Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

DOI Artikel:
Ein Holzschnitt von Urs Graf
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0015

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
21

Sammlungen und Ausstellungen.

22

Helnizier. Die beiden Apostel (0,22 M. lang) stehcn
settlings hinter dein Schilde, so daß dersclbe ihre rechte,
^esp. linke Nnterparlie vervcckt. Beide haben bei nicich-
^gein Gliedcrban verhältnißinäßig sehr kleine Köpfe (9
^vpslängen) unb sind unbeschuht. Rechts steht Petrus,
""t kurzcm Vvllbart, auf der kahlen Stirn niil eineni
^leinen Kreuz gezeichnet, gcrade ausschaucnd; der Hciligen-
schein, wie die untere Scite cines flachen Pilzes aussehend,
schwebt horizontal über seineni Kopfe. Er trägt einen
schräg links gerichteten, 0,13 M. langen Schlüssel, dessen
^ch'ss er nüt seiner Rechten faßt, währenb die Linke sich
>nit energischem Grifs um bie Mitte des Stiels schlicßt.
Haltung der Figur und Ausdruck des Gesichts verrathen,
ihm das Tragen bieser kolossalen Aintsinsignie
Elwas sauer wird. Links steht Paulns mit lang herab-
^allendcm Barte und klciner Lockc auf der kahlen Stirn;

Heiligenschein schwebt schräg rechts gerichtct hinter
srinein Kopfc, der halb seitlings nach rechts gcwendet ist.
^Nd auf seinen Nachbar schaut, während mit dcm Aus-

druck

emer gewissen überlegenen Beguemlichkeit die rechke

Hand auf den Knopf, die linke anf bie Parirstange des
0,185 M. langen Schwertcs gelehnt ist, nm welches sich
flattcrnben Zipfel dcr Helmdecke herumlegen. Oben
W guer über eine Rcnaissance-Gnirlande, die in der

häi,

Ote ein 0,0125 M. langes elliptisches Medaillon mit
^neni weiblichen, nach links schauenden Kopfe trägt.

Nter Pelrus steht das Monogramm (nicht mit dcm
grbildet), unter Paulus die Jahreszahl 1518. Das
"Pier hat kein Wasserzeichcn.

Dasselbe Missale enthält anf dcm crsten der Per-
^nicritblätter, auf welche der Meßkanvn gcdruckt ist,
^ch einen 0,26 M. hohen und 0,17 M. breiten, nicht
/O abgedruckten und durch Jllumination theilweisc sehr
E^chniiertcn Holzschnitt von tresslicher Zeichnung, die
^^Pungsgruppe darstellend, in ciner etwas dürftigen
ü ^chchuft; derselbe ist unbezeichnet und rührt sicher-
vou anderer Hand her, als der dcs Urs Graf; der
dem Äohanncs hat einigermaßen Aehnlichkcit mit
i des Bürgermeisters auf der Holbein'schen Madonna.

L. 'kV.

' Kaffcl. Die permanente Ausstellung unseres Kunsl-
Thxj/'chhatte sich auch in letzter Zeit zahlreicher uud zum
^uiani ch^ werthvoller Zusendungen zu ersreuen. Nicht bloße
ÄerthSegen das schönere Geschlecht, sondern auch dcr
I ^etrefsenden Arbeiten an sich macht es zur Pflicht,
'^rbeiten von zwei Künstlerinnen in Genf, Ch.
sine und Erica Lagier hervorzuheben. Das

^Ses M-^den Gemiilde, „Nach dcm Bnd" betitxlt, stellt ein
^üiie» s"dchen dar, ivelches, den Fluthen entstiegen und im
dhsseiie» !»^^d, Üch dem behaglichen Gesühl des eben ge-
„des überläßt. Bei anmuthiger Haltung ünd
inddpcr ^d^r Beleuchtung hebt sich der schön modellirte
^°den a,,"" der umgebeiiden Vegetation wie von der am
düiig nach ^dseiteten Gewandung gut ab. Seiner Bezeich-
1 Icheint das Bild von bciden Damen gemeinsam

Sainmluiigeii »»- Äiisstelllnigkii.

gemalt zu sein, in der Weise, daß wir der einen den figür-
lichen, der anderen den landschastlichen Theil zuzuschreiben
hätten. Jst dies der Fall, so würde die feine einheitliche
Stimmnng des Ganzcn beweisen, daß sich beide Künstlerinnen
vortrefslich in die Hand zu arbeiten vcrstehen. Äuch das
anders Gemälde von E. Lagier ist eine nnerkennenswerthe
Leistung. Der Gegenstand desselben ist dem Familicnleben
entiiommen: Eine Großmutter, welche, ihr Enkelchen im Arm
haltend, zärtlich und voll Hingebung zu ihm aufblickt. DaS
Bild erinnert seiner ganzen Aüffassung nach an Darstellungen
sacralen Charakters, wozu ja auch der Gegenstand an sich
berechtigt, und hält gewissermaßen die Mitte zwischen einer
solchen und dem eigentlichen Genrebild. Jn Komposition
nnd Zeichnung, Foriiibehandlung und Malerei ist das Bild
vortrefflich. Es ist im Ganzen selten der Fall, daß man auf
neueren Ausstellungen Werken von Frauenhand begegnet,
namentlich was Figürenbildcr betrifft, während die Bluinen-
malerei, auch Thier- und Porträtmalerei hüufiger gute Ver-
tretung auch unter dem weiblichcn Geschlecht finden. Wir
wollen uns hier nicht in eine psychologische Untersuchung
darüber einlassen, ob die Thatsache, daß wir die Frauen im
Ganzen so selten auf dem Gebiet der bildenden Künste an-
trcffen, als eine Bestätigung für die Behauptung derer
gclten könne, welche jenen die schöpferische Gestaltnngskrast
überhaupt absprechen, bedenkt inan aber, daß die Kultur-
geschichte anf allen Gebieten der Künste nicht nur, sondern
auch der Wissenschaften hervorragende Frauennamen zu ver-
zeichnen hat, so wird wenigstens die Annahme keine über-
eilte sein, daß die weiblichen Talente zahlreicher zur Geltung
kommen würden, wenn sie frühzeitig eine gründlichere und
vielseitigere Ausbildung fänden. JÜdenfalls bestütigen obige
Arbeiten auf's Neue, daß es den Frauen auch für dns höhere
Kunstfach an Begabung nicht fehlt. Unter den übrigen
Novitäten der Ausstellung nimmt zunächst eine in hiesigem
Privatbesitz befindliche Sammlung von Werken aus dem
Nachlaß des hochbegabten nnd seiner Kunst durch den
Tod allzu früh entrissenen Adolf Northen in Düssel-
dorf das Jnteresse in Anspruch. Es sind kleinere und
größere mehr oder weniger ausgeführte Oelbilder und Skiz-
zen, meist dem Gebiet des Kriegsgenres und der Schlachten-
malerei angehörend, welches durch jenen so hervorragende
Vertretung fand; eine interessante Kollektion, die, obwohl zum
Theil unvollendete Arbeiten enthaltend, die außerordentlichc,
hier und da an das Dämonische grenzende Gestaltnngskraft
disser originellen Künstlernatur in lebendigster Weise ver-
anschaulicht. So die „Schrecken des Kriegs", die Scens aus
dem Freiheitskriege und die Reitergefechte aus dem Kriege
von 186i>. Auch einige Darstellungen aus dem deutsch-
französischen Kriege der letzten Jahre sind von außerordent-
licher Naturwahrheit, wie letztcre überhaupt das charnk-
tcristische Merkmal fast aller Werke des Künstlers ist, mögen
sie leidenschaftlich bewegte oder ruhige Scenen und Moinente
darstellen. Northen schildert das heftigste Kampfgewühl wie
das einfachste Situationsbild (wie z. B. die rothen Husaren
im Wald, die Mönche auf dem Schlnchtfeld, die Seenc aus
dcm Rückzug von 1812) mit gleicher Meisterschaft. Auch
seine Darstellungen aus Shakspeare und Walter Scott, seine
romantischen Genrebilder aus dem Zigennerleben, seine Thicr-
stücke rc geben Zeugniß von deni ungewöhnlichen Talent des
Künstlers. Seine lebhafte Phantasie gestattete ihm leider nicht
immer die wünschenswerthe Ruhe zu sorgfältiger Ausführung
seiner Konzeptionen, und er bleibt oft in einer oberflächlichen
und derben Art und Weise der Behandlung befangen, aber
die lebensvolle Auffassung entschädigt immer sür diese Mängel,
und wo es ihm um Lie Ausarbeitung zu thun ist, bemeistert
er auch diese. So ist z. B. sein „Transport französischer
Gefangener" ein Bild von feinster Charakteristik Vortresf-
lich in ver Stimmung ist auch „der Uebertritt der Bourbaki'-
schen Armee auf schweizerisches Gebiet " — Jm Porträtfach sind
uicht allzu viel gute Arbeiten zu nennen. Faft scheint es,
als ob man sich in dieser Richtung immer noch einer gewissen
Konkurrenz mit der photogrnphischcn Maschine befleißige, ob-
schon es doch namentlich hier in dcn zahlreicheu Werken der
alten Meister, wie sie unsere Galerie enthält, nicht au muster-
giltigen Vorbildern von edlerer Auffassung fehlt. Ueber die
höhere Aufgabe des Pocträtmalers ist viel geschrieben worden,
und wir wollen nicht Eulen nach Athen tragen, indein wir
versuchen, Neues darüber zu sagen. Nur mag hier an ein
 
Annotationen