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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Guerrard, Charles: Der Salon von 1877, [5]
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Die Kunstindustrie-Ausstellung zu Amsterdam, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0422

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835

Die Kunstindustrie-Ausstellung zu Amsterdam.

836

Die Porträtbüsten sind diesmal ini Salon kaum
zu zählen; aber selbst die guten Werke hcrvorragender
Künstler geben zu keinerlei Bemcrkungcn Anlaß und
werden überdies förmlich ersäuft in dem Schwalle
mittelmäßiger und absolut schlechter Arbeiten, welchen
die Jury mit einer kaum zu billigenden Libcralität Auf-
nahme gestattete. Jm Allgemeinen wird das Bedürf-
niß lebhaft empfundcn, die aus Kosten der Qualität
von Jahr zu Jahr imnier mehr zunehmende Anzahl der
Nummern des Salons durch eine sorgfäitigere uud
strengere Kritik bei ver Aufnahme auf ein beschränkteres
Maß zurückzuführen; Kunst, Künstler und Liebhaber
werden sicherlich ihre Rechnung dabei finden, wenn eine
Reform dcs Salons in dcm Sinne einer Schaustellung
erlesener Leistungen durchgeführt und das eingerissene
Prinzip des bloßen Kunstmarktes aufgegebcn werden
würde.

Paris, im Juli 1877. Charles Guerrard.

Ne Äunstin-ustrie-Äusstellung zu Ämsterdain.

iii.

Unter den wenigen Ausstellern, welche sich an die
alknationale Kunst vorzugsweise angeschlossen haben, ist
der Antiquar Teunissen aus Amsterdam zu eiwähnen,
der ein hübsches Kabinet theils aus Bruchstücken alter
Sachen, theils mittelst neuer Hinzuthaten zusammen-
gestellt hat. Die Ausstellung altnationaler Kunstgegen-
stänve bot sehr viel Schönes, doch blieb sie hinter den
Erwarlungen zurück. Wollte man ein richtiges Bild
der altniederländischen Kunstindustrie geben, so müßte
man die bedeutenden Museen in Utrecht, Amsterdam und
dem Haag vereinigen, die vielen Einzelgegenstände aus
den kleineren städtischen Sammlungen sowie aus dcm
Privatbesitz zusammenbringen, und da dürfte vor
Allem die sehr bedeutende Kuustkammer des Barons von
Bogaert auf Schloß Heeswijk bei Herzogenbusch nicht
fehlen; würde zur Ergänzung alles, was nur von
größeren Objekten in Holland noch existirt, in Gyps-
abgüssen beigefügt, die Holzschnitzereien, Bronze- unv
Schmiedeeisenarbeiten, die Grabdenkmäler, Kamine rc.,
so müßte man staunen über die Menge dcs noch Vor-
hanvenen. Die Sammlung des Barons von Bogaert
dürfte allein schon an Reichhaltigkeit unsere Ausstellung
altnationaler Kunst übertreffen; allerdings enthält sie
vieles Zusammengekaufte, was nicht in den Nieverlanden
entstanven ist, vagegen manche Gruppen von Arbeiten
in seltener Vollständigkeit. Bei nnserer Ausstellung
nchmen wicder die schönen Mobilien eine besondere
Rangstufe ein, doch ist kaum eine kunstindustrielle Gruppc
nicht wenigstens durch einige gute Beispiele vertreten.
Spezifisch eigenthümlich ist der friesische Holzschnitzstil,
welchem wir in holländischen Sainmlungen oft begegnen

und der, trotz mittelalterlicher Reminiscenzen und solcher an
die Renaissance ein durchaus originäles Gepräge trägt;
es sind meistens einfache geometrische Flächenmuster, in
der Weise vertieft geschnitten, daß der Kontour nicht
anf einem glatten Grunb erhaben steht, sondcrn daß sich
dazwischen pyramidale Bertiefungen bilden. Mitunter
sehen solche Arbeiten aus der Mitte des 18. Jahrhnn-
derts so fremdartig aus, als ob sie aus vorchristlichen
Zeiten oder orientalischen Ländern stammten.

Die Ausstellung giebt wie alle Knnstindustrieaus-
stellungen keine genügenvc Vorstellung von dcn Fähigkeiten
der Einsender und von dem wirklichen Standpunkte des
Kunstgewcrbes. Solche Leute, wie beispielsweise van
Kempen L Söhne, sind offenbar nicht blos die vor-
züglichcn Techniker, als welche sie für ihre Silberarbeiten
die vollste Auerkennung verbienen, sondern sie vermögen
auch ohne Zweifel künstlerisch werthvolle Werke zu
schaffen; auf einer Weltausstellung, bei welcher sie nicht
blos der Liebhaberei ihrer Lanvsleute zu huldigcn brauch-
ten, würden sie sich wohl auch ihre Ehrenpreise als
Künstler zu erwerben wissen, ebenso wie die berühmte
königl. Teppichfabrik in Deventer, welche im Punkte
des Geschmacks keineswegs ihrem Ruf entsprechend
vertreten ist. Mancher sehr achtbare Kunsthandwerker
hat aus irgend welchen Gründen gar nicht oder doch
nicht seine besten Arbeiten ausgestellt, andere sehr her-
vorragende Leistungen, wie diejenigen des kartographischcn
Jnstituts im Haag ebenso wie die Pholographie, streifen
nur an das Gebiet des Kunsthandwerkes; hier wollen
wir eine Reihe von Kopien nach kunstgewerblichen Gegen-
ständen von dcr Firma Wegner L Mottn in Amster-
bam nennen. Absichtlich haben wir in unserem skizzen-
haften Bericht nur dessen gebacht, was die Holländer
selbst ausgestellt haben, ausnahmsweise erwähnen wir
aber unler den graphischen Künsten eine Sanimlung von
dänischen Ornamentproben, zusammengestellt von Prof.
Klein in Kopenhagen, welche hosfentlich im Bnchhandel
erscheinen wird.

Es will uns bedünken, als hätte die Lokalkom-
mission zu wenig in den letzten Jahren sich um aus-
wärtige Ausstellungen gekümmert; lcider haben auch, wie
es scheint, nicht einmal die Rijksadviseurs von der
Münchener Ausstellung im lctzten Jahre Noliz genommen.
So kam man hier über manche Uebelstände nicht hin-
weg, welche andernorts längst überwunden sind. Gerade
wir Deutsche und Oesterreichcr, die wir in jeder Be-
ziehung stets nüt viel ungünstigeren Verhältnissen zu
kämpfen haben, als das Ausland, die wir namentlich
durch staatliche Zersplitterung über gewisse schlechte Ge-
wohnheiten nicht hinausgekvmmen sind, welchc uns außer-
halb des Vaterlandes sehr übel gedeutet werden, haben
uns wenigstens tüchtig angestrengt und sind trotz ge-
ringerer materieller Mittel, als sie andercn Völkern zur
 
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