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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Das Rubensfest zu Antwerpen, [3]
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Guerrard, Charles: Der Salon von 1877, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0420

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831

Der Salon von 1877.

832

tcstantismus) der Mann komme, der solches behanptet.
Herr Jan ten Brink fertigt kurz unv richtig eine
Aeußerung des Dr. Schaepman über die Unterstützung,
welche Vondel von den Amsterdamer Patriziern genossen,
ab. Natürlich Repliken. So geht die erste Debatte
in's Breite, um später von Neuem aufgenommen zu
werden. Die Kunstwissenschaft wird hiervon und von
Aehnlichem in andern Sektionen, wo man auch zeitweilig
das Stroh tüchtig gedroschen hat, nicht große För-
derung erhalten.

Doch warum hüllten sich Andere in Schweigen?
Um nach dem alten Spruch Philosophen zu bleiben?

Was wir des Weitereu genossen unb geduldet, ge-
sehen und nicht gesehen, gehört und nur gelesen haben,
und wie wir, ehe die volle Festwoche vorüber, dem Fest-
gelümmel entflohen, sei hier nicht weiter ausführlich be-
schrieben.

Resumiren wir unser Urtheil, so war das Fest
großartig und glänzend, aber sein Fehler war, daß es
zu viel, daß es inults. und nicht multum in der Haupt-
sache, in künstlerisch-wissenschaftlicher Beziehung bot.
Ueber die Volksfestlichkeiten allgemeiner Arl war der
Kern nicht vergessen, aber nicht befriedigend genug be-
handelt.

So war unser Eindruck, als wir burch das bar-
füßige Nordbrabant wieder heimwärts sausten und mit
Wohlgefallen sahen, wie die Bauern beim Pflügen durch-
gehends ihren Pferden Fliegennetze aufgelegt hatten, wie
die Landleute (und weiblichen Eisenbahnwärter, die viel-
fach den Dienst versehen) gerade wie in unserer Heimat
Strümpfe bei Hitze für unnöthig halten, unb wie die
Häuser der nordbeutschen sächsischen Art mehr entsprechen
und nicht wie im fränkischen Rheinlanb und weiter süb-
lich in Belgien jedes Bauerngehöft einen geschlossenen
steinernen Komplex bildet, wodurch jene berühmten
Meiereivertheidigungen der Schlacht von Waterloo mög-
lich wurden.

Dies und Anderes dachten wir und rüsteten uns,
den Fragen des Kirmesquerulanten mit der Antwort zu
begegnen: das Aufgebot von Mitteln und gutem Willen
seitens der berühmten Scheldestadt war außerordentlich
unb die Haltung der Antwerpner vom Ersten bis zum
Letzten mußte sich die Hochschätzung und freudige Erinne-
rung aller Gäste und Besucher dieser Festlichkeiten zu
Ehren von Flanderns größtem Sohn erringen.

U. 6.

Der Zalon von 1877.

v.

(Schluß.)

Die Sknlptur bietet heuer, ohne den Glanz des
Vorjahrcs zu erreichen, doch eine Anzahl mehr als mittel-

mäßiger und sogar einige bedeutende Werke; jedenfalls
steht sie auf einem höheren Niveau, als die Malerei.
Zunächst sei das in kolossalen Dimensionen gearbeitete
Gypsmodell des Hochreliefs von Mercis erwähnt, wel-
ches auf Staatskosten ausgeführt wird, um über dem
großen Gilterthore des Louvre die mißlungene Reiter-
statue von Napoleon III. zu ersetzen. Das Hochrelief
ist eine Verherrlichung des Genius der schönen Künste,
welcher von den Flllgeln eines nach links gewenveten,
auf den Hinterbeineu aufsteigenden Pegasus getragen
wird. Mit der linken Hand deutet der Genius gen
Himmel, in der rechten schwingt er eine Fackel; das eine
Bein stützt er auf das Kreuz des edlen Flügelrosses,
das andere hängt frei herab. Vorne, aber schon im
Hintergrunde, schwebt eine von wallenden Gewändern
umhüllte Frauengestalt, welche die schönen Künste sym-
bolisirt; sie wendet ihr Haupt dem Genius zu, Lem sie
den Arm entgegenstreckt. Die ganze Gruppe ist tief
empfunden und sehr harmonisch augeordnet. Der Genius
weist eine reizenb motivirte, ebenso schwungvolle wie
originell erfundene Bewegung auf; seine Formen, ins-
besondere die Beine, sind trefflich modellirt. Die junge
Frauenfigur ist wohl die gelungenste; sie ist ebenso evel
wie elegant und mit einem Flusse gearbeitet, daß man
das Material völlig vergißt. Auch das Flügelroß weist,
trotz der etwas gedrungenen Verhältnisse des Vorber-
körpers, einen edlen Typus und einen großen Schwung
auf. Die Gruppe ist in der That des Ehrcnplatzes
würdig, welchen sie einzunehmen bestimmt ist, und dieses
großartig erfundene, malerisch durchgeführte Kolossal-
werk ist nicht minder des Urhebers würdig, welcher trotz
seiner Jugend bereits als Haupt der neuen Schule
unserer Monumentalskulptur gilt. Daß Mercis auch
in kleinen Dimensionen Bedeutendes zu schaffen versteht,
beweist seine Marmorstatuette: „Die besiegte Juno",
ein zart und elegant modellirtes, in reizvollen Linien
geführtes Kunstwerk.

Von Chapu finden wir auch heuer zwei bedeu-
lende Arbeiten. Einem Auftrag für den restaurirten
Justizpalast verdanken wir eine schöne Marmorstatue
Berryer's. Der berühmte Advokat steht hoch aufgerichtet
da, im Plaidiren begriffen; der geistvolle, leidenschaft-
liche Kopf ist meisterhaft konzipirt, die Bewegung des
Redners ebenso schön wie kräftig unv erregr. Für das
Denkmal der Frau d'Agoult, wetche bekanntlich unter
dem Schriftstellernamen Daniel Stern eine ebenso
große wie gerecksifertigte Berühmtheit erlangte, hat
Chapu eine herrliche allegorische Figur „Der Gedanke"
angefertigt. Eine weibliche Figur — in der galanten
französischen Sprache ist auch der Gedanke weiblichen
Geschlechts — sitzt auf den vorspringenden Stufen des
Sockels und wendet dem Beschauer das ernst und be-
geistert zum Himmel aufblickende Antlitz voll zu; iu der
 
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