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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Die akademische Ausstellung in Berlin, [2]
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Ein Holzschnitt von Urs Graf
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0014

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19

Ein Holzschnitt von Urs Graf.

20

scurrilen Behaudlung das religwse Gefühl Dieses oder
Zenes verletzen.

Merkwürdigerwcise hat ein Maler die Ehre der
religivsen Kunst in Deutschland gerettet, der am wenigsteu
dazu berufen schien, ein „Saulus unter den Propheten",
dcr durch diesen gewagten Schritt indessen nicht zu einem
Paulus an seinem eigensten Kunstgenre geworden ist —
Lndwig Knaus.

Gcnauer betrachtet ist Knaus mit seinemMadonnen-
bilde freilich nicht aus seiner ureigenen Sphäre heraus-
gekommeu: „Die Rnhe auf der Flucht nach Eghpten"
ist kein Heiligenbild im transcendentalen Sinne der
alten Düsseldorfer Schule, sondern ein liebliches Genre-
bild aus dem Familienleben, wenn man will, eine
Apotheose des Mutterglücks unter einem allgemein ver-
ständlichcn, heiligen Sinnbild. Wie die deutschen Maler
des Mittelalters ihren Madonnen und Heiligen, ihren
Darstellungen aus der biblischen Geschichte einen genre-
artigen Charakter verliehen, der die überuatürlichen Ge-
stalten der Legende ihren Zeitgenossen menschlich näher
brachte, so hat auch Knaus, den religiösen Anschauungen
der Gebildeten unserer Tage entsprechend, seine Madonna
nnd das heilige Kind in ihrem Schooße rein menschlich
aufgefaßt. Wie sehr er damit den Zeitgeschmack ge-
troffen hat, beweist der ungetheilte Beifall, der ihm
— mit Necht >—- geworden ist. Freilich hat er sich,
und das ist eine zweite Koncession an den Zeitgeschmack,
gehütet, die heilige Familie in die niedere, volksthüui-
lichc Sphäre herabzuziehen, in der sich die Persouen der
heiligcn Geschichtc auf den Bildern der vlämischen
Schule uud ncuerdings auf den Bildern des Resurrek-
tionistcn v. Gebhardt bewegen. Er hat seine Madonna
vielmehr mit all' dem Glauze der Schönheit umgeben,
über welchen sein feines Formengefühl verfügt. Dazu
dcr verklärende Strahl des Mutterglücks, der Ausdruck
der Bewunderuug des kleinen Lieblings in ihremSchooße,
die zärtliche Sorgfalt, die den Kleincn vor jedem Luft-
zug hüten will — alles dieses vereiuigt sich, um diesem
einfachen Gcnrebilde einen idealen Charakter zu ver-
leihen. Und dadurch erhebt sich das stimniungsvolle
GemLlde zu der friedenspcndenden Wirkung eines An-
dachtsbildes.

Jn der Mitte des Bildes sitzt die Mutter mit
dem Kinde, in der Gruppirnng etwas an die Madonnen
Murillo's erinnernd, mit dcm auch die vortreffliche
koloristische Haltung des Bildes, besonders der grau-
goldige Ton, dcr sich über das Gaüzc. breitet, verwandt
ist. Von der Höhe, links voni Beschauer, flattert eine
Schaar hcrziger, pausbäckiger Engclknaben herab, um,
halb stauncnd, halb anbetend, dem kleinen Heiland ihre
Verehrung darzubringcn. Von geradezu bezaubernder
Lkaivctät nnd Drolligkeit ist besonders der vorderste,
der sich behutsam dem Kinde nähert und mit dcm Aus-

druck höchstlichen Erstaunens im Antlitz die Hände aus-
breitet, um seineu Kameraden gleichsam Vorsicht anzu-
rathen. Diese fast klassische Naivetät, die allen Figuren
eigen ist, ist ein Hauptvorzug des gauzen Bildes. Rechts
vom Beschauer, in einem wohlthätigen Halbschatten
geborgen, steht mit seinem Esel der Nahrvater Zoseph,
der nun einmal verurtheilt ist, eine traurige Rolle zu
spielen, und der auch auf dem Knaus'schen Bilde nicht
souderlich gut fortgekommen ist. Er gleicht einem unge-
betenen Gaste, der sich neugierig in eine fremde Häus-
lichkeit drängt. Dicse Nichtzugehörigkeit dokumentirt siä)
auch äußerlich dadurch, daß es dem Maler nicht gelungen
ist, die Figur des Joseph in einen Zusammenhang mit
der Hauptgruppe zu bringen. Die Komposition hat hier
eineu Riß wegbekommen, der das Bild in zwei an
Quautität und Qualität sehr ungleiche Hälften theilt.
Bis auf das etwas zu rosige, zu konventionelle Jnkarnal
der Madonna ist das Bild reich an malerischen Vor-
zügen. L.

Lin Holzschnitt von llrs Graf.

Dcr Bischof Hieronymus Scnltetus von Branden-
burg hat 1516 durch Melchior Lother iu Leipzig ein
Nissuls ssLunäuM rubrioaiu soolssias Lruuäsubur'
g^susis druckeu lassen, das in Küster's Libliotlisoa
lüstorioa Brs.uäsuliur§ioa (Breslau 1743) I.ib.
oup. 6, H 5 (Seite 116) beschrieben ist. Von diestm
Missale ist eine 2. verbesserte Ausgabe 1518 zu Bastl
durch Meister Jacob von Pfortzheim gedruckt wordcn,
und es befinden sich von diesem im Ganzen selten
wordenen Buche zwei Exemplare auf der St. Gotthardt-
Kirchenbibliothek zu Braudenburg a./H. Dieser Foliant
von mäßigem Format nun enthält auf der Rückstitr
seiues Titelblattes eincn ausgezeichneten Holzschnitt von
Urs Graf, der in dem „Beschreibenden VerzeichinÜ
des Werkes von Urs Graf" in Zahn's Jahrbüchern,
Band VI, Heft 3, S. 145 ff. nicht aufgeführt sti'
Das Blatt mißt in der Umrißlinie 0,275 M. Hv^
bei 0,180 M. Breite, gehört also zu den größten
Blättern des Meisters. Es stellt das Wappen dc§
Bischofs mit den beiden Stiftspatronen Petrus und
Paulus als Schildhalterndar. Der geradestehende 0,112^'
hohe Wappenschild ist quadrirt und zeigt im 1. nnd 'l-
Quartier die Brandenburger Stiftsschlüffel, im 2. und
das Privatwappen des Bischofs, nämlich im quergctheiltrn
Felde oben ein nach (hier und überall nachher heraldisch
ansgedrückt) rechts springendcs Einhorn, unten cine nach
rcchts greifende Raubvogelklaue. Auf dem Schilde rnht
rechts eine Bischofsmütze, dahinter zwei sich kreuzendr
Bischofsstäbe mit Wimpeln, auf denen die Stiftsschlüsst^
wiederkehren; links ein nach rechts schauender Helm
einem wachsenden, nach rechts schauenden Einhorn al§
 
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