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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Das Rubensfest zu Antwerpen, [1]
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Sträter: Rembrandt-Ausstellung in London
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0397

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785

Rembrandt-AuSstellung in London.

786

Fußgängern mit hohen Stocklaternen begleitet, durch
die Straßen, in denen die Menschenmassen nicht zur
Ruhe kommen wollten.

Am Sonntag sollte nun das eigentliche Rubensfest
beginnen. u. 6.

Nembrandt-Äusstellung in London.

Jm LnrlinZ-ton öns urts olut) hat während der
letzten Monate eine Ausstellung stattgefunden, die das
lebhafteste Interesse der kunstliebenden Kreise hervor-
rief, und wie wir eine solche auf dem Kontinent noch
nicht erlebt haben. Es handelte sich nämlich um eine
Ausstellung von 214 auserwählten Radirungen von
Rembrandt, zu der — wohl nur mit Ausschluß des
Herzogs von Buccleugh — die hervorragendsten Sainm-
ler Englands und Herr Dutuit aus Roueu Beiträge
geliefert hatten. Bcreits vor lO Iahren hatte derselbe
Club eine ähnliche Ausstellung von Rembrandt's Ra-
dirungen veranstaltet. Die gegenwärtige unterschied sich
aber von allen bisherigen, einschließlich der von Man-
chester im Jahre 1857 und der von Leeds im Jahre 1868,
dadurch, daß die Leiter derselben, namentlich Herr Sey-
mour Haden, der geistreiche Radirer, unter Mitwirkung
des Revd. C- H- Middleton, den Versuch gemacht
hatteu, Rembrandt's Radirungen nicht nach der bis-
herigen, von Bartsch und seinen Nachfolgern befolgten
Methode nach dcn GegenstLndcn, sondern nach der Zeit
ihrer Entstehung, also chronologisch aufzustellen.

Die Richtigkeit dieser Anschauungsweise springt in
die Augen, da auf diese Art gewissermaßen eine Natur-
geschichte der von dem unvergleichlichen Meister der
Radirnadel hervorgebrachten Schöpfungen in ihrem En'.-
wickelungsgange vorgeführt wird. Da abcr von den
350 Radirungeu, die Rembrandt zugeschrieben werden,
nur 142 mit seincm Namen, 62 blos mit seiuem Mono-
gramm versehen sinb, 152 aber weder Namen nach Datum
haben, 179, also mehr als die Hälfte, nicht mit Datum
ausgestattet sind — wie der unermüdliche Herr Middleton
ausgerechnet hat — so gehört eine tiefe Einsicht in
Rembrandt's Wirken dazu, um diese so schwierige Auf-
gabe zu löseu. Nach meiner Ansicht hat das Aus-
stellungskomits dieselbe schr gut gelöst, besser als selbst
Herr Vosmaer in der neuesten Auflage seines Werkes
über Rembrandt. Wir nüissen indeß hervorheben, daß
lctzterer cinen starken Anstoß für die Erörterung dieser
Kapitalfrage gegeben.

Herr S. Haden hat zu dem Katalog der ausge-
stellten Blätter cine Einleitung geschrieben, die seine
gründlicheKenntniß Rembrandt'scher Radirungen bekundet.
Er bezweifelt, daß eine erhebliche Anzahl derselben
bis zum Iahre 1639 ganz oder selbst nur theilweise
Rembrandt's eigene Arbeiten seien, selbst solche, die mit

Rembrandt's Monogramm oder Namen bezeichnet sind.
Er meint, daß dieselben von seinen Schülern herrühren,
wie I. v. Vliet, Bol, Livens, I. de Weth, de Poor-
ter u. s. w., die, wie wenigstens die Statuten der
Haager St. Lucas-Gilde bestimmten, so lange sie in
der Schule waren, ihre Arbeiten nicht mit ihrem Namen
bezeichnen durften, sondern sich durch den ihres Meistcrs
— hier Rembrandt's — deckten. An zwei Beispielen,
der großen Kreuzabnahme, B. 81, und dem Itioos Iiomo
in der Höhe, B. 77, sucht Herr Haden mit beigefügten
Jllustrationen nachzuweisen, daß, wenn auch die Kompo-
silion dem Rembrandt zugcschrieben werden muß, die
Ausführung dem Livens angehörl. Nun kann man
nicht leugnen, daß die schwerfällige, fast handwerksmäßige
Arbeit dieser Radirungen, die nach meiner Meinung
zum Einrahmen bestimmt waren — als Konkurrenz der
nach Rubens von Vorsterman und BolSwert glänzcnd
gestochenen Blätter, — nicht auf der Höhe Rembrandt-
scher Leistnngsfähigkeit stehen, aber Herr Middleton bc-
merkt in seinen Notss ot' tlio stolisck vorlc ot Lom-
di'iwät, daß Livens zur Zeit der Herausgabe dicser
Blätter nicht in Holland lebte. Ich kann auch nur der
Meinung Middleton's beitreten, wenn er Haden's Be-
hauptung, daß der barmherzige Samaritaner, B. 90, von
Bol radirt sei, entgegnet, daß in Bol's anerkannten
Radirungen niemals die Höhe des geistigen Ausdrucks
erreicht sei, wie er in dem Gastwirth auf diesem Blatt
sich ausspricht. Denselben Einwurf möchte ich für den
h. Hieronymus, B. 101, geltend machen, da der geistige
Ansdruck in dem Heiligen weit über Bol's Horizont
hinausgeht. Haden's Bemerkungen über die schwache
Zeichnung des Beiwerks auf beiden Blättern sind ganz
trefsend; aber wir dürfen nicht vergessen, daß Rem-
brandt im Jahre 1632—1633 erst 26 Jahre alt war,
also noch manches lernen mußte; daß er damals offen-
bar noch keinen Löwen gesehen hatte, den er 20 Jahre
später in seineiu großen heil. Hieronymus, B. 104, und
in seinen Zeichnungen mit so intensiver Naturwahrheit
dargestellt hat. I. Silvius, B. 266, vom Jahre 1633
gleicht in der Arbeit der Abnahme vom Kreuze; viel
höher steht derselbe Mann vom Iahre 1646. Die
Berge des Hintergrundes auf B. 104 sind einer Zeich-
nung von Tizian entnommen, die vor einigcn Jahren
in London zu seheu war. Herr Haden meint, daß
dieses auch in andern radirten Landschaften Rembrandt's,
z. B. bei B- 235 und B. 237, geschehen sei. Jch
möchte das uicht unterschreiben. Der Bewohner von
Leiden und Amsterdam wird allerdings kcinen Begriff
von einem Berge erhalten, selbst wenn er auch die bei
Egniont am Zee bis zu 200' sich erhebenden Dünen
gcsehen hat. Aber Rembrandt hat Berge gekannt;
denn in dem Berliner Museum befindet sich eine Zeich-
nung von Rembrandt mit dem steit sich aus der Ebene
 
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