Nr. 10
14*
der ſandigen Mark, und Berlin ſoll er die im gewiſſen
Sinne ſchönſte Stadt der Welt genannt haben.
So erſcheint es begreiflich, wenn die Mehrheit der
künſtleriſchen Unternehmungen Naiſer Wilhelm's II. der
Nauptſtadt des Reiches und ihrer Umgebung zufallen,
und wenn die heimiſchen Kräfte hierbei eine Berück-
ſichtigung finden, für die ſie nicht dankbar genug ſein
können. Doch leiden darunter keineswegs die anderen
Orte des Vaterlandes, da der Monarch oft perſönlich
für die örtlichen Traditionen im Reiche eintritt und in
ſeiner Sorge nicht nachläßt, daß jene auch im künſt-
leriſchen Geiſte gepflegt werden. So kann auch ſein
impulſives Eintreten für eine in Bayern einſt unerwartet
abgewieſene Forderung für Nunſtzwecke nur vom Stand-
punkte des nationalen Empfindens gewürdigt werden,
ebenſo wie der ſpontane Entſchluß des Vaiſers, die
ihm geſchenkte Schack-Gallerie in München zu belaſſen,
eine gleich großmüthige Geſinnung und Achtung vor
dem genius loci dokumentirt, unbekümmert um die
erheblichen Schwierigkeiten der Verwaltung, die ſich
daraus ergeben. Die Geſchenke eines Goethedenkmals
an Rom und einer Statue Friedrich's des Großen an
Waſhington haben neuerdings ſelbſt dem Auslande
gegenüber das nationale Moment betont. Sind doch
die beiden gefeierten und volksthümlichen Geſtalten in
der künſtleriſchen Ausführung von Eberlein und Uphue—-
ſehr wohl geeignet, als Symbole der gegenſeitig ge-
ſchätzten alten Beziehungen zu gelten und an Ort und
Stelle dauernd in dieſem Sinne zu wirken. Aus Italien
vor Jahren (189) heimgekehrt, war der erſte auf die
Kunſt gerichtete Gedanke unſeres Kaiſers: im Herzen
der ewigen Stadt, im Thronſaale des Palazzo Caffa-
relli, ein Malwerk „deutſchen Inhalts“ als ein Wahr-
zeichen auf dem Kapitol ſchaffen zu laſſen. „Es ſoll
deutſch ſein, und die Römer ſollen Achtuug bekommen“,
ſo lauteten die Worte des Kaiſerlichen Auftrages. Und
Hermann Prell war ganz der Mann und Künftler dazu,
den Sinn der ihm geſtellten Aufgabe tief im Kerne zu
erfaſſen.
Ergriffen von dem Genius einer denkwürdigen
Stätte, im Herzen erregt von dem Flügelſchlag irgend
welcher großen geſchichtlichen Erinnerung, findet die
Phantaſie des Kaiſers eine gewiſſe Idee. Aber er
findet ſo leicht nicht den kongenialen Künſtler, und das
kann man bedauern um der kunſtfördenden Bereitſchaft
des wohlmeinenden Fürſten wegen. Wiederholt hat er,
wie früher erwähnt, diesbezüglich mit Klagen nicht
zurückgehalten: daß unſerer jungen Künſtlergeneration, in
deren Hände die künftigen Aufgaben gelegt ſein werden,
der Reſpekt fehle vor den Schöpfungen der Alten und das
ehrliche Streben, an dieſen Schöpfungen zu lernen, was
unbedingt lernenswerth ſei. Haben doch in der That
auch die genialen Statuarien der ſog. Moderne, um
nur Rodin und Ad. Hildebrand zu nennen, gerade auf
dem Wege, der ſie zur klaſſiſchen Antike leitete, erſt die
Eigenheiten ihres plaſtiſchen Sehens und Empfindens
gewonnen. Voch jeder Bildner hat in einem vertieften
und ſelbſtändigen Studium jener alten Muſter ſeine
Rechnung gefunden, und ſo beſteht die Gefahr, daß
mit einer Vernachläſſigung dieſer Quelle vor allem die
plaſtiſche Kunſt ihre unverwelklich ſchönen Güter trotz-
dem allmählich verlieren werde. Aus dieſer Beſorgniß
ergab ſich der Kaiſerliche Gedanke, der ſich in drei
Wettbewerben konkret ausſprach, die eigentlich nur für
den Kreis der Lernenden beſtimmt waren, aber — da
zu den Lernenden im Grunde auch jeder reife Künſtler
gehört — ſelbſt bei den älteren Männern des Faches
Theilnahme fanden. Es handelte ſich bei dieſen da-
mals vielgenannten Konkurrenzen um die Ergänzung
eines köſtlichen helleniſtiſchen Frauenkopfes, ferner der
bekannten tanzenden Mänade ſowie eines Aphrodite-
Torſos. Wenn auch das Ergebniß, wenigſtens in kunſt-
wiſſenſchaftlicher Hinſicht, nicht volle Befriedigung ver-
ſchaffte, ſo war doch eine wichtige, ſehr dankenswerthe
Anregung von der Kaiſerlichen Seite gegeben und die
Bedeutung der antiken Studien durch jene Wettbewerbe
von neuem vor der Oeffentlichkeit dargethan.
Dieſem idealen Weſenszug Kaiſer Wilhelm's wider-
ſtrebt auch die Tendenz, welche mit dem Naturalismus
unſerer Tage verknüpft iſt. Die moderne Gegen-
ſtrömung einer Neuromantik, die heute überall Wurzel
treibt, hat auch den ſonſt immer vorwärts gerichteten
Sinn des Kaiſers zu eigenthümlicher hiſtoriſcher Re-
flerion angeregt und in der Phantaſie des deutſchen
Imperators die einſtigen Beziehungen Germaniens zum
römiſchen Weltreiche neubelebt. Seine wiederholt be-
wieſene Theilnahme für die Limesforſchung gipfelte vor
einiger Seit in der Rekonſtruktion des römiſchen Kaſtells
bei Vomburg a. d. B., der Saalburg, die er von der
Hand des Begasſchülers Joh. Götz mit den lebens-
großen Statuen von Hadrian, Antoninus Pius und
Alexander Severus und gleichzeitig mit einem kunſt-
vollen Denkzeichen zur Ehrung des großen Hiſtoriker
Mommſen ſchmücken ließ. Und die Erneuerung des
altrömiſchen Kaſtells als Denkmal der antiken Ver-
gangenheit Deutſchlands gab weiter die Anregung
zur Unterſtützung der auf die Erhaltung der mittel-
alterlichen Burgruinen gerichteten Beſtrebungen und
Forſchungen.
Alle jene ehrwürdigen Baufragmente feſſeln den
Kaiſer nachhaltig als mahnende Seugen einer Ver-
gangenheit, die, halb legendariſch, vom Glanze theils des
antikrömiſchen, theils des mittelalterlichen Kaiſerthums
umſtrahlt ſind. Sein damit zuſammenhängendes künſt-
leriſches Empfinden ſcheint neue Impulſe empfangen zu
haben, als er vor Jahren im Berliner Atelier H. Prell's
die Kartons zu den Hildesheimer Fresken kennen lernte,
die mit einer frommen Nandlung Hermann's des Che-
ruskers, mit der germaniſchen Prieſterweihe des er-
beuteten römiſchen Silberſchatzes, beginnt und mit dem
ergreifenden Reiterbilde des Heerſchau haltenden Sener-
Imperators im Syklus endigt. Und dieſer Eindruck
blieb in ſeinem Gedächtniß treu bewahrt und folgte
dem Kaiſer nach Rom, damals, als ihm in dem faſt
14*
der ſandigen Mark, und Berlin ſoll er die im gewiſſen
Sinne ſchönſte Stadt der Welt genannt haben.
So erſcheint es begreiflich, wenn die Mehrheit der
künſtleriſchen Unternehmungen Naiſer Wilhelm's II. der
Nauptſtadt des Reiches und ihrer Umgebung zufallen,
und wenn die heimiſchen Kräfte hierbei eine Berück-
ſichtigung finden, für die ſie nicht dankbar genug ſein
können. Doch leiden darunter keineswegs die anderen
Orte des Vaterlandes, da der Monarch oft perſönlich
für die örtlichen Traditionen im Reiche eintritt und in
ſeiner Sorge nicht nachläßt, daß jene auch im künſt-
leriſchen Geiſte gepflegt werden. So kann auch ſein
impulſives Eintreten für eine in Bayern einſt unerwartet
abgewieſene Forderung für Nunſtzwecke nur vom Stand-
punkte des nationalen Empfindens gewürdigt werden,
ebenſo wie der ſpontane Entſchluß des Vaiſers, die
ihm geſchenkte Schack-Gallerie in München zu belaſſen,
eine gleich großmüthige Geſinnung und Achtung vor
dem genius loci dokumentirt, unbekümmert um die
erheblichen Schwierigkeiten der Verwaltung, die ſich
daraus ergeben. Die Geſchenke eines Goethedenkmals
an Rom und einer Statue Friedrich's des Großen an
Waſhington haben neuerdings ſelbſt dem Auslande
gegenüber das nationale Moment betont. Sind doch
die beiden gefeierten und volksthümlichen Geſtalten in
der künſtleriſchen Ausführung von Eberlein und Uphue—-
ſehr wohl geeignet, als Symbole der gegenſeitig ge-
ſchätzten alten Beziehungen zu gelten und an Ort und
Stelle dauernd in dieſem Sinne zu wirken. Aus Italien
vor Jahren (189) heimgekehrt, war der erſte auf die
Kunſt gerichtete Gedanke unſeres Kaiſers: im Herzen
der ewigen Stadt, im Thronſaale des Palazzo Caffa-
relli, ein Malwerk „deutſchen Inhalts“ als ein Wahr-
zeichen auf dem Kapitol ſchaffen zu laſſen. „Es ſoll
deutſch ſein, und die Römer ſollen Achtuug bekommen“,
ſo lauteten die Worte des Kaiſerlichen Auftrages. Und
Hermann Prell war ganz der Mann und Künftler dazu,
den Sinn der ihm geſtellten Aufgabe tief im Kerne zu
erfaſſen.
Ergriffen von dem Genius einer denkwürdigen
Stätte, im Herzen erregt von dem Flügelſchlag irgend
welcher großen geſchichtlichen Erinnerung, findet die
Phantaſie des Kaiſers eine gewiſſe Idee. Aber er
findet ſo leicht nicht den kongenialen Künſtler, und das
kann man bedauern um der kunſtfördenden Bereitſchaft
des wohlmeinenden Fürſten wegen. Wiederholt hat er,
wie früher erwähnt, diesbezüglich mit Klagen nicht
zurückgehalten: daß unſerer jungen Künſtlergeneration, in
deren Hände die künftigen Aufgaben gelegt ſein werden,
der Reſpekt fehle vor den Schöpfungen der Alten und das
ehrliche Streben, an dieſen Schöpfungen zu lernen, was
unbedingt lernenswerth ſei. Haben doch in der That
auch die genialen Statuarien der ſog. Moderne, um
nur Rodin und Ad. Hildebrand zu nennen, gerade auf
dem Wege, der ſie zur klaſſiſchen Antike leitete, erſt die
Eigenheiten ihres plaſtiſchen Sehens und Empfindens
gewonnen. Voch jeder Bildner hat in einem vertieften
und ſelbſtändigen Studium jener alten Muſter ſeine
Rechnung gefunden, und ſo beſteht die Gefahr, daß
mit einer Vernachläſſigung dieſer Quelle vor allem die
plaſtiſche Kunſt ihre unverwelklich ſchönen Güter trotz-
dem allmählich verlieren werde. Aus dieſer Beſorgniß
ergab ſich der Kaiſerliche Gedanke, der ſich in drei
Wettbewerben konkret ausſprach, die eigentlich nur für
den Kreis der Lernenden beſtimmt waren, aber — da
zu den Lernenden im Grunde auch jeder reife Künſtler
gehört — ſelbſt bei den älteren Männern des Faches
Theilnahme fanden. Es handelte ſich bei dieſen da-
mals vielgenannten Konkurrenzen um die Ergänzung
eines köſtlichen helleniſtiſchen Frauenkopfes, ferner der
bekannten tanzenden Mänade ſowie eines Aphrodite-
Torſos. Wenn auch das Ergebniß, wenigſtens in kunſt-
wiſſenſchaftlicher Hinſicht, nicht volle Befriedigung ver-
ſchaffte, ſo war doch eine wichtige, ſehr dankenswerthe
Anregung von der Kaiſerlichen Seite gegeben und die
Bedeutung der antiken Studien durch jene Wettbewerbe
von neuem vor der Oeffentlichkeit dargethan.
Dieſem idealen Weſenszug Kaiſer Wilhelm's wider-
ſtrebt auch die Tendenz, welche mit dem Naturalismus
unſerer Tage verknüpft iſt. Die moderne Gegen-
ſtrömung einer Neuromantik, die heute überall Wurzel
treibt, hat auch den ſonſt immer vorwärts gerichteten
Sinn des Kaiſers zu eigenthümlicher hiſtoriſcher Re-
flerion angeregt und in der Phantaſie des deutſchen
Imperators die einſtigen Beziehungen Germaniens zum
römiſchen Weltreiche neubelebt. Seine wiederholt be-
wieſene Theilnahme für die Limesforſchung gipfelte vor
einiger Seit in der Rekonſtruktion des römiſchen Kaſtells
bei Vomburg a. d. B., der Saalburg, die er von der
Hand des Begasſchülers Joh. Götz mit den lebens-
großen Statuen von Hadrian, Antoninus Pius und
Alexander Severus und gleichzeitig mit einem kunſt-
vollen Denkzeichen zur Ehrung des großen Hiſtoriker
Mommſen ſchmücken ließ. Und die Erneuerung des
altrömiſchen Kaſtells als Denkmal der antiken Ver-
gangenheit Deutſchlands gab weiter die Anregung
zur Unterſtützung der auf die Erhaltung der mittel-
alterlichen Burgruinen gerichteten Beſtrebungen und
Forſchungen.
Alle jene ehrwürdigen Baufragmente feſſeln den
Kaiſer nachhaltig als mahnende Seugen einer Ver-
gangenheit, die, halb legendariſch, vom Glanze theils des
antikrömiſchen, theils des mittelalterlichen Kaiſerthums
umſtrahlt ſind. Sein damit zuſammenhängendes künſt-
leriſches Empfinden ſcheint neue Impulſe empfangen zu
haben, als er vor Jahren im Berliner Atelier H. Prell's
die Kartons zu den Hildesheimer Fresken kennen lernte,
die mit einer frommen Nandlung Hermann's des Che-
ruskers, mit der germaniſchen Prieſterweihe des er-
beuteten römiſchen Silberſchatzes, beginnt und mit dem
ergreifenden Reiterbilde des Heerſchau haltenden Sener-
Imperators im Syklus endigt. Und dieſer Eindruck
blieb in ſeinem Gedächtniß treu bewahrt und folgte
dem Kaiſer nach Rom, damals, als ihm in dem faſt