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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [5]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0055

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Die nkademische Kunstiiusstellung in Berlin. — Sammlungen und Ausstellungen.

102

101

^ erlegen ist. Knaus erscheint nebcnDefregger geschminkl
^ hält sich Defregger nicht immer an die kerngesunde
s>tnr. Die Köpfe seincr Figuren zeigen bisweilen eine
^nkliche Blässe, seine Tiroler schen aus, als ob sie
^ viel Arsenik gegessen hätten, währcnd die Knaus'schen
n"ern bisweilen an einem allzu rosigen Teint leiden
etwas von der Farbe ihrer ledernen Geldbeutel
^genoinmen haben.

Eines der brillantesten, koloristischen Effcktstücke,
"che die neuere Kunst hcrvorgebracht hat, verdankt die
i vGellung der Hand des Bcrliners W. Gentz, der da-
>n die erste Neihe unserer Oricntmaler hinaufgerückt
^ ' Es jst zugleich neben der Knaus'schen Madonna
^ ^nzige Bild, welches auf die Bezcichnung „sensa-
^>Nell" Anspruch machen darf. Es hat jedoch diese
^ttchnung nicht um einen vcrwerflichen Preis oder
^"ch unkünstlerische Mittel erkauft. Die dritte und
welche dem Künstler zu Theil ge-
°vden, mar ein verdienter Ehrenpreis. Das Bild
zu jcncr Klasse von Bildern, die man ebenso
^ in das Gebiet der Landschaft wie in das des Genre's
^"un kann. Die beiden Achenbach's haben diese innige
^^bindung von Staffage und Landschaft, dcn organischen
^»sanimenhang zwischen der belebten und unbelebten
/"r zu einem der obersten Principien ihrer Kunst
hnben und darin eine Reihe hochbegabter Nachfolger
k nden, die gerade auf der diesjährigen Ausstellung
nusgezeichnete Werke vertreten sind. Das Gentz'-
stellt den Einzug des deutschen Kronprinzen
^erusalem (1869) dar. Es muß um die Mittags-
denn die Sonne schießt ihre glühenden Pfeile

^ sein,

^ aller Kraft auf die staubbedeckte Landschaft. Der
<3ng, der durch eine Abtheilung türkischen Militärs
r wird, bewegt sich von einer staubigen Anhöhe
^ab. Die letzten Glieder desselben sind durch die
^chtigen Staubwolken ganz verhüllt. Von der Höhe
sta/,° Hürzt das Volk in eiligem Laufe, um den fremden,
Nou Königssohn in der lichtblaucn Dragoneruniform
M sehen. Der Kronprinz, dessen schlanke
vtttet'" einem langen weißen Burnus umwallt ist,
M. der Mitte des Zuges, der gerade auch in der
der Bildes angelangt ist. Er grüßt feierlich mit

Hand

^aber

die auf beiden Seiten Spalier bildenden

Täil? ihreu farbenreichen Kostümen, die, mit riesigen
y^j ^dalmen >u der Hand, sich vor dem Prinzen nach
hj^^'scher Sitte bis zur Erde neigcn. „Die Anderen
^n Ni von pxn Bäumen und streueten sie auf

an Dieses Wortes und eines anderen Einzuges

/ttsanie

ttnselben Orte muß ich gedenken, wenn ich das
benj.^^/' hhantastische Schauspiel immer von Neuem
erw/" dian kann sich kaum dieser Jdeenassociation
schon^'" Damals schien sich die orientalische Kultur
'haeni Untergange zuzuneigen, und heute nach

länger als 1800 Jahren sitzt noch dasselbe Volk auf
den ereignißreichen Stätten, von denen eine neue Welt-
religion ausging. Jn diesem Kontraste der orienta-
lischen und abendländischen Kultur, die durch den deutschen
Königssohn repräsentirt wird, liegt nicht der geringste
Reiz des Gentz'schen Bildes. Es erhebt sich dadurch
über den Werth einer bloßen Erinnerungstafel zu cinem
tiefsinnigen Symbol- Jm sonnenlichten Hintergrunde
des Bildes ragen die Mauern und Zinnen der Stadt,
auf welche sich die glänzcnde Cavalcade hinbewegt.
Ganz rechts im Vordergrunde sitzt unter Bettlern und
Krüppeln der geniale Maler auf einem Esel und fixirt
das bunte Schauspiel in seinem Skizzenbuche.

AdolfMenzel, ein seltener Gast, hat das kleine
charakteristische Bildchen ausgestellt, welches den denk-
würdigen Momcnt des 31. Juli 1870 verewigt, als
der König von Preußen die Linden Berlins entlang fuhr,
um sich zur Armce zu begeben. Das Bild sprüht förm-
lich von Leben, von fieberhafter Erregung, welche die
bunte Menge durchzittert, die ihrem Könige ein Lebe-
wohl zuwinkt. Auch das berühmte „Eisenwalzwerk",
vielleicht Menzel's großartigste Schöpfung, die unter
dem in der „Kunstchronik" zuerst gebrauchten Beinamen
„Modcrne Cyklopen" dcr Nationalgalerie einverleibt
worden ist, schmückt die Ausstellung. Drei Gouache-
bilder — zwei Architek'turstücke, Reisestudien, und das
Brustbild eines aufwärts blickenden alten Mannes —
zeigen uns ebenfalls den greisen Meister noch im Voll-
besitze seiner Kraft. — Von Max Michael, einem neu-
berufenen Lehrer der Berliner Akademie, ist ein kunst-
historisches Genrebild vorhanden: Pietro da Cortona
malt ein Altarbild in dem Camaldulcnserkloster bei
Venedig. Ein Prior des Klosters steht auf dem Gerüst
inmitten des Getümmels der Gehilfen und Handlanger
und spricht seine Meinung über die Skizze aus, die
ihm gewiesen wird. Michael ist ohne Zweifel ein
originelles koloristisches Talent, das seine cigenen Wege
geht. Aber eine größere Schärfe in der Charakteristik
der Köpfe würde den Eindruck seiner Bilder um Vieles
wohlthuender gestalten.

Das große Gemälde des phantastischen Polcn
Josef Brandt in München, „Ukrainische Kosaken des
17. Jahrhunderts in's Feld ziehend, begrüßen die Steppe
mit ihrem Kriegsgesang", ist bereits vor zwei Jahren
seiner unverkennbaren Bedeutung gemäß von mir an
dieser Stelle gewürdigt worden.

Damit ist die Uebersicht über das historische Genre
im weitesten Sinne erschöpft. R..

Saminliiiigm iiiid ÄusstrUungrn.

v. 3. L. Aus dcm Wicner Ki'mstlerhause. Das von
Rom aus angekündigte Bild Semieradzki's: „Die Fackeln
Nero's" ist jetzt im Künstlerhause ausgestellt und bildet das
 
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