlich gut zuſammengehenden
„Kleinheſſeloherſee“ möchte ich das aus dem Interieur
Nr. 15
des Aquarellistes u. A. Wien verliert in Alt ſeinen
liebevollſten Schilderer, den feinſten Beobachter der
Reize dieſer Stadt, der den Stephansdom, das Wahr-
zeichen Wiens, allein in zahlreichen Bildern mit den
bilder und Veduten das verſchwindende alte Wien für
alle Seiten künſtleriſch feſtgehalten hatte. Alt iſt am
28. Auguſt 1812 als älteſter Sohn des Candſchafts-
malers Jakob Alt geboren. Die Stadt Wien wird
dem Künſtler ein Ehrengrab auf dem Sentralfriedhofe
errichten.
Paul Wilhelm.
München:
Frühjahrs-Ausstellung der Sezession.
* den Frühjahrs⸗Ausſtellungen der Sezeſſion ſoll
ſich die Jugend austoben, die älteren und alten
; Künftler bleiben weg, was haben ſie ſchließlich
auch mit der Jugend zu thun? Ach, wenn ſich dieſe
Jugend nur ein bißchen munterer, geiſtreicher austoben
möchte! Aber ſo iſt die Ausſtellung wohl luſtig und
toll, wenn man die Farben in Betracht zieht, aber
herzlich nüchtern, langweilig und phantaſielos, wenn
man nach Ideen ſich umſieht: Keine Kunſt, die
nach Sternen greift, und keine, die feſtgewachſen aus
der Heimatſcholle emporſteigt. Bunt ohne Tiefe —
das iſt mein Geſammteindruck. Etliche hübſche und
geſcheite Arbeiten ändern an dieſem Urtheil nichts. Die
meiſten von den etwa 150 Ausſtellern erſcheinen zum
erſten Mal im Katalog, ſie erinnern mich an jene
liebenswürdigen, aber hülfloſen Knäblein, die an der be-
kannten Statue des Nil (im Vatikan) herumklettern: keiner
weiß etwas vom anderen, und der alte Flußgott, in
dieſem Falle die offizielle Ceitung der Sezeſſion, ſchert
ſich nicht beſonders um den Nachwuchs. Vielleicht fehlt
den Führern der Sezeſſion die Fähigkeit, gute Lehrer
herauszuſtellen. Stuck rühmt man zwar nach, daß er
es verſtehe, auf die Eigenart ſeiner Schüler einzugehen,
daß er ihnen ſeine Manier nicht aufdränge — aber
was macht ein Einzelner aus unter ſo Vielend So
taſten und tappen denn die jungen Leute führerlos
herein in die Kunſt: unbeholfene Nilknäblein. Ihre
Schwäche verdecken ſie damit, daß ſie ſich rauh und
brutal geben in ihrem Kolorit. Sie ſind natürlich faſt
alle Impreſſioniſten, mit einem komiſch wirkenden Ernſt
werfen ſie, kühn im Schmiß, die theuren Farben auf
die Leinwand. Und wenn dann die Flecken feſt und
dick auf der Leinwand ſitzen bleiben, dann fühlt man
ſich, dann iſt man wer. )
Ich will in dem Ton nicht weiter reden. Ich
will und darf nicht nein ſagen zur Jugend, auch wenn
ſie nicht immer auf rechten Wegen geht, namentlich
wenn es wie hier nicht ihre Schuld iſt, daß ſie durch
falſche Thore zur Kunſt ſuchen muß. Aber den Gffi-
ziellen der Münchner Sezeſſion ſoll es geſagt ſein:
Schaut mehr auf dieſe Jugend! Vehmt euch drum
an mit Ciebe und mit Ernſt. Die Jungen verlangen
nach euch, ſie ſtellen bei euch aus, ihr gebt ihnen Su-
flucht in euerem Haus, gut, weiſt ihnen auch Wege,
die aufwärts zeigen!
Das Intereſſe, das man dieſen Bildern entgegen-
bringt, iſt ein mehr generelles. Es iſt das nicht reiz-
loſe Jungmännerthum der Kunſt, das ſich da präſentirt,
das ſtammelnde, verwirrte, noch planloſe Streben nach
einer eigenen Perſönlichkeitsnote, ja bei Vielen geht
dieſes Streben überhaupt nur nach einer eigenen „Hand-
ſchrift“. Die Letzteren ſollen beſonders gewarnt ſein;
mit Manier und Randſchrift iſt's nicht gethan. Gerade
unſere Beſten, ich denke nur an Menzel und Böcklin,
haben ihre Handſchrift unbedenklich gewechſelt, wenn
es im Intereſſe des Werkes ſtand. Perſönlichkeit iſt
das Erſte, was man fordern muß. Das Techniſche
kommt erſt in zweiter Linie. Und darum gebe ich
dieſen jungen Leuten für all' ihren „Schmiß“ und ihre
farbige Geſchicktheit nichts, ſo lange ſie nicht Per-
ſönlichkeit und tiefe Gedanken vorweiſen können. Wenn
man durch dieſe Ausſtellung geht, ſo haben wohl die
Augen etwas zu thun, aber Herz und Hirn werden
nicht beſchäftigt. Da iſt kein Bild, das mein Blut
raſcher wallen ließe, keines, das meinen Gedanken
irgend eine Aufgabe ſtellte. Es läuft einem keines der
Bilder nach. Es haftet nichts im Gedächtniß. Alles
verſchwimmt — ein Seichen, daß keine ſtarken Perſön-
lichkeiten ſich unter den Ausſtellern befinden.
Soll man da Namen nennen, ſoll man da den
und jenen herausgreifend Immerhin, ich will es aber
kurz und ſchmerzlos machen. Wenn ich dabei an vielen
ohne ein Wort vorbeigehe, ſollen ſie es nicht als Ab-
lehnung auffaſſen. Sie werden kaum beſſer oder
ſchlechter ſein als die, welche ich nenne. Nur geben
ſie vielleicht weniger charakteriſtiſch kund, welche
Strömungen durch die Münchner Künſtlerjugend gehen.
Leo Putz, den man als Mitglied der „Scholle“
und als geſchickten Seichner der „Jugend“ kennt, zeigt
hier in mehreren Verſionen einen liegenden Frauenakt,
auf den durch das grüne Laub der Bäume die Sonne
fällt. Putz hat einen Lieblingston — ein ſilbriges
Grau, darauf ſind alle anderen Töne geſtimmt —
Farbenkunſtſtück. Paul Bach plagt ſich mit einem ähn-
lichen Problem, aber mit weniger Glück. Damberger
malt Bauernſtücke; hier hängen zwei kleine Bildchen,
in der Linie wie Arbeiten aus Leibl's beſter Seit
wirkend, jedenfalls das Werthvollſte, was die Aus-
ſtellung aufzuweiſen hat, reif und fern von turbulenten
Farbenraffinements. Lichtenberger im Gegentheil wirkt
auf ſeinen bunten Gouachen, die ſpaniſche Tänzerinnen
zeigen, durch eine geſchickte Licht⸗ und Farbenſpielerei.
Philipp Klein iſt ein merkwürdiger Kauz: er macht aus
lauter Freude am Farbigen die tollſten Sprünge. Ein
Stillleben (ein abgeräumter Theetiſch) iſt jedenfalls nur
gemalt, um das Suſammenwirken von Weiß und Gelb
zu zeigen, daneben giebt es ein karikirtes Selbſtporträt,
Figuren, eine Landſchaft. Ernſt Stern iſt ein ähnlicher
Heiliger, ich meine aber, der müßte ſich, um ſich ganz
auszuleben, hauptſächlich auf die Seichnung verlegen.
Auch Amandus Faure hat etwas in ſeinen leicht
karikirten Bildern aus dem Nomäödiantenleben, das an
Illuſtrationen denken läßt. Schramm-Sittau, der ſich
früher als Thiermaler hervorthat, bringt diesmal Fiſcher
und Arbeiter, zwei immerhin ſehr reſpektable Arbeiten;
intereſſant iſt der plötzliche Umſchwung im Werk des
begabten Künſtlers. Alſo auch der noch nicht reif, noch
ohne Siel und Sweckd Schrader-Velgen iſt uns ſchon
einmal in einer Phalanx-Ausſtellung begegnet. Irre
ich mich nicht, ſo waren es die nämlichen Bilder. Sum
wenigſten die gleichen Probleme: ſchöne, nackte Menſchen
unter freiem Himmel — eine Verſion der „Jünglinge
in der Landſchaft“, die Baus v. Marées gemalt. Ida
Beer⸗Görtz iſt wohl eine Trübner⸗-Schülerind Mehr
als aus dem landſchaftlich gut zuſammengehenden
„Kleinheſſeloherſee“ möchte ich das aus dem Interieur