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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Beavington Atkinson, J.: die Ausstellung der k. Kunstakademie in London
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Rundgang durch die Berliner Museen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0210

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411

Rundgang durch die Berlinsr Mussen.

rigem Zustande befindliches Temperabild auf Leinwand;
diese figurenreiche, dem Lueas van Leyden beigelegte
Komposilion stcllt Christus vor Pontius Pilatus dar
(141). Jm nordischen steenaissancestil sind der fein
ausgearbeitele und herrlich verZierte archireklonischeHinter-
grund und das Ornament gehalten.

Eine ehrcnvvlle Stcllung unter den Kennern nimmt
ein anderer ausgezeichneter Aussteller, ber Rev. Fuller
Russell, ein, der vor allen zuerst den geschichtlichen und
künstlerischen Werlh der präraffaelitischen Maler zn
schätzen verstand; außer ihm hatten noch zwei andere
Sammler in aufeinander folgenden Jahren die vor-
nehmsten Plätze bieses, für die Frühzeit der modernen
Malerei bestimmten Saales eingenommcn: der verst.
Mr. Barker, aus dessen Nachlaß manches werth-
voll erachtele Bilb für die Nationalgalerie angekanft
wurde, und der verst. Mr. Fuller Maitland, dessen
Sammlung nun im South Kensington-Museum auf-
gestellt ist. Von den auserlesenen Stücken aus der
Galerie des Rev. Fuller Russell ist als ein seltenes
Werk „Die Kreuzigung" (l51) zu erwähnen, insofern
es untrügliche Anzeichen des Stils von Spinello
Aretino, dem es zugeschrieben wird, aufweist. Sehr
fragwürbig dagegen erscheinen Bilber derselben Samm-
lung, die Tadbeo di Barrolo, Taddeo Gabdi und Quin-
tin Matsys beigelegt werden.

Unter den historischen Porträts wird dasjenige der
Königin Mary (171) von Lucas de Heere, einem
Vlamänber und zugleich Hofmaler, wie sein Vorgänger
Holbein, sehr geschätzt; die sorgfältige Zeichnung, zarte
Behanvlung unb köstliche Ornamentation ber Gala-
tracht sind ausgezeichnet in diesem wie in andern Bild-
nissen desselben Meisters. Das Gesicht hat leider beim
Reinigen durch Abblättern der Farbe gelitten. Gleich-
wohl zählt das Bild zu den werthvollsten Schätzen der
Gesellschaft der Alterthumsforscher. Als eine Kuriosi-
tät möge ein vom Hofbuchhändler R. R. Holmes bei-
gesteuerter „bioos troino" (158) aus der vlämischen
Schule des 15. Jahrhunderts erwähnt werden. Dies
dem Hause des Königs Theodor von Abbyssinien zu
Magdala am 13.April 1868 entnommene Bilb wurde,
der Vermuthung nach, in Spanien oder Portugal
restaurirt und übermalt, von Missionären nach Abyssinien
überführt. Ein merkwürdiges Bilb, über das viel ge-
strilten worden, ist auch der „Orss.tor Llunäi" auf Lein-
wand, überlebensgroß (269), aus der berühmten Samm-
lung des Sir William Miles in Leigh-Court. Christus,
hier als der Weltenschöpfer dargestellt, hält in seiner
Linken eine Erdkugel, in deren Jnnerem ein Licht leuchtet.
Die erhobene Rechte ist arg verzeichnet, ein Fehler, der
allein schon darthun könnle, daß an Lionarbo, bem das
Werk beigelegt wird, nicht zu denken ist. Waagen in
seineni Werke: „Kunstschätze in England" spricht die

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Meinung aus, daß dieses Gemälbe von Beltrafft"
herrühre; auch erinnert die Farbengebung unv die 2^
handlung von Licht unv Schatten an diesen Meister.

Die jeder Zeit in Englanb beliebt gewesene hollä>'
dische Schule ist durch einige vortreffliche Sachen
Teniers, Steen, Maas, Cuyp, Wynants, HobbeU^
und Ruysdael tüchtig vcrtreten. Van Dyck und Anto»^
Moro legen Zeugniß ab von der guten und reichlickb"
Beschäfligung, die sie in den Häusern Ler englisch^
Aristokratie unb Bürgerschast fanden. Wie viel
englische Schule diesen und anberen Ausländern zu
danken hat, weiß Jebermann; trotzdem ist es unverke>»^
bar, Laß, obschon Lie heimische Kunst erst späler WuE
schlug und reifte, sie boch an den AusstellungSwäE
keinen Vergleich zu scheuen braucht mit ben Meist^
stücken anderer Nalionen. Nehmen wir z. B. die wvv
bekannte Komposition Davib Wilkie's, „Das Kanin^
auf der Mauer" (77), so wird man mir zugeben müsff"'
daß er in brillanter Pinselführung unb lransparei»^
Farbenauflrag den besten Probuklionen Teniers', Osta^^.
oder Dow's gleichkommt. Und keine Frage ist es, ^
England gegen Ende bes vorigen Jahrhunderts aü)
übrigen europäischen Nalionen hinsichtlich der Port>'»s
malerei voraus war. Als Beweis dafür mögen
Köpfe von Reynolds, wie z. B. der von Nelly O'M^
(195) und die besten Porträts Gainsborough's gel»'^
welch' letzterer in bem Bildniß Paul Cobb Mcthue»
(224) ein unübertrefflich schönes Musterstück licft^
Jn der großen Historienmalerei hal sich England
gestandenermaßen stets als unzulänglich erwiesen, ^ ,
doch möchte der „Chriffus mit ber Dornenkrone"
von Hilton den besten Produktionen der zeitgenösstiui
Kunst Jtaliens völlig ebenbürtig sein. Die Koncept»'^
Zeichnung und feine Durchführung dieses Meisterwe> ^
hat den Vorschlag veranlaßt, dasselbe für die koU>!i
Akademie anzukaufen. I. Beavingto» Atkinso».

Rundgang durch die 6erliner Museen.

(Schluß.)

II.

Für dieGemälbegalerie war das verflossene

eiiü'

ein besonders glückliches. Den Erwerbungen aus -
römischen Privatsammlung: dem stattlichen Bilbniß
Calatravaritters von Sebastiano del Piombo,
jugendlichen Bildniß von der Hanb des Francia B>ü
mit dem eigenthümlich anziehenden Ausbrucke von Sch» ^
muth und dem reizenben, farbenprächligen Rundbitn
von Signorelli, welcher der besonbere Liebling
Herren von der Galerieverwaltung zu sein scheint, l ^
ten als Ankäufe auf Pariser Auklionen das Seestück
Cappelle und das Meisterwerk des Pieter de H>-"s.^
Jn den letzten Wochen sind ber Sammlung wicver
 
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