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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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703

Kunstliteratur,

704

kunstliteratur.

Die Bauhüttc. Eine Sammlung architektonischer De-
tails, herausgegeben von H, Herdtle, Arch,, Prof.
am k, k. österreichischen Museum in Wien. Ver-
lag von W. Spemann in Stuttgart. I. Heft.
1877. 4°.

„Um einem dringenden Bedürfniß abzuhelfen", er-
scheint socben, von Prof. Herdtle herausgegeben, unter
dem angegebenen Titel eine Sammlung von Theilen
ausgeführler neuer Bauwerke. — Der leider zu früh
vertzorbene B. Teirich hat nns mit den besten Schöpfungen
des Cinquecento im Gebiete der Dekoralion und Orna-
mentik, die zum großen Theil weder aufgenommen noch
veröffentlichl waren, -bekannt gemacht und damit einen
ganz enlschieven günstigen Einfluß auf unsere künstlerischen
Bestrebungen ausgeübt. Sein Nachfolger meint besser
daran zu thun, wenn er nur unter den Werken unserer
modernen Korhphäen eine Auswahl trifst und diese in
hübsch ausgeführten Auiographien in Quartformat ver-
öffentlicht. Wir müffen gestehen, diese Publikation hat
uns in mehrfacher Hinsicht befremdet. Man ist gewöhnt,
daß Alles, was vom österreichischen Museum ausgeht,
entweder in kunstwissenschaftlicher oder künstlerischer Be-
ziehung neues, interessantes, dieKunst förderndesMaterial
bietet, und dies immer in vorzüglicher Form und Aus-
stattung. Allerdings hat das vorliegende Werk nicht
die spezielle Unterstützung des Museums zu genießen,
aber man sollte meinen — und so war es . bisher
Usns, — daß die an dieser Schule wirkenden Kräfte
auch in ihren Privatschöpfungen den Zwecken der An-
stalt fördernd und ehrend entgegenkommen. Bei oben
angeführter Novität kann dies der Tendenz wie dem
Jnhalt nach kaum gesagt werden. Schon der vor
einigen Wochen erschienene Prospekt mit seinem höchst
geschmack- und stillosen Titelblatt erregte in hohem
Grade unser Erstaunen — für den ersten Blick glaubte
man die zahlreichen architektonischen Hilfswerke der
Lehrer mitteldeutscher Gewerbeschulen um eine vermehrt
zu sehen — und dieser Prospekt belehrte uns zugleich
über den Jnhalt der „Bauhütte" titulirten Samm-
lung. Unter alphabetisch geordneten Schlagworten sollen
Darstellungen von ,,Anker(?), Akroterie, Arkade, Attika,
Balustrade, Bank, Balkon u. s. f. bis Wasserspeier und
Zwickelfüllung — gegeben werden, wonach der Titel
richtiger mit „Jllustrirtes Lexikon für Architekten und
solche, die es werden wollen", gewählt gewesen wäre.
Die Wahl jenes Namens ist auch in anderer Beziehung
auffallend. Unter „Bauhütte" versteht man im Allge-
meinen eine Bereinigung von Männern des Baufaches,
welche, um einen allgemernen oder speziellen künstlerischen
Zweck, der sie alle in gleicher Weise bewegt, zu fördern,

sich gleichsam unter einer Hütte zusammengethan haben
zu einer enggeschlossenen Gemeinschaft. Will uns etwa
der Herr Herausgeber glauben machen, daß die Archi-
tekten, deren Werke er anführt, sein Blatt für die Ver-
öffentlichung und Verbreitung ihrer künstlerischen Jdeen
gewählt haben? Und weiß Herr Professor Herdtle
nicht, daß seit 14 Jahren an den beiven Wiener Bau-
schulen eine solche, ihren Namen „Bauhütte" mit Rechi
führende Vereinigung besteht, welche sich zur Aufgabe
macht, alte und neue Werke aufzunehmen und zunächst
unter sich, aber auch für die große Oeffentlichkeit der
Architektenwelt zu vcrvielfältigen? Daß dieser Vcrein,
der manch' kostbare Aufnahmc unter seinen Publikationen
hat, von den Professoren der technischen Hochschule und
der Akademie unterslützt und geförbert und vom Staate
subventionirt wird? Uno trotzdem verschmäht er cs
nicht, durch Lie Wahl desselben Titels dercn Bestrebuugcn
in ostentativer Weise Konkurrenz machen zu wollen?

Gehen wir näher auf den Jnhalt dieser „Bau-
hütte" ein, so dürfen wir vor Allem nichl verschweigcn,
baß wir die Veröffentlichung moderner Details in>
Prinzip nie empfehlen können. Wenn Grundrisse und
ganze Fayaden unserer Wohngebäuve, Zinshäuser und
Paläste im Buchhandel erscheinen, so ist das für jeden
Fachmann von großem Jnteresse, weil gerade in diesew
Gebiet unsere spezisisch modernen Aufgaben liegen, welche
frühere Zeiten nicht gekannt haben, und bei deren Lösung
unserp Architektur ganz selbständig und originell auftreten
muß. Anvers aber ist cs mit dem Detail, sowohl deM-
jenigen der einzelnen struktiven und dekorativen Glie'
derungen, als auch ganzer verbnndener Motive, wie
Thüreinfassungen, Fenster, Portale n. s. f., welche i>u
Allgemeinen noch heute dieselben Aufgaben bilven, wie sie
zu allen Zeiten vorgelegen haben unb gelöst worden siuv'

— Wenn auch unsere modernen Künstler, wo sie iu
ihren Werken die alten Motive nicht direkt benutzen,
dieselben in eigenartiger Weise, ihren Anstchten und
Zwecken entsprechenv, umgebildet haben und Manchcs
darunter mit Recht neben die besten Schöpfungen jencr
verflossenen Kunstepochen gestellt und als Borbild vcr-
öffentlicht werden könnte, so scheint es uns doch, daß
das Studium der baulichen Einzelheiten immcr noch

! fruchtbarer an der Quelle selbst getrieben wird, als au
den Nachbildungen derselben. Wo würde unsere Archi-
tektur hingerathen, wenn sie ihren Halt und ihre StützV

— vorläufig wenigstens — nicht immer wieder in jeneU
goldenen Zeiten der Antike und des Mittelalters fände,
in jenen Zeiten, wo die vollendetste künstlcrische Auf-
fassung des Zwecklichen, der feinste Geschmack und die
vollkommenste Kenntniß der Technik mit dem bewuu-
derungswürdigsten Maßhalten sich vercinigten um gerade
im Detail und in der Kleinkunst Gebilbe zu schafseu,
die bisher mit Recht als mustergiltig für alle Zeiteu
 
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