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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 9 (1. Februar 1905)
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Galland, Georg: Der Ausstellungsplan der Nationalgallerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0156

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132


Nr. 9

argliſtigen Umklammerungen der Voterie frei zu machen,
dann läßt ſich der Fußtritt wohl verſtehen, der ihm in
dem offiziöſen Buche von dem Autor applizirt wird.
Menzel aber, der ſich der werbenden Leute gleich
anfangs glücklich erwehrt hat, dürften die Meier-
Graefe'ſchen Fußtritte weder wundern noch irritiren.
Sie gehörten ſchon des VKontraſtes wegen, den die
Tugenden des Buchhelden erforderten, durchaus hierher.
Der Autor ſchreibt: „Vielleicht verſteht man nun,
warum ich die Energie in Liebermann ſo hoch
ſchätzte, warum Menzel ſo oft lau neben ihm er-
ſcheint.“ „Menzel's Genie vegetirt planlos ... Lieber-
mann iſt ein ſtarker Geiſt.“ „Man kann Ciebermann's
Eſprit erſt bekommen, wenn man ſich den Menzel'ſchen
abgewöhnt hat.“ Nun, meine ich freilich, lieber wird
man bei uns auf jenen Eſprit überhaupt verzichten,
als ſich Menzel abgewöhnen. Nachdem nun der „geiſt-
volle“ Vergleich der Beiden natürlich zu Gunſten des
Einzigen entſchieden iſt, geht es fort im förmlichen
Furioſo, im Tone ausſchweifender Begeiſterung, als ſei
es Aufgabe, ein Buch: „Liebermann als Erzieher“ zu
ſchreiben. Man höre und ſtaune: „Die majeſtätiſche
Sicherheit . . . macht die Ueberlegenheit Delacroix'
und Manet's und — Liebermann's“ (der lange Gedanken-
ſtrich iſt nicht von mir, ſondern vom Autor, dem es
bei dieſer Stelle des Diktats anſcheinend etwas heiß
überlief). „Das Monumentale“ im Weſen Ciebermann's
wird alsdann rühmend hervorgehoben. Berlin darf
ſtolz ſein, in ihm den heimiſchen Meiſter par excellence
zu beſitzen. Autochthonie des Geiſtes! Er „ſymboliſirt
Berlin“, ſchreibt Herr Meier-Graefe, ohne anzudeuten,
daß ſich vorläufig nur Charlottenburg-Südoſt etwas
auf die große Ehre zu Gute zu thun ſcheint. „Die
Schönheit ſeines Werkes hat etwas von Hygiene“, heißt
es weiter, „ſie iſt ganz unparfümirt wie die Seife,
deren ſich die Berliner reichlich bedienen.“ Nun leuchtet
uns wirklich das köſtliche Symbol ein. Aber dem
Panegyriſten genügt ſelbſt dieſes nicht. Liebermann
ſoll auch der echteſte deutſche Künſtler unſerer böſen
Seit ſein: „Er zeigte den Deutſchen, die von ihrer
Nationalität faſelten, wo eigentlich Deutſchland läge.“
Dem ungeachtet iſt er „wie ſich das faſt bei einem
Berliner von ſelbſt verſtegt — Kosmopolit“. Ein
wahres Chamäleon von einem Künſtler! Seine Werke
ſind „ſchöne Dokumente unwiderſtehlichen Glaubens an
die Geſundheit“. Aha, Seife! Er iſt überdies „einer
der feinſten Plauderer der Kunſt“ — ohne Sweifel
wird er dies wohl von ſich glauben. Er iſt, ſo lautet
es wiederholt in der Schrift, nicht nur ein wahrhaft
Gewaltiger, ſondern auch ein wahrhaft Glücklicher.
Glücklich, dabei dieſes ſtereotype „zu Tode lächeln“ in
Mitten jener poſſierlichen Reaktion, die man in der
Stadt der unparfümirten Seife gegen die Ciebermann'ſche
Vernunft dekretirt. Welch' eine Fülle von Geiſt und Witz!

Nun aber zum Vize-Präſidenten der Berliner
Sezeſſion: CL. von Rofmann- Weimar. Der Mann
beſitzt für die Partei unzweifelhaft einen ſchön klingenden

Namen und lebt, dank dem Grafen Harry Keßler, in
einflußreicher Poſition an einem kleinen deutſchen Sürften-
hofe. Man iſt ja ſehr revolutionär in dieſen Kreiſen,
aber trotzdem dankbar für Fürſtengunſt, ungeheuer
dankbar. Man iſt auch diesbezüglich ein Chamäleon.
Alſo begreift man, daß Herr von Hofmann das
ſezeſſioniſtiſch geſtempelte Patent als größter Idealmaler
Deutſchlands ſchon vor Erſcheinen des Buches in der
Taſche trug. Dem Nicht⸗Sezeſſioniſten aber muß, wenn
er hier von der mächtigen Volle lieſt, die dieſem be-
gabten Maler netter farbenvoller dekorativer Bilder
zuertheilt wird, ungefähr ſo zu Muthe ſein, wie bei
der Schilderung jener Revolution im mythiſchen Thier-
reiche, wobei an Stelle des entthronten Löwen der
Eſel zur Leitung der Regierung berufen wurde. Auf
das Poſtament des entthronten Böcklin hebt der Autor
unſern netten L. von Hofmann und ſagt dazu: i
haben nie etwas Reizenderes in Germanien aufgebracht.“
„Hofmann brachte das größte Talent nach Paris.“
„Er gab dem Böcklin-Enthuſiasmus eine vor-
nehmere Richtung, zeigte, daß man Vixen und dergl.
malen kann, ohne nothwendig ſchlechte Bilder (wie
Böcklin) zu machen.“ Dieſe kleine Blüthenleſe dürfte
dem Leſer genügen.

Und in Summa: das deutſche Triumvirat Lieber-
mann (an Stelle von Menzel), von Hofmann (an Stelle
von Böcklin) und W. Trübner (der heutige Velasquez).
Solcher Art ſind die Re viſionsideen der Herrn, vor
der Hand unanfechtbar nachgewieſen in dem kürzlich
erſchienenen Werke desjenigen Mannes, der als der
spiritus rector des Ausſtellungsplanes der königlich
preußiſchen Nationalgallerie genannt wird und, wie
man ſich ferner erzählt, im Bureau des Herrn von
Tſchudi aus und ein geht. Und für ſolchen Plan will
man jetzt auf dem Wege einer Immediat⸗Eingabe an
die kaiſerliche Adreſſe die Verwirklichung des Plane-
fördern bezw. herbeiführen. Das gleicht auf ein Naar
dem Verſuch einer Ueberrumpelung oder Verſchwörung,
nicht nur dem für jede Kulturförderung empfänglichen
Kaiſer gegenüber, ſondern auch gegen die dem
Monarchen verantwortlichen Bathgeber, welche jene
Immediat⸗Eingabe im Sinne des Abſenders zur Er-
ledigung empfehlen ſollen.

Schließlich glaube der Leſer nicht, daß die Tendenz
der genügend gekennzeichneten „Entwicklungsgeſchichte“
mit der Proklamirung eines neuen deutſchen Trium-
virats erſchöpft ſei. Beſchäftigt ſich der Autor doch ſo
überwiegend mit dem Ausland, befonders mit Frankreich,
daß auf den Deutſchland gewidmeten Abſchnitt textlich
und illuſtrativ etwa der achte oder gar nur zehnte
Theil des ganzen Inhalts entfällt. Und wer dabei
als Eingeweihter zwiſchen den Seilen zu leſen vermag,
merkt ſofort, daß die zweite Tendenz des Opus, wie
oben bereits angedeutet, auf dem Gebiete des ſpekulativen
Kunſthandels zu ſuchen iſt. Die Andeutung dürfte ge-
nügen und denen, die bisher noch nicht klar ſehen
konnten, die Augen öffnen.
 
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