Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

DOI Artikel:
Die Kunstindustrie-Ausstellung zu Amsterdam, [2]
DOI Artikel:
Guerrard, Charles: Der Salon von 1877, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0403

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
797

Der Salon von 1877.

798

Haas und Giani, die Schmuckwaaren verschiedenster
Firmen, die keramischen Leistungen von Meißen und
Paris, die schönen Wiener Büchereinbände rc. werden
weit zurückgestellt hinter die van Kempen'schen Silber-
prunkgefäße, das Jansen'sche blauseidene Schlafkabinet
und das Briefmarkentischchen, die zusammen genommen
weniger Kunstwertk repräsentiren als eines der herrlich
gezeichneten Fußbodenplättchen von Santa Caterina in
Siena — Sonnenblumen und Dahlien gegcn ein
Veilchen!

„Wir begaben uns nach dem westlichen Flügel,
nm die altnationale Kunstindustrie zu sehen. „„L'sst
ioi Is snnOtunirs äss anti«ins,ir68."" Ja wohl, das
Heiligthum der Kunsthistoriker, die nichts dagegen haben
würden, wenn die ganze Stadt niedergerissen und im
Stil des llni8 nast äs llookcksn neu erbaut würde.
„üs nasison snx tstss?" Geh sofort mit mir, dann
will ich's dich sehen lassen, und dann mußt du dir einen
Pariser Boulevard mit Läden und Kaffss in demselben
Stil denken, mit Treppengiebelchen rc. Doch Scherz
beiseite, hier sind wir an dem Platz, wo die so sehr
gerühmte altnationale Kunstindustrie ihren Thron auf-
geschlagen hat. Die Verehrung und Anbetung dieser
Kunstindustrie geht so weit, daß man nicht blos die
Art der Herstellung, nicht blos die an den Tag gelegte
Kunstfertigkeit rühmt, hochschätzt und zur Nachahmung
empfiehlt, sondern lieber schwere eichenholzgeschnitzte
Kästen, altes Glas, altes Porzellan, altes . . . kurzum
alles alt, oder, wenn man es nicht alt kriegen kann,
nach dem Alten kopirt verlangt (für Nichtkenner), als
heutige Möbel, heutigen Hausrath. Die Kunsthistoriker
sind so unzufrieden mit dem Gegenwärtigen, daß sie
nicht nur die altnationale Kunst zurückwünschcn — und
damit wird ja jeder einstimmen — sondern auch die
Aeußerung unserer Kunst in alten Formen." So urtheilt
unser Wegweiser über seine altnationale Kunst. Ganz
abgesehen von der vollständigen Verkennung der guten
Absicht, welche gerade die Rijksadviseurs und der Kunst-
referendar V- de Stuers im Auge haben, wenn sie die
alte Kunst ihrem Volke wieder nahe zu bringen suchen,
ganz abgesehen davon, daß diese Aeußerungen eincs
Einzelnen nicht die Meinung der Gesammtheit bilden,
sind sie immerhin beachtenswerth als ein Zeichen der
Zeit, der Zustände im Lande, der entschiedensten Ver-
wilderung der Begriffe und Anschauungen über Kunst.
Und welcher merkwürdige Widerspruch liegt in dieser
fanatischen Pietätlosigkeit gegen die eigene Kunst der
Vergangenheit im Gegensatz zu dem so entschieden aus-
geprägten Lokalpatriotismus! Wir Deutschen haben
wohl Jnteresse daran, daß die altniederländische Kunst
nicht zerstört werde, ehe sie nur entdeckt ist und werden
gewiß auf Seite derer stehen, die sie uns zugänglich
niachen. Das Urtheil der Jury, bei welcher außer

Holländern eine große Anzahl Fremder vertreten war,
wird hoffentlich das Seinige dazu beitragen, um den
Leuten begreiflich zu machen, was künstlerisch werthvoll
ist, was nicht. H. 0.

Der -Zalon von 1877.

IV.

Das Genre tritt im heurigen Salon massenhaft
auf; man möchte beinahe eine Ueberproduktion anf die-
sem Gebiete behaupten. Wie gewöhnlich, haben auch
diesmal die Künstler mit einer vielleicht viel zu sehr
ausgesprochenen Vorliebe die anekdotische Seite kirchlicher
und profaner Stoffe zum Vorwurfe ihrer Arbeiten ge-
macht, und schon dadurch erklärt sich das Vorwiegen
des Genrebildes. Andererseits kommt es vor, daß
Werke, welche vermöge ihrer Auffassung und des Stiles
der Darstellung berechtigt wären, in der Historiemnalerei
einen Platz einzunehmen, wegen der geringen Dimen-
sioneu der Ausführung dem Genre beigezählt werden
müssen, während mehrere groß angelegte Bilder wegen
des Sujets und der Darstellungsart sich aus dem Ge-
biete des Genrehaften zu erheben nicht im Stande waren.
Uebrigens muß zugestanden werden, daß das Genre zahl-
rciche gute, ja schöne Arbeiten aufzuweisen hat, daher
wir nur jene hervorheben können, welche entweder von
ganz hervorragender Bedeutung sind, oder aus anderen
Gründen auf ein besonderes Jntereffe Anspruch er-
heben können.

Alma-Tadema hat einBild ausgestellt, welches für
das Auge sowohl als auch für den Geist von besonderem
Reize ist; die Ausführung ist vollendet und die archäo-
logischen Studieu, auf denen es beruht, sind so genau
und tiefgehend, daß es uns auf die lebhafleste Weise
in die Epoche der Darstellung versetzt. Wir gewahren
einen „Empfang bei Agrippa" mit all' dem Apparate,
der in den Palästen der römischen Großen jener Epoche
sich entfaltete. Agrippa steigt eben eine breite Marmor-
treppe hinab, begleitet von eiuer Menge von Höflingen;
unten, im Vordcrgrunde, neben einer Statue des
Augustus, stehen drei Personen, welche zu dem sich
nahenden Zuge voll Juteresse aufblicken; ihre typischen
Gestalten, ihr Mienenspiel und ihre Tracht sind voll
Leben und Wahrheit. Jn technischer Beziehung steht
dieses Bild über den früheren des Künstlers; namcnt-
lich sind seine Figuren jetzt von Luft umgeben und
lösen sich vom Hintergrunde leicht ab, was früher nicht
der Fall war. Einzelne Theile weisen eine fabelhafte
Durchfükrung auf; so erscheint der vielfarbige Marmor
in Wirklichkeit nicht härter, glatter uud glänzender, als
der von diesem Meister des Beiwerks gemalte.

Vom talentvollen Mazerolle, dessen dekorative
Malereien geschätzt sind, und der sich durch reizende
 
Annotationen