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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Guerrard, Charles: Der Salon von 1877, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0377

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Nr. 47.

Xll.J^hraang.

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lLeipzig. .iiömgsstc. 3)
zu richten.

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Inscratc

ü 25 Pf. für die drei
Mcü gespaltene Pctitzeile

1877.

Bcibllttt znr Zeitschrist sür bildcndc Knnst.

Dies Blatt, jede Woche am Donnerstag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" grati8; fnr sich allein bezogen
kostel der Iahrgang 9 Mark sowohl im Buchhandel wie auch bei den deutschen und österreichischen Postanstalten.

Jnhalt: Der Salon von 1877. III. - Altdeutsche Bilder in der Münsterkirche zu Kloster Heilsbronn. — Baur, das Kloster zu Blaubeuren; Seemann's
tunsthistorische Bilderbogen; Lichtvrucke nach Gemälden lebender holländischer Meister; Bach, Musterbuch. — Sammlungen der Wiener Akadcmie;
Ausstellung zu Nürnberg. -- Restauration der Stiftskirche zu St. Arnual. — Zeitschrtften. — Jnserate.

Der Zalon von 1877.

m.

Das Porträt hat zu allen Zeiten in der fran-
zösischen Kunst sowohl durch die Zahl als durch die
Beschaffenheit dcr Werke einc bedeutenvc Rolle gespielt;
fnr die Gegenwart könnte man sogar die Behauptung
aufstellen, daß sich die wahrhaft bedcntenden Künstler
mehr durch's Porträt als durch Wcrke anderer Art zur
Gellung bringen. Es hat beinahe den Anschein, daß
gegenwärtig die Aufgabe, cinen erfundenen Stoff zn
gestalten, die ausführende Hand der Künstler m Ver-
legenheit setzt, sie schwächt und deren Originalität be-
einträchtigt. Auch der diesjährige Salon unterstützt die
Annahme und liefert zu deren Gunsten sehr interessantc
Beispiele. Eines der hervorragendsteu ist das Porträt
des Herrn Thiers von Lson Bonnat. Die Masse der
Besucher des Salons war fortwährend durch dieses Bild-
niß angezogen; nicht allein wegen der ungeheuren Popu-
larität der dargestellten Persvnlichkeit, deren Züge in
Frankreich so bekannt, ja familiär sind, sondcrn auch
durch das bedeutende, ergreifende Talent, von welchem das
Bild Zeugniß giebt. Man wurde nicht müde, in Len
ruhigen, gcsammelten Zügen dieses Kopfes, in deu unter
dem schwarzeu Gewande merkwürdig angedeuteten Körper-
formen, ja selbst auf den des Schreibens so gewöhnten
Handen die bewegte, wechselreiche Geschichte dieses außer-
ordentlichen, noch immer unermüdlichen Greiscs zu er-
forschen. Der ehemalige Präsident der Republik steht
aufrecht, bis unterhalb der Kniee sichtbar da und wendet
das ein wenig nach links geueigte Haupl dem Beschauer

voll zn; der rechte Arm gleitet an der Seite des Kör-
pers herab, während der linke sich auf die Hüfte auf-
stützt. Das Gesicht ist durch ein von oben einfalleudes
Licht beleuchtet, dessen Strahlen das historisch gewordene
„Toupet" dieses durch sprühende Jntelligenz und un-
gemeine Beweglichkeit frappirenden Kopfes mit einem
silberschimmerndcn Glanze umgeben. Die ganze Figur
hebt sich von einem veilchenfarbigen, aber tiefdunklen
Hintergrunde wirknngsvoll ab; der Kopf ist mit erstaun-
licher Sicherheit gezeichnet, oder, besser gesagt, skulptirt,
wenn man diese Bezeichnung auf eine so geschmeidige
Malerei anwenden könnte. Der Ausdruck ist sehr ernst,
sast traurig; man wird gewahr, daß die Unglückstage
Frankreichs an diesem großen Patrioten nicht spurlos
vorübergegangen sind, und daß sie von seinen feinen
Lippen, von seinem lebendigen Auge den wohlbekannten
heiter spöttelnden, leichtironisirenden Zug der guten
alten Zeit hinweggescheucht haben. Dieses Porträt ist
ein wahres Historienbild, und Bonnat hat sich durch
dasselbe nicht bloß über alle anderen Porträtisten, son-
dern sogar über sich selbst erhoben.

Unter den Bildnissen intimerer Art sind uns zn-
nächst zwei Werke von Paul Dubois aufgefallen.
Schon im vorigen Jahre hatte diescr treffliche Meister,
ein Hauptträger der modernen französischen Skulptur,
auch unter den Porträtmalern eine hervorragende Stellung
zu crriugcn gewußt; das von ihm ausgestellte Bild
seiner Kinder war an vornehmer, einfacher Auffassung,
an scharfer Zeichnung und zarter, zweckmäßiger Färben-
gebung geradezu ein Meisterwerk zu nennen. Nicht minder
bedeutend zeigt er sich diesmal. Ein reizender, feiner
MLdchenkopf mit leicht gewölbter Stirn, vollen Wangen
 
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