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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Tizian's Kirschenmadonna auf einer Majolika
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0306

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603

Kunstliteratur,

604

deren Besprechung den eigentlichen Zweck dieser Zeilen
bildet, ein Geschenk von Frau Schwarz in Wien an
die Sammlung. Dies ist eine viereckige Platte, 7^"
lang und 8" hoch, der Manufaktur von Castclli angc-
hörig, darauf eine Variation des bekannten lieblichen
Bildes von Tizian im Wiener Belvedere zu sehen, das
gcwöhnlich uuter dem Namen der Kirschenmadonna ge-
nannt wird. Ehe ich die Behandlung des Gegenstandes
und deren Abweichungen vom Originale in ErwLgung
ziehe, sei es verstattet, vorerst über die Bezeichnung,
welche die Platte trägt, zu sprechen.

Zn der unteren Ecke rechts (im Bilde) befindet sich
ein kleiner gekrönter Wappenschild und daneben, in zwei
Zeilen geordnet, die Buchstaben:

r. ib.

i.. 6. i.

Es kann nicht schwer fallen, diese Andeutung zu er-
gänzen. Jch lese:

Titiumis lscit.

üiborius 6rus imitntu8 sst.

Was das Wappen anbelangt, so kommt ein ähnliches
Zeichen auf Arbeiten von Castelli öfters vor, ja, nach
Passeri sind manche von ihnen mit einer derartigen
Krone, gleich der hier vorfindlichen, wie mit einer Art
Marke signirt. Das ganze Wappen, ziemlich ähnlich
gestaltet, bildet Chaffers (ücknros uuä LlouoAruiuius
on pottsr^, 4. sckit. 1874, l66) als Fabrik-

zeichen von Castelli aus dem 18. Jahrhundert ab.

Liborio Grue, Sohn des Carlantonio, ist 1702
geboren und starb 1776. Er hat sich häufig Gegen-
stände der Historienmalerei zum Schmucke seiner Schüsseln
und Platten ausgewählt. So besitzt das Kensington-
Museum von ihm eine mythologische Komposition nach
Annibale Carracci, das Museum Bonghi eine Erschaffung
des Weibes, daneben kommen aber auch Landschaften
in der eigentlichen Manier von Castelli vor. Seine
Arbeiten sind gezeichnet: lüborius 6rus?. und häufig
auch 6. 6. 1?.

Jndem wir nach diesen Angaben über Bezeichnung
und Autor unsres Stückes zur Besprechung des Gegen-
standes übergehen, sei gleich von.vornherein bemerkt, daß
wir keineswegs in dem Wahne befangen sind, als wäre
durch das Bekanntwerden dieser Variation von Tizian's
Madonna mit den Kirschen ein großer Fund gethan, der
Schlüssel zur älteren Geschichte des Werkes entdeckt. Es ist
nur die Frage, ob vielleicht in dieser Auffassung etwa das
Abbild und die Reminiscenz einer früheren Phase vor-
liege, in der der Entwurf des Meisters eine andere
Gestalt hatte als das vollendete Bild, oder ob wir es
blos mit einer willkürlichen Umgestaltung zu thun haben,
welche der Kunsthandwerker mit dem berühmten Originale
zu seincn besonderen Zwecken vornahm.

Die Abweichungen vom Originale beruhen «us
folgenden Erscheinungen. Die Figur des heil. Josef^
(im Bilde rechts) ist mehr, nämlich bis über die Achsth
sichtbar als dort, am Ende seines Stabes erscheint da-
her ein Bouquet von Blüthen und Blättern. HiR^
der Madonna bildet nicht ein rothes Sammctgewcbe
den Fond, sondern ein viereckiger, oben mir Gras be-
wachsener Steinblock. Das Kopftuch der heil. JungsiaU
hat dieselbe Anordnung wie in der jetzigen Ersche^
nung des Gemäldes. An dem kleincn Johannes ist vo»
der untern Körperhälfte noch ein gut Stück, bis
Mitte der Schenkel, sichtbar, ebenso der ganze linke Ar>u
des Zacharias, welcher anf dem Rücken seines Knabe»
ruht, um ihn zur Madouna herzuführen. Endlich h^
die Majolika noch eine Figur, welche bei Tizian fehO'
nämlich hinter Zacharias, ihm über die linke Schulte>'
blickend, Elisabeth. Das Uebrige stimmt vollständig, ab-
gesehen davon, daß natürlich die Palette des Mast'
likenmalers sich blos auf die seiner Technik geläusigeU
Töne: Blau, Ockergelb, Braun, trübes Grün und fahk^
Drap beschränkt, und ferner, daß, ebenso begreifsith'
Zeichnung und Ausdruck der Köpfe den Tizian'schOt
Charakter bedeutend eingebüßt haben.

Verfasser dieses Aufsatzes überläßt es den bcssit'
Berufenen zu untersuchen, ob etwa die bei der RestaU'
ration des Tizian'schen Bildes zu Tage gekommenett
früheren Zustände desselben, von welchen ja Aufnahnw'tt
gemacht worden sind, in einigen Punkten mit unft^
Platte stimmen. So viel ich aus älteren Stichen et'
sehen, dürfte Liborio wohl nur eine freie Benützung d^
Originales angestrebt haben. A. Zlg.

kunstliteratur.

Rnoinst, I^s Oostnins Ilistorigus. Oi»4
osnts plaueüss, 300 sn oonlsurs, or ot nrASlit,
200 sn cninüisn. Bnris, Oirmin viäot Oi^'
1876. Kl. Fol.

A. Racinet, der berühmte Verfaffer des auch
deutscher Uebersetzung erschienenen „Ornsinsnt xol)''
oüroms^, bietet uns hier in derselben Einrichtung und ^
ebenso brillanter Ausstattung eine Geschichte des Kostün^'
die alle Zeiten und alle Völker umfassen soll. Jed^
derartige Werk wird, wenn es über den engen Begrw
des Wortes hinausragt, eine Kultur- und Kunstgeschi^
im Kleinen werden. So auch die vorliegendcn höw'
interessanten Blätter, von denen bis jetzt zwei Lieferunget'
erschienen sind, und die mit zu dem Schönsten gehörcw
was die Chromolithographie bisher aufzuweisen hat. D^'
Verfasser stellt die Menschen in ihrer jeweiligen Tra^h
mitten in das Leben hinein und umgiebt sie mit dcd
Geräthschaften, welche sie, sei es zum Genuß nnd Schm" '
sei es zur Arbeit, gebrauchten.
 
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