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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Die Kunstindustrie-Ausstellung zu Amsterdam, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0423

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837

Vennischte Nachrichten.

838

Verfügung stehen, leistungsfähig geworden; von uns
können die Holländer ebcnso viel lernen, wie wir von
ihnen, und sie sollcn eS thun. Holland ist wie wir
darauf angewiesen, den Schwerpunkt in Handel und
Jndustrie auf die eigenen Landeserzeugnisse zu verlcgen,
mit eigencm Kapital zu wirthschaften und vor Allem
die geistigen und künstlerischen Gaben zu pslegen; wie
man das macht, können die Holländer bei uns sehcn,
und wenn sie lernen wollen, dann dürfen sie unsere
schwer genug errungcnen Erfolge nicht ignoriren.

Jn meinem holländischen Wörterbuch fand ich zu
meiner Ueberraschung dcn Begriff „deutsch" Lbersetzt mit
„ehrlich, aufrichtig, lumpig", und als ich nach dem
Begriff „Holländer" suchte, da stand „Butter- und Käs-
bauer". Das sind sehr charakteristische Aeußerungen des
Volksgeistes, in welchen sich die ganze protzige Gesinnung
der Plutokratie ausspricht, und die Herrschaft des Reich-
thums ist in Holland der Krebsschaden in allen Ver-
hältnissen, wie anderswo die Armuth. Diese Begriffe
„deutsch" und „holländisch" stammen freilich aus einer
Zeit, in welcher der Holländer vorherrschend Bauer,
nicht aber Kaufmann war und der Westfale als Schnitter
hinüber kam, um dem Holländer die Wiescn zu mähen;
indessen ein gutes Stück von der protzenhaftcn Selbst-
überschätzung gehört doch noch zu den Jngredienzien des
sonst sehr achtbaren holländischen Lokalpatriotismus und
äußert sich am mcisten und schrofssten uns Deutschen
gegenüber, von denen man nichts lernen zu können glaubt,
weil man sie sür Hungerleiver hält. Das ist zwar nicht
die vorherrschende Meinung der Gebildcten, aber die
sehr verbreitete Gesinnung der Emporkömmlinge, welche
jeden Menschen nur danach beurtheilen, was er aus-
giebt, nicht nach dem, was er leistet; selbst dem Ge-
bildeteren hängt mitunter etwas von dieser Protzerei an,
wie aus manchen persönlichen Angriffcn im Lebcn wie
in der Presse zu ersehen ist, die der Deutsche dort er-
leiden muß.

Weil der Holländer selten aus seinem Lande heraus-
geht, jedenfalls nicht um zu lernen, sondern höchstens um
Geschäfte zu machen, oder auch, wenn er nichts taugt, so
bleibt er in allen Dingcn hinter anderen Völkern zurück,
welche regsamer sind als er; deßhalb auch erblickt der
ohnehin sehr brodneidische Kleinstaatler in jedem Fremden,
der sein Land bewohnt, eincn hergelaufenen Thunichtgut,
der ihm das Brod vor der Nase wegnimmt. Daß der
Deutsche, selbst wenn er's gottlob nicht nöthig hat, auch
nach Holland geht, um zu lerncn, ist dem Kleingeistigen
so unverständlich, daß er ihn der Spionage verdächtigt;
nicht wcnige beglaubigende Zeitungsartikel ließen sich
hiefür beibringen.

Das Alles sind ungesunde Verhältnisse, die man
dort allmählich überwinden muß, und so dürfen wir
im Ganzen die Amsterdamer Kunstindustrie-Ausstellung

als cine der vielen Bemühungen zu Gunsten einer
frischeren Kulturentwickelung in Holland lobend aner-
kennen, wenn sie auch im Einzelnen ihre Schwächcn
hat. Wir wollcn nicht auf diejenigcn hochmüthig hcrab-
sehen, die sich aus dcm gleichcn Sumpf herauszuarbeiten
suchen, in welchem wir vor noch nicht allzulanger Zeit
selbst gesteckt haben, wir wollen nicht im Voraus durch
unliebenswürdiges Absprechen das Volk von uns stoßen,
dessen Schwächen wir viel mehr zu studiren und an
die große Glocke zu hängen Pflegen, als seine vielen
Vorzüge, anstatt die natürlichen Bande geistiger und
künstlerischer Verwandtschaft enger zu knüpfen und eine
edle Freundschaft zu Pflcgen. Möge die in fünf Jahren
zu erwartende Eröffnung des neuen Reichsmuseums in
Amsterdam uns das künstsinnige Holland in seiner ganzen
Größe zeigen und einen kräfligen Fortschritt bcmerkcn
lassen! II. 0.

Vcrmilchte tlachrichten.

Dcr Dom zu Limburg. Unser siebenthürmiger, auf
schrosfem Felsenplateau ani Ufer der Lahn zu Ehren des
heiligen Georg erbauter Dom — schreibt man der Augsb.
Allg. Zeitg. — hat in den bedeutendsten Werken über christ-
liche Baukunst allseitig Lob und Bewunderung gefunden als
eines der vollendetsten Bauwerke mittelalterlicher Kunst.
Als Erbauer wird ein Graf Heinrich (aus dem noch blühen-
den Hause der Grafen von Jsenburg) genannt; des Bau-
meisters Name ist nicht aufgezeichnet. Der Bau mag nicht
vor Beginn des dreizehnten Jahrhunderts seinen Anfang
genommen haben, und dieser seinesgleichen in den weiten
deutschen Landen suchende Prachtbau 'wurde 1235 vom Erz-
bischof Theodorich von Trier eingeweiht. Da die Wieder-
herstellungen stets die Architektur verschonten, hat der Bau
seins ursprünglichs Schönheit vor jeder sremdartigen Ver-
mischung bewahrt. Dagegen hat die in dsn vierziger Jahren
unseres Jahrhunderts vorgenommene Restauration, bei der
das ganze Jnnere weiß übertüncht wurde, dem Dom das
Gepräge trostloser Nüchternheit aufgedrückt. Erst unseren
Tagen blieb es vorbehalten, dieses Leichentuch wieder zu
beseitigen und das alte frische Leben hervorzuzaubern. Die
vom Bischof vr. Peter Josef Blum in Aussicht genommene
gründliche Erneuerung wurde nach der Annexion Nassaus
an Preußen 1889 lebendig aufgegriffen. Baumeister Hubert
Stier aus Berlin fertigte die Restaurationsentwürfe in
großem Maßstabe. Die Ausführung begann unter Leitung
des erfahrenen Dom- und Diöcesanbaumeisters Augener
hier. Zuvörderst wurde die häßliche hölzene Galerie, welche
die beiden Hauptthürme in Brückenform unter den Dach-
giebeln verband, beseitigt; dann wurde die feuergefährliche
Thürmerwohnung aus dem südwestlichen Thurm entfernt.
Dasselbe gsschah mit dem ehemaligen Remter, ebenso wurde
der aus dem vorigen Jahrhundert stammende häßliche An-
bau der alten Sakristei abgelegt. Die Restauration erstreckte
sich aber auch auf das Jnnere der dreischiffigen Kirche mit
ihrer schlanken, reich gegliederten romanischen Pfeileranlage,
welche organisch mit dem darauf ruhenden Spitzbogengewölbe
verbunden ist. Die Restauration im Jnnern bezweckte:
Raum zu gewinnen, eine entsprechend stilgemäße Dekoration
der Gewölbe und Wände mit Einschluß der Fenster herzu-
stellen und die stilwidrigen Geräthe durch stilgemäße zu er-
setzen. Es würde zu weit führen, die zahlreichen inneren
Restaurationsarbeiten (wie: Uebertragung der hohen Chor-
schranken in die Apsis, dis Verlegung des Hochaltars unter
den arouo triumplmkts, die Verfetzung des alten, wegen
.einer eigenthümlichen Skulptur hochinteressanten Taufsteins
rc.) hier weiter auszuführen. Freunde christlicher Baukunst
und speciell des sogenannten Uebergangsstils, welcher bei
unserem Dom das Hochstrebende uno Lichte des gothischen
Stils mit der Sicherheit und Solidität des romanischen Stils
 
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