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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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447

Kunstliteratur. Sammlungen und Ausstellungen.

448

spätfranzösischen Renaissancegebaut; dieFenster des dritten
Stockes legen sich etwas schwer auf die dreieckigen Auf-
sätze der Fenster des zweiten Stockes. Anerkennung ver-
dient, daß man endlich für den Schmuck der Erker und
der Thüren feinsten gediegenen Marmor aus Trient
verwendete, und auch bei anderen Privatbauten zu ver-
wenden beginnt, während man sich früher allgemein
mit der Kneterei aus Mörtel begnügte, die dann den
Leuten auf die Köpfe fiel. Wundern muß man sich nnr,
warum man das Matcrial von jenseits des Brenners
bezieht, während die nördlichen Alpen die herrlichsten
Marmorarten bieten; freilich fehlen die geschickten und
fleißigen italienischen Arbeiter.

Werfen wir noch auf einige äliere Werke der Kunst
eincn Blick! Zu Buchenstein, südlich von Brunecken im
Pusterthal, halte sich 1436 eine Bruderschaft von Flagel-
lanten gcbildet, die einen eigenen Altar stiftete. Dieser
wurde nun, freilich arg beschädigt, vom Grafen Euzen-
berg angekauft, um nach der Restauration in der Ka-
pelle seines Schlosses aufgestellt zu werden. Es fehlt
der Aufsatz und die Hauptsigur in der Milte, dem
Vernehmen nach eine Madonna. Rechts steht die hei-
lige Katharina, links Barbara auf damascirtem Gold-
grund, etwa zwei Drittel Lebensgröße; das Beste ist
wohl die dekorative Einfassung von Ranken und Stäben.
Die Gemälde an der Außenseite der Flügel sind stark
beschädigt; auf dem linken sehen wir Maria als die Pa-
tronin der Bruderschaft, zu ihren Füßen knien Flagel-
lanten: Männer und vermummte Weiber. An der
Vorderseite der Mensa wird hinter bemaltcn Flügeln
die Geburt Christi sichtbar. Der Altar ist gute Hand-
werksarbeit, ohne höheren Kunstwerth.

Mehr Beachtung verdient ein Gemälde von J.Koch,
im Besitze des Grafen. Höhe 23 Zoll, Breite 20. Es
ist eine Abendlandschaft, der Himmel etwas wolkig mit
der Mondsichel. Jm Hintergrunde sehen wir zwei Glet-
scherhörner zwischen den Coulissen waldiger Berghänge,
an denen rechts Nebel hinziehen. Ein Fluß rinnt schräg
aus der linken Ecke des Bildes in den Mittelgrund,
den zwischen Obstbäumen eine Ortschaft mit zwei Kirchen
einnimmt. Aus dem buschigen Vordergrunde treibt ein
Hirt mit der Schalmei die Heerde heim. Das schöne
Bild trägt keine Jahreszahl und dürfte wohl der ersten
Epoche Koch's angehören.

LunMteratm'.

vr. Eugcn Drehcr, Die Kunst in ihrer Beziehung
zur Psychologie und zur Naturwissenschaft.
Eine philosophische Untersuchung. Zweite vermehrte
und verbesserte Auflage. Berlin, G. Hempel. 1875.
8. 64 S.

Wenn vorliegendes Büchlein in der That eine
zweite und zwar eine verbesserte Auflage ist, so niuß

es doch noch eine recht erkleckliche Anzahl von Mensch>»
geben, die mit Vorliebe nach einem Buche greifcn,
unter der Flagge der Philosophie fährt, und die das
so respektfordernder Weise Dargebotene gläubig h'"'
nehmen. Wir finden hier nur eine Kette von unb^
wiesenen Behauptungen, vereinigt mit Ergebnissen »>>
Naturwissenschaft, aui welche eine psychologische Hypvth^
angewendet werden soll, des Jnhaltes, daß die Scc^>'
dualistischer Natur ist, daß wir eine bewußte und c>»^
unbewußte Seele besitzen.

Hierbei wird uns folgendes Kunststück zugernuth^
(S. 55): „Wenn wir unsre bewußte Seele unsrer »>u
bewußten Seele gegenüberstellen, so wollen wir ra»>^
durchaus nicht verneinen, daß unsre unbewußte Scc^^
sich nicht selber bewußt sein kann" — eine unbcwnj!»
Seele, die sich selber bewußt ist — möchte eine
reicherung der Psychologie sein, für welche sich
Psychologen bedanken müssen. Sie hatten bisher >h^
liebe Noth, mit der einen Seele fertig zu werden
jetzt stehen ihnen zwei zu Gebote und zwar in so »c>'
ständlichem Verhältnisse zu einander! Für die Ku»u
anschauung des Verfassers sei nur auf seine Bemerk»»^
hingewiesen, daß einerseits „ein Hauptmerkmal
Kunst darin liege, daß sie das Angenehme zu verew>A^
strebe", andererseits jeder Kunstschöpfung, auch ^
elementarsten, eine Jdee zu Grunde liege, welche er »>)
„eine Abstraktion, das will sagen: etwas Allgemei»^
faßt. Soll z. B. in der Malerei die von ihr gegebc»'
Vorstellung in eine „bestimmte Jdee übersetzl" werdb»'
so „kann die Kenntniß der Geschichte (GeschichtsinalcrcH'
wie die der Lebensverhältnisse (Genremalerei), sowie »»
der Natur (Landschaftsmalerei — Stillleben) sagc» '
wie das zu machen sei. Da das aber selbst bei dicfl'
Kenntniß doch nichc immer zum Zwecke führen niöch^'
macht der Verfasser die höchst praktische Bemerku»ö'
„Jn jedem Falle ist ein mit den nöthigen Notizcn »s»,
sehener Katalog erwüuscht." Arnie Maler! Wie >»»^
es,wenn ihr,stalt diese „Uebersetzung"venKatalogverfalsc''
zu überlassen, jedem Bilde lieber gleich selbst eine b>'
gende anhinget, damit Kunstwerk und Kunst durch
authentischsten „Notizen" zum Verständniß kämen?

V.

Lammlkmgen und sAnsflrllungeu.

j s Oesterreichischer Kunstverein. Jm Februar
halben März beherrschte ausschließlich Liezen-Mayer sn
Ausstellungsräume. Seine Faustkartons zu der erst i»»»,z
in der „Chronik" besprochenen Prachtausgabe von Goet>?.,,
„Faust" (bei Stroefer L Kirchner in Müncheni fandcii
Wien ein ebenso dankbares Publikum und eine ebenso frs.» „1
liche Kritik wie in München. Die mehr realistische Auffasl»
giebt den schon oft dargestellten Scenen, so namentlich ve>
mit Gretchen, einen besonderen, sür die künstlerische
pretation der Dichtung nicht unvortheilhaften Reiz, da v» ^
die seelischen Momente deutlicher in den Vordergrund >>( ,,,
und das Jndividuelle dsr Erschemungen prügnanter '
Ausdrucks gelangt. Es würde schwer fallen, unter den f»'
 
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