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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Römische Kunstausstellung, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0196

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383

Röuüsche Kmistausstellnng.

384

solche abstrakte Begriffe sollen, wenn sie schon überhaupt
dargestellt werdcn, dvch wenigstens als ganze Gestalten
gebildet sein, wo Stellung, Faltenwurf und andere
Schonheiten mit dem Ungehörigen des Gegenstandes ofl
versöhnen, oder es wenigstens zu mildern im Stande
sind; — die letzteren abstoßcnd in der Ausführung, weil
diese nicht die Wirklichkeit im Kunstwerke und den
Bedingungen desselben gemäß neu zu gestalten, sondcrn
dieselbe nur sklavisch zu kopiren beftissen ist.

Es finden sich ferner auch einige jener allegorischen
und Genregestalten und Gruppen ausgestellt, deren
Ebenbilder schon auf der Wicner Weltausstellung das
für die Reize der Formen mehr als der Form
empfängliche und sich über die Bedingungen oer wahren
Schönheit eines Skulpturwerkes so wenig klarbewußte
grvße Publikum im Fluge für sich eingenommen haben,
jene Werke, deren Produktionsherd vorzugsweise die
Mailänder Werkstätten (sio!) sind: Eine „Solitudine"
von dem Mailänder Bottinelli, ein nacktes, ganz junges
Mädchen darstellend, das, auf demStumpfe eines Weiden-
stammes (dessen etliche Zweige, mit naturhistvrischer Ge-
nauigkeit „llul vsro" kopirt, ihr die Stelle eines Sitz-
kisscns vertreten), zwischen zwei Aesten desselben mit an
sich gezogenen Beinen eingezwängt, ein „Maßlieb-
chen" zerpflückt, technisch ganz raffinirt vollendet, auch
in manchen der Linienumrisse reizend und doch keinen
vollen und reinen Genuß gewährend, weil die Jdee und
deren Verkörperung so sehr mit einander kontrastiren.
Da ist ferner ein „ultiuio Aioruo äi ikoiupsi" von
Rosetti aus Mailand, eine junge Mutter, die sich mit
erhobenen Armen, an deren einem ihr Kind festgeklammert
herabhängt (buchstäblich wahr!), gegen den Aschenregen
schützend, im eilendsten Laufe fortstürmt, ein leibhafter
„Loruini rollivivu8" (siehe dessen Daphne in der Villa
Borghese), nur ohne den genialen Applomb der Gestalten
dieses Kunstverderbers — an deren um die Lenden ge-
wundenem Gewande, das sich gleich einer in der Hitze
zerfließenden Materie an die Formen des Körpers klebt,
auch nicht eine einzige reine, freie, schöne und schwung-
volle Linie des Faltenwurfes (doch von diesem Begriffe
kann man ja hier gar nicht sprechen!) vorkonimt. Als
ein letztes Beispiel dieser Art führe ich endlich noch eine
„lstturu äsllu Lidliu" an, von dem Römer Castellani,
eine elegant aber etwas nachlässig-bequcm in moderne
Gewänder gekleidete Modedame (dem Gesichtstypus nach
offenbar Engländerin), die, in einem Lehnstuhl liegend,
ein Buch in der Hand hält, das sich durch die Auf-
schrifl auf dem Deckel als Bibel legitimirt; — ein
Werk, das in seiner modern-nachlässigen Haltung auf
den natürlich empfindenden Beschauer den Eindruck der
Profanation dcs dargestellten Gegenstandes machen muß.
So liest man die Bibel, wenn man sich damit in Buch-
stabengläubigkeit das vorgeschriebene Pensum der „Sonn-

tagsnachmittagshausandach!" vom Halse schaffen will ^
etwa in einer eleganten Westend-Mansion Lvndons, wd
doch um diese Zeit nichts Unterhaltlicheres zu haben llb

— man liest sie aber ganz anders, wenn man sich a»^
innerem Herzensbcdürfnisse zu ihr gewandt hat und a»^
ihr Trost und Kraft zu fernerem Kampfe schöpfen w^-

Jst schon an den vorhinbeschriebenen Werken, dercu
Zahl noch durch manche ähnliche vermehrt werden könnw,
außer der vollendeten, nur allzu vollcndeten technischbU
Mache nicht viel zu loben, so fällt selbst dieses Lvb bei
den wenigen Werkcn, die antike Sujets behandeln, wcg-
Und hier muß ich nun gleich bemerken, daß es vorzu-st'
weise Ausländer sind, die gemeint Haben, sich dauw
auszuzeichnen. Da sind von dem obengenannten Daiwa
Hasselriis zwei Satyrn, der eine trinkend, der andc^
mit cinem Hunde spielend, ausgestellt, also zwei Sujcl^'
aus denen sich auf dem Gebiete der Genreskulptur etw>^
machen ließe. Aber wie hat nun der Mann diesclbcH
gestaltet? Den einen Satyr hat er bocksbeinig gebild^
(wie unschön ist schon dies, und warum müssen w>c
denn gerade solche unschöne Motive dem reichen Scho»"
heitsbronnen der antiken Skulptur für unsere moderw'
Kunst entnehnien?), — und ihn Trinkens halber ^
eine nnten in eine Spitze auslaufende Amphora gestellb
die fast ebenso groß wie er selbst erscheint, so daß cll
kaum bis'zum Rande hinaufreichend, einige Mühe h^'
mittels eines Rohrhalmes von dem Jnhalt derselben Z"
schlürfen. Die große Masse Marmors, aus der d»
Amphora gemeißelt ist, bleibt nun immer die Haupl'
sache, welchen Standpunkt man auch vor dem Wc^'
einnehme, während die unscheinbare Satyrsigur hi»l^
derselben immer mehr oder. weniger verschwindet. llw
von einem wechselvollen Rhythmus der Linicn ist dab>''
schon gar nicht die Rede. Das sind alles »iclst
oder weniger gleichmäßig von oben nach nnten laufe»^
Linien, von den steifen Bocksbeinen des Satyrs an,
zum Rohrhalm, den derselbe auch nvch möglichst s>'w
recht in das Gefäß taucht. Und nun fehlt zu allcsb
dem auch noch die Vollendung in der Technik, so
wenn man das Werk recht ansieht, nichts übrig ble>' '
als ein Stück leuchtenden Marmors, das wohl wc>'
gewesen wäre, Schönerem zur Verkörperung zu die»c^

— Jn der zweiten Gruppe, die aber blos im Gyl^

modell vorliegt, hat der Künstler offenbar gegla»
den Mangel an Rhythmus der Linicn, den er an
ersten wohl selbst empfunden haben mag, recht
giebig ersetzen zn müssen, und hat einen am
kauernden Satyrschäfer dargestellt, der zwischen st'»^
halb an sich gezogenen Beinen seinen Hund eingeklcwb
hält und ihn mit einem Stocke, den er an beidcn ^

den mit seinen Händen gefaßt auf dem Rücken ^

armen Thieres auf- und abstreift, recht sehr zu
traitiren scheint; denn der Hund hat seinen Kopf gcg

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