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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 20 (15. Juli 1905)
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Rapsilber, Maximilian: Zweite Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0356

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310


Nr. 20

Sezeſſion, die bekanntlich für den Deutſchen Künftler-
bund verantwortlich zeichnet, zwei Schreckenskammern
in ihrer Ausſtellung errichtet, in welcher alle Trümpfe
der Senſation ausgeſpielt werden. Man hat zwei
Künſtlern der extremen Richtung, einem Adonis und
einem Nerkules der Malerei, Sonderſäle zur Verfügung
geſtellt, ganz offenbar in der Abſicht, das mählich er-
lahmende Intereſſe an der Sezeſſionskunſt durch ſtärkſte
Würzen aufzuſtacheln, und das iſt in der That auch
gelungen, aber zum Verhängniß der Sezeſſion ſelber.
Das Volk drängt zu den Sälen von Klimt und
Rodler, um dann erheitert oder entrüſtet von dannen
zu ziehen und den übrigen Inhalt der Ausſtellung auf
ſich beruhen zu laſſen. Man thut wohl dann noch
einen Blick auf die ſeltenen Gäſte aus München, aber
nur ſo einen verlorenen Blick, die Augenweide in den
Schreckenskammern hat das ihrige gethan, die Gemüther
für die zahmere Nunſt unempfänglich zu machen.
Nodler iſt ſeit Jahren ausgeſprochener Favorit der
Berliner Sezeſſion. Was man bislang von ihm ge-
ſehen, deutete auf ein wildgährendes, aber gewaltiges
Temperament, das auf einen neuartigen Monumental-
ſtil ausging. Es war recht und billig, daß man dem
Künſtler Seit gewährte, ſich auf ſeine Art zu entwickeln
und ihn zu einem kühnen Vorſtoß auf unbetretenen
Pfaden zu ermuthigen. Aber nun ereignete es ſich,
daß das vielbeſchrieene Genie überſchnappte und ſich
lächerlich machte. Ob man es hier nur mit einem
Fehlſprung zu thun hat, ob der Genfer Maler auf die
Dauer doch ſein abſonderliches Siel erreichen wird,
mag für einſtweilen noch unentſchieden bleiben. Ein
Maler, dem ſo ein markantes Symbolſtück wie die
Nacht, das wir ſchon vor einigen Jahren in Berlin
geſehen, gelungen iſt, wird gewiß nicht ohne Weiteres
kapituliren. Heuer hat ihn ein Höhenrauſch erfaßt und
auf ein Gebiet gelockt, auf welchem ſeme Kraft ver-
ſagte. Er ſtellt einen widerwärtigen nackten Jüngling
auf eine Bergſpitze und läßt ihn da ſchafsdämlich ins
Unendliche ſchauen, und darin giebt Hodler ſein neues
Ideal zum Beſten. Dann führt er den grauſigen
Jüngling mit den todten Schweinsäuglein vom Berg
herab und pflanzt ihn in einer grünbekleckerten Düne
auf, um ihn vom Weib bewundern zu laſſen. Nur
hat es mit der Bewunderung eine komiſche Bewandt-
niß. Vier Weiber mit grünangeklatſchten Gewändern
traben Hand in Rand in einer Reihe von dannen.
Sie halten die Köpfe nach der Schnur ausgerichtet,
der eine Kopf am Ende macht aber eine ſtärkere
Wendung, um aus ſtumpfſinnig verwunderten Augen
einen Blick auf den Jüngling abzuſchießen. Offenbar
aber haut der Blick daneben. Der Jüngling trägt eine
monumentale Blödſinnigkeit mit pomadiger Würde zur
Schau und in jeder Rand hebt er ſymmetriſch eine
ſtrohhalmdünne Gerte wie der heilige Sebaſtian ſeine
Marterpfeile hie und da auf altitalieniſchen Bildern.
Hodler thut ſich etwas darauf zu gute, daß er auch
ausgeſprochene Empfindungen malt und zwar gleich in
zwei Variationen dasſelbe Thema auf den Gipfel einer
ausgetüftelten Scheußlichkeit zu ſteigern vermag. Er
müßte wohl erſt definiren, was er unter Empfindung
verſteht. Man ſieht da vier Weiber in blauer Draperie
ſeltſam krummbeinig im Gänſemarſch einhermarſchiren,
eins immer häßlicher und ekelhafter als das andere,
und dieſes zweifelhafte Vergnügen leiſtete er ſich zwei-
mal hinter einander, da er genau dieſelben Modelle in
faſt genau derſelben Bewegung wiederholt und in der
nämlichen gelben Wüſtenei, die durch rothe Tulpen ge-
muſtert iſt. Es läßt ſich kaum etwas Geiſtloſeres vor-
ſtellen, als vier weibliche Scheuſäle ſtumpfſinnig hinter

einander herlaufen zu laſſen. Irgendwie ein Sinn
oder eine maleriſche Schönheit iſt da beim beſten Willen


und Flächenbehandlungen fahndet der Künſtler mit
krampfhaftem Bemühen, er kippt dabei aber ins
Komiſche um und ſeine bitterernſt gemeinten Symbole
muthen wie groteske und poſſenhafte Tanzfiguren an.
Nach dieſem Schema hat Tanzmeiſter Hodler alle neuen
Bilder albern ſymmetriſch komponirt. Die Weiber und
die geiſtlos hingetünchten Farben wetteifern in aus-
geſuchter und brutaler Häßlichkeit und ſo flößen die
Bilder ein äſthetiſches Grauen ein. Dabei fehlt aber
völlig die dämoniſche Ader, die ſataniſche Laune oder
gar der Humor und ſonſt eine geiſtige oder maleriſche
Würze, die das abſolut Häßliche in eine höhere Sphäre
zu vergeiſtigen im Stande wäre. Die Pleite iſt eine
vollendete.

Die anſpruchsvolle Kunſt von Klimt iſt ein ſo
ſcharf pointirtes Wiener Gewächs, daß der geſunde
Norddeutſche von dem halb blutleeren, halb füßlichen
Weſen ſich namenlos angeödet fühlt und ſich nicht als
kompetenten Beurtheiler dieſer modiſchen Siererei auf-
werfen möchte. Su begreifen iſt rein gar nicht, wes-
halb in Wien um Klimt eine wahre Sentauren- und
Lapithenſchlacht getobt hat. Da hat man es wahrlich
nicht mit einem Maler im großen Sinn zu ſchaffen.
Er iſt ein ausgeſprochener Kunſtgewerbler, raffinirter
Flächendekorateur, aparter Farbenmiſcher und ſenſibler
Nachempfinder von allen möglichen dekorativen Seltſam-
keiten verſchollener Jahrhunderte. Die bizarre Laune
und die dekadente Empfindſamkeit iſt ſein Element und
auf dem Miſtbeet völliger Entartung hat er ſein zartes
und ſpitziges Kunſtpflänzlein aufgezüchtet. Alles an
dieſer Kunſt iſt mühſam geſucht, erklügelt und ſenſationell
erkünſtelt. Es liegt ihr keine blutwarme Empfindung
oder herzpochende Sehnſucht zu Grunde, wohl aber
ein ſehnſüchtelndes Spielen mit erloſchenen oder ver-
glimmenden Trieben. Aus den bleichen Dekorationen
Klimt's klingt und ſummt von fernher ſo etwas wie
das Sterbeglöckchen einer alten Kultur. Im Uebrigen
iſt Klimt offenbar aus Mangel an ſelbſtſchöpferiſcher
Kraft in dem wohl eleganten, aber nichts weniger als
geiſtvollen Schema des Wiener Kunſtgewerbes befangen.
Die ſtarren ſchmalen weißlackirten Latten ergeben dort
die Sezeſſionslinie und die Latten fügen ſich zu Vier-
ecken und Dreiecken, die allein ſelig machen. Nur
wenn man mal phantaſtiſch oder poetiſch wird, ver-
ſteigt man ſich zu bunten Rautenmuſtern. So räthſel-
haft die Malereien Klimt's anmuthen, ſoll man doch
nichts Tiefgründiges dahinter ſuchen, keine Symbole,
keine Gedanken oder Empfindungen, ſie ſind nichts als
Dekorationen, die in der Fläche kleben und mit einem
faden Farbenbrei eingerührt ſind. Nur in den Damen-
bildniſſen hängt er mit der Natur annähernd zuſammen,
weil hier unter allen Umſtänden eine Wirklichkeit nach-
zubilden war. Bier iſt Klimt am wenigſten Maler,
hier klaviert er ein Schema ab, taucht die Geſtalten in
ein weiches Mehlaroma und arbeitet mit ſtumpfen
Marzipanfarben, die nach der mondainen Wiener Auf-
faſſung die holde Molligkeit des Weibes genugſam
fühlbar machen. Sehr anſpruchsvoll ſcheinen die
modernen Wienerinnen nicht mehr zu ſein. Daß man
ſich über die Bilder nicht den Kopf zu zerbrechen hat,
zeigt eine Schilderei mit dem ſchweren Titel „Das
Leben ein Kampf“. Und was ſieht man dad Eine
ſtiliſirte Wieſenfläche mit Gänſeblümchen, einen gelb,
grün, violett gepünktelten Hintergrund, der wie ein
polirter Marmorſchnitt ausſchaut, und davor die pech-
 
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