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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Die akademische kunstausstellung in Berlin, [6]
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Mezger, L.: Etwas wieder Wl. Wackernagel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0092

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175

Etwas wider W, Wackernagel,

176

und weniger krankhaft als seine letzken Historienbilder
ist auch ein Genrebild desselben Künstlers gemalt, dessen
Sujet jedoch recht wunderlich ist. Hinter einem Felsen
liegt ein eben entsprungener, halbnackter Galeerensklave
auf der Lauer, mit fletschenden Zähncn und funkelnden
Augen, in der Hand ein blitzendes Messer, um sich auf
einen Vorübergehenden zu stürzen. Ueber die beiden
Begas, die ein recht trauriges Bild eines allmählichen,
aber sicheren Verfalls liefern, sollte man eigentlich kein
Wort mchr verlieren, aber — stut noiuinis nindrn!
Sehr niedlich und doch sehr wahrheitsgetreu ist eine
figurenreiche Gruppe von Porträts — Prinz Karl von
Preußen und sein Gefolge reitet zur Jagd — von
C. Freyberg, der aus solchen kleinen Reiterporträts
eine Spezialität gemacht hat. Das solide, ruhige
Bürgerthum mit einem etwas philiströsen Anstrich weiß
am besten G. Feckert (Berlin) zu porträtiren.

Drei Maler von Ruf — A. v. Werner, der
Orientlandschafter E.^Körner und der Düsseldorfer
L. Kolitz — haben auf die gegenwärtige Ausstellung,
so viel ich weiß, zum ersten Male Porträts geschickt,
mit denen sie alle drei gründliches Fiasco gemacht haben.
Kolitz und Körner mögen mitleidsvoll beschwiegen werden.
Wie aber A. v. Werner, der Mann, auf den die Er-
wartungen von ganz Berlin gerichtet sind, ein Porträt
ausstellen kann, das für einen bcstimmten Zweck flüchtig
hingeworfen ist und bei der Kürze der gestellten Frist
völlig dekorativ behandelt werden mußte, ist mir unbe-
greiflich. Er hat die Erwartungen, die man von ihm
hegte, ohnehin durch drei andere Bilder sehr unangenehm
enttäuscht. Das eine giebt eine Scene aus dem fest-
lichen Leben Benedigs: ein Patrizierpaar bewillkommnet
seine Gäste, die eben mit ihrer Gondel an dem Quai
vor dem Palaste landen, ein Bild mit zahlreichen Figuren
in den farbigsten und prachtvollsten Renaissancekostümen,
welches durch seine Fülle anfangs verwirrt und anzieht,
durch seine kalte, fast brutale Behandlung aber ebcnso
schnell wieder abstößt. A. v. Werner's Farbe war zwar
immer hart und kalt, aber seine vornehme Auffassung
entschädigte dafür bis zu einem gewissen Grade. Diese
Vornehmheit fehlt dem Bilde, dic bunten, grellen Farbeu
schreien auf einander los, daß man ordentlich froh ist,
wenn man aus dem Getümmel herauskommt. Das
Bild dient freilich wie die beiden anderen dekorativen
Zwecken, und daraus mag sich dic oberflächliche Behand-
lung erklären. Die Stoffe der beiden anderen Bildcr
sind den deutschen Märchen entlehnt: auf dem einen
spinnt die Schwestcr der sieben Raben im hohlcn Bamue
die Nesselhemden für ihre verzauberten Brüder, auf dem
anderen trägt Sneewittchen den Zwergen ihr Mahl auf.
Mag man auch alle vorhandenen Stoffgebiete realistisch
behandeln, von dcr deutschcn Sagc sollte der RealiSmuS
füglich fcrn bleiben. Das Gewcbe der Pocsie, das sich

in unsercni Geiste um die Gestalten der Sage und des
Märchens geschlungen, ist unzerreißbar. Ein uuß-
gestaltetes Sneewittchen läßt sich mit den allgemeincn
Anschauungen schlechterdings nicht vereiuigen. V^n
A. v. Werner, dem gemüth- und poesievollen Jllustratoe
der Scheffel'schen Dichtungen, hätte man einen derartigen
Mißgriff am allerwenigsten erwartet.

Auch vom Porträt sollte der Realismus so wcit ald
möglich zurückbleiben, namentlich wenn er so struPP'Z
und ungewaschen auftritt, wie auf zwei männlicheN
Porträts von Tepper, einem Schüler von A. v. Werner-
Tepper ist einer von den in der Einleitung erwähntcn
„Malern", die zu Allem in der Welt tauglich sein
mögen, nur nicht zum malen — gute Leute, aber schleckstr
Musikanten! Wie maßvoll und edel giebt sich dagegen
der Naturalismus in einem ausgezeichneten Herrenporträt
von Elisa Nemes in Pest, einer ungemein vornehnien
und distinguirten Arbeit, welche auf weitere Werke von
derselben geschickten Hand begierig macht. Der feine
Gesammtton und die delikate Modellirung weiscu ans
gute französische Vorbilder hin. K-

Etrvas rvider W. Wackernagel.

Es ist nur etwas Kleines, was ich wider ihn habe,
aber es giebt Leute, und es sind nicht die Geringste"
in Jsracl, denen gegenüber der römische Spruch-
imnrurm, noii ourut prnetor seiue Anwendung niäst
finden darf.

Bekanntlich ist von W. Wackernagel's kleinereN
Schriften der erste Band 1872, der zweite und dritn
1873—74 erschienen, von allen Verehrern des verdienteN
Mannes und von seinen Fachgenossen als höchst win'
kommene Gabe begrüßt. Jener erste Band enthält »nn
in dem Aufsatz „über die Farben- und Blumensprach^
des Mittelalters" folgende Bemerkung: „SchwE
Kleidung nahmen Diejenigen an, welche voll und förnn
lich aus der Welt zurück und in Klöster und Mönch^
orden traten, und so ist für die ältesten unter diestN'
im Morgenlanve die Basilianer, im Abendlande d»'
Beneviktiner, auf alle Zeit hinaus Schwarz die Stande^
farbe geworden. Auf die Benediktiner sind die von d>'>
Regel des h. Augustinus, die Kanoniker, deren Leb>'N
ja wesentlich ein Priesterthum, nur iu klösterlichen Forn»''
ist, mit Weiß gefolgt, die Cisterzienser sodann »»
Grau. Nur den Franziskanern hat eine ganz »»»>'
Farbe beliebt, die braune, die noch mißfarbiger
Grau und noch viel mehr ein Ausdruck der verzickstend>'>'
Demuth zu seiu scheinen dürfte. Bekannt ist, wie »>»"
die einzelncn Bruderschaften und deren Klöster schle^^
hin nach dcr Farbe der Ordenstracht zu benennen
pflegt, wie häufig nian also nicht Benediktiner ode
Domiuikaner gesagt hat, sondern schwarzer Brude>'
 
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