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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Das Rubensfest zu Antwerpen, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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Das Rubensfest zu Autwerpen,

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fahrten dahin, zu den neuen Neliqnien! Sie machen
Städtc berühmt und Jeder muß davor seinen Bewun-
derungsbückling gemacht haben, Unsummen dafür!
Die Rothen müssen schreien unv den Armen sich das
Herz im Leibe umdrehen! Ein Fetzen Papier mit einem
Kupferstich voll Fratzen darauf ist vielleicht mehr werth
als ein Bauerngut; ein Bild mit einer Kuh oder einem
heiligcn oder unheiligen Gesärbsel heißt gar „unbezahl-
bar". Alles krummbuckelt in Neden davor, Aber
morgen kommt Einer und sagt, die Reliquie sei absolut
unecht, Esels- statt Heiligengebein, Schüler- oder gar
Schmierer- statt Meisternachlaß. Hol die-"

Doch der bescheidene Sohn entfloh der heftigen
Nede, heißt es in Hermann und Dorothea. Und so
cntwichen auch wir der weiteren Salve unseres gereizten,
galligen, im Melchior Meyr'schen Grobiansstil sich ckiber
das Festprogramm ergehenden Freundes. Wir hatten
auch an andere Sachen zu denken: hatten zum ersten
Mal ein solches Festreferat übernommen und dachten an
die Kunst der gewiegten Reporter, welche Alles sehen,
Alles hören und auch in den heißesten Zeiten kühl bis
an's Herz hinan brühwarm dem Publikum Alles wieder
aufzutischen wissen, was es verlangt. Gestehen müssen
wir leider, daß wir der Rubenskirmes nicht ganz un-
befangen entgegengingen, vbwohl wir nach Kräften ihre
beste Seite hervorzukehren versuchten.

Mit einer Einladungskarte zum wissenschaftlichen
Congreß fuhren wir nach Antwerpen ab. Jn unver-
antwortlicher Weise verspätete sich der Zug auf den
letzten Stationen der Art, daß wir der Vorversammlung
der Geladenen und der Vorstellung derselben auf
dem Rathhaus und dadurch natürlich der Reden des
Präsidenten Herrn Pecher und des Bürgermeisters
Herrn de Wael und der Antworten des Herrn de
Jonghe van Ellemet u. A. verlustig gingen. Die Reden
konnte man dcs andern Tags bequem lesen, aber die
wichtige erste Zusammenkunft, welche der allgemeinen
Bekanntschaft uud Orientirung gewidmet ist, war un-
wiederbringlich versäumt. Die nächste Folge war, daß
wir auch für das Bankett am Sonntag keinen Platz
mehr erhielten, womit denn freilich nicht allzuviel ver-
loren war. Essen und Wein wurden hochgerühmt. Der
erste Toast des Herrn Bürgermeisters kam so spät, daß
die Tafelfreude schon eine, Höhe erreicht hatte, daß die
folgenden Redner nur im engeren Kreise verstanden
wurden: so wurde uns berichlet. — Jnteressant war,
in einem Pariser Blatt das Lob des Herrn de Wael
für sein gutes Französisch zu lescn. O ewige Fran-
zosen! Und ihr französisch sprechendeu Brabanter! Nun,
jeder nach seiner Weise.

Wir übergehen zu schildern, in welchem Gewühl
wir an- und mit welcher Nolh wir für 15 Frcs, den
Tag in einem Dachstübchen unterkamen, Hätte es sich

nicht gehört, daß auf dem Bahnhofe vom Fcstkonnts
ein Nachweisungsburean für die eingeladenen Gäste ein-
gerichtet wäre? 2n kleineren Städlen iu Deutschland
war bei Festversammlungen dafür gesorgt, Dann hatten
auch die Hotels keine Anstalten getroffen, wcniger bc-
kannte, entferntere Gasthöfe und Privatzimmer zur Dis-
Position zu halten, wie dies z. B. in Paris zum Na-
poleonstag während der Ausstellung von 1867 der Fall
war. Ankommende Fremde waren dadurch rathlos in
dem Getümmel. Sollen doch in den ersten Festtagcn
gegen 400,000 Menschen in Antwerpen zusammenge-
strömt sein und am Sonntag Morgen die Eisenbahnen
von Brüssel her an die 45,000 Personen befördert
haben, Wir durchwandelten bis zum Beginn der Fest-
Cantate einige Hauptstraßen und begrüßtcn die Schelde,
die freilich an Schiffen nichts Jmposantes bielet, da
dieselben größtentheils in den Bassins liegen.

Antwerpen zeigte sich glorios, flandrisch wohllebend
und üppig, in seinem Festschmnck, Man vcrsteht hier
zu feiern und das Antenken der berühmten
entrsss wachzuhalten. Wir hatten die Stadt nur von
ein paar kalten, trüben, regnerischen Tagen gekannt und so
schniutzig mit dem zu Haufen gethürmten Unrath in den
Seitenstraßen! Jetzt, welcher Aufputz, welche Anstalten!
Reihen von Mastbäumen längs den Straßen mit Bannern
und Emblemen, Bänder und Blumen- und Laubgewinde
dazwischen, Laubpforten in den Straßen, Fahnen groß
nnd klein überall — dann die kolossalen Triumphpforten,
die Säulen, Obelisken, Pavillons, die Statuen, Jn-
schriften und was nur anzubringen war. Da hat Mr.
Dens zu Ehren der Antwerpner Schule eine Säule auf
dem Pferdemarkt errichtet von 31 Mtr. Höhe, auf dem
Piedestal allegorische Figuren von 4 Mtr. Höhe u. s. w,
Auf dem Platz de Meir erhebt sich ein dreithoriger
Triumphbogen von 25 zu 25 Mtr, Höhe und Breite;
oben in der Mitte das Bild: Rubens bei Bürgermeister
Rockox, von den Herren Delfosse und Neuhuhs, rechts
und links: Rubens empfängt den Ritterschlag von Karl I,,
von Herrn Siberdt, und: Rubens wird in die St.
Lucas-Gilde aufgenommen, von E. van den Bussche,
Das Triumphthor ist in rother Marmornachahmung.
Oben darauf thront auf ungeheurem Triumphwagen nüt
Viergespann der Ruhm, Natürlich heißt es: Hudsns
nö ü Von Siegen schweigt man.

Ein zweiter fünfthoriger Triumphbogen ist 23 zu
28 Meter in Höhe und Breite. Dort Karyatiden rc.,
hier Künstlerstatuen: Jordaens, van Dyck u. s. w.; die
Welttheile, die Rubens huldigen, oben darauf.

Amüsant ist die Nachbildung einer hohen steinernen
dreibogigen Ueberbrückung in schwerem flandrischen Re-
naissancestil, eine Kopie der Brücke vom Rubensfest v. I.
1840, weil ein Strom von Menschen mit naiver Freude
ununterbrochen hinauf, hinüber und hinabströmt, wie die
 
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