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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Vermischte Nachrichten,

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Urtheil Schiller's erinnert werden, welches mit zu dem Besten
und, trotz der sogenannten Popularität des Dichters, zu dem
am wenigsten Bekannten gehört, was über diesen Gegenstand
gesagt würde, „Einen Charakter verschönern", heitzt es in
einem der Briefe an den Herzog Friedrich Christian von
Schleswig-Holstein-Augustenburg über die ästhetische Erziehung,
„und einen Charakter idealisiren sind zwei ganz verschiedene
Dinge. Dieses letzte kann nur der vortreffliche Künstler;
jenes ist der gewöhnliche Behelf des mittelmäßigen. Jeder
individuelle Menschencharakter ist wieder seine eigene Gattung
und die augenblicklichen Erscheinungsweisen sind nur ver-
schiedens Arten dieser Gattung. Diese augenblicklichen Er-
scheinungsweisen sind zum Theil zufällig, weil äußere vor-
übergehende Umstände darauf Einfluß haben, und weil sie
nicht vom Charakter allein ausgehen, so können sie auch kein
treues Bild desselben sein. Um dieses treue Bild zu erhalten,
muß man das Jnnere und Bleibende, was ihnen zum Grund
liegt, von dem Zufälligen abzusondern wissen, man muß
die Gattung oder das Generische dieser Jndividualität auf-
suchen und das nenne ich ein Porträt idealisiren. Die
Eigenthümlichkeit eines Charakters verliertbei dieserOperation
nicht nur gar nichts, sondern sie kann nur auf diesem ein-
zigen Weg gefunden werden; denn weil man nur das Zu-
fällige und was von außen kommt davon abgezogen hat, so
muß das Jnnere und Bleibende desto reiner zurückbleiben.
Frsilich wird ein auf diese Art entworfenes Bild dem Original
in keinem einzigen Moment vollkommen gleichen, aber es
wird ihm im Ganzen desto treuer sein." Von Barvitius
in Prag sahen wir ein Reiterporträt, welches, einfach und
schlicht in der äußeren Behandlung, eine solide Mal-
technik zeigte, ebenso ein weibliches Porträt von Frl, Bertha
Froriep in Weimar. Rögels in Barmen hatte diesmal
das Porträt eines älteren Herrn und das eines Knaben, so-
wie einen vorzüglich schönen Studienkopf auf der Ausstellung,
L. Katzenstein hier zwei flott gemalte Kinderporträts (ganze
Figur) mit geschmackvoll gewählter landschastlicher Staffage.
Zwei mit feinem Verständniß behandelte Kopfstudien von
F. Beinke gelangten unlängst mit einer größeren Anzahl
von Gemälden verschiedenen Genre's von der letzten größeren
Ausstellung in Dessau hierher,

0. L. Prof. Wislicenus stellte im Salon des Herrn
Schulte zwei Bilder aus, Frühling und Sommer, welche für
das Nationalmuseum in Berlin bestimmt sind. Jdeale Ge-
stalten von den Wänden der permanenten Ausstellung in
Düsseldorf herabschauen zu sehen, das ist eins Seltenheit;
sie erscheinen wie das Mädchen aus der Fremde. Vom
Publikum werden sie mihtrauisch betrachtet, von den Künst-
lern besonders scharf und von einem einseitigen Standpunkt
aus beurtheilt. Wer aber die Kunst als eine Erlöserin von
dem Druck des Alltagslebens und seiner vernichtenden Prosa
erkannt hat, der heißt diese Gebilde der schaffenden Phantasie
willkommen, Das holde Mädchen, an der Grenze der Kind-
heit, welcheS zwischen auskeimenden Blumen und spielenden
Thieren auf dem Rasen sitzt, den Weißdornkranz im Haar,
erweckt in ihrer knospenhaften Frische, in dem ahnungsvollen,
schwärmerischen Ausdruck des Gesichtes ganz das träumerische
Wohlgefühl der ersten Lenztage. Mit naivem Staunen blickt
sie auf ein Vogelnest, das sie wohl eben aus den Zweigen
genommen hat und jetzt in der erhobenen Hand hält, während
die Alten sich bemühen, den Jungen Futter zuzutragen. Leben
und Liebe sind dem kindlichen Mädchen noch ein Räthsel, an
dessen Lösung es sich zum ersten Male wagt. Schade, daß
der Künstler noch einen Amor, welcher ihr in's Ohr flüstert,
für nöthig hielt, um das Motiv zu erklären. Das heißt
dieselbe Sache zweimal sagen, es wird der Eindruck dadurch
eher abgeschwächt als gesteigert. Möchten wir nun schon mit
dem Gedanken hadern, so noch mehr mit der Ausführung,
denn dieser Liebesgott drückt schwer auf die zarte Gestalt,
und das Gewirr seiner Flügel, seiner flatternden rothen
Schärpe, dazu der herbeifliegende Vogel, alles das verwirrt
den Beschauer, zumal da das Nest nicht natürlich erscheint
und an sich schon ein kleines Studium erfordert. Der Knabe,
welcher, zu den Füßen der anmuthigen Jungfrau sitzend, sein
Gesicht entschleiert, ein Sinnbild der im Frühling sich ent-
schleiernden Natur, erhüht die Wirkung des Ganzen, wenn
der Kopf auch zu kolossal und dsr Körper wenig reizvoll er-
scheint. — Jn der allegorischen Figur des Sommers tritt uns,

als Gegensatz zu der aufknospenden Schönheit des Frühlings,
ein gereiftes, in voller Blüthe stehendes Weib entgegen, edel
die Züge und doch charakteristisch, dunklen Haares, mit Roscn
gekrönt, die Sichel in der Hand. Eigenthümlich, großartig
gedacht ist dis Gewandung, insbesondere der vielverschlungene
Gurt. An ihre Kniee schmiegt sich ein Knabe, müde von der
Hitze, der, wie man zu sagen pflegt, seine Glieder nicht zü
lassen weiß. Diese Bewegung, so hübsch im Gedanken, spricht
sich nicht deutlich genug aus, indem man das Gebahren des
Kindes leicht für Ziererei halten kann. Um so weniger aber
läßt sich das Motiv im Vordergrunde, das kleine MädcheN'
welches sein Gesicht in Roien vergräbt, mißdeuten. Hier isi
die ganze Fülle, der Ueberfluß des Sommers ausgesprochen.
Diesen Reichthum erkennen wir auch wiedcr in bem goldenen
Aehrenfeld, welches das Bild abschließt, indeß der Lorbeer,
auf dem sich der Frauenkopf absetzt, uns an jene Zonen
mahnt, wo die Natur mit doppelter Freigebigkeit ihre Gaben
spendet. Die malerische Wirkung, so schön gedacht, würde
einheitlicher sein, wenn der Schatten über der Hauptfigur
etwas lichter gehalten wäre, da der untere Theil der Gestalt
jetzt fast ganz'oerschwindet. Keinen größeren Schaden aber
konnte der Künstler seinem Werke anthun, als durch die
hier angebrachte Umrahmung. Diese, platten, breiten Golv-
streifen werfen grelle Glanzlichter zurück und vernichten osi
geradezu die Wwkung der wahrhaft poetischen Bilder.

tzenilischte Nnchrichtkii.

Dcnkmäler siir Wilhelm und Alerandcr von humboldt.

Jm Staats-Anzeiger veröffentlicht das preußische Unterrichtss
Ministerium folgenden Bericht des Komitö's über die vor
dem Universitätsgebäude zu Berlin zu errichtenden Stanv-
bilder der Gebrüder Wilhelm und Alexander von Humboldt-
Bei Gelegenheit der hundertjährigen Jubelfeier des Gs-
burtstages Alexander's von Humboldt im Jahre
träten Berliner Notabilitäten zusammen, unr ein ösfentliches
Denkmal des großen Forschers auf Kosten der Itation zu
Stande zu bringen. Ein Komitö wurde gewählt, dessen Be-
mühungen von solchem Erfolge gelrönt gewesen sind, datz
jetzt eine Summe von ungefähr 1VV,0t>i) Mark zu jensi"
Zwecke bereit liegt. Zu dieser Summe trugen vornehmlml
Deutsche im deutschen Reiche und im Auslande, auch iu dtzü
entferntesten überseeischen Plätzen, außerdem Angehörust
verschiedener anderer Nntionalitäten bei, worüber seiner
in öffentlichen Blättern berichtet wurde Wie stets, wenn üs
Berlin ein Denkmal errichtet werden soll, bot nun die Es-
werbung eines geeigneten Platzes die größte Schwierigkei
dar; uni so mehr iisidiesem Falle, alS wünschenswerth scksis'-
das Denkmal in der Nähe des wissenschaftlichen Mittelpuiikte-'
der Hauptstadt, bei der Akademie, Universität und Bibliothei,
sich erheben zu sehen. Nach längeren fruchtlosen Verhaiiv-
lungen bat das Komito ven Senat der königlichen Fricdriasi
Wilhelms-Universität um Erlaubniß, das Standbild Alcxaw
der's von Humboldt auf dem Grund und Boden dc
Universität zu errichten. Der Senat erklärte jedoch, stsisi
Einwilligung hierzu nur geben zu können, wenn gleichzeum
als Parallelstatue ein Standbilv Wilhelm's von Humbdlv
errichtet würde, des Staatsmannes, der, als Rathgeber KdN ö
Friedrich Wilhelm's III., an der Gründung der Universud
den wesentlichsten Antheil gehabt hatte. Herr Geh s-dsi '
Hof-Baurath Strack, der die 'Bemühungen des Komitös eilr'gl
rmterstützte, entwarf nunmehr folgenden Plan: Jn dem Gitlc -
welches den Vorgarten des Universitätsgebäudes vom Oper ^
platze trennt, sollen beiderseits vom Mittelportal Ilisch^
angebracht werden, in welchem die Standbilder der Gebruv
v. Humboldt etwa so zu stehen kommen, wie das des Grai
Brandenburg in dem Gitter auf dem Leipziger Platze. U
diesem Plane gab der Senat seine Zustiinmung. Jetzt a ^
handelte es sich darum, wie die Mittel für Errichtung
Standbildes Wilhelm's von Humboldt zu beschaffen stu'.
Die Mittel des Komitö's hätten zur Noth, vollends durch c .
neueSammlung unterstützt, für beide Standbilder ausgere ^
allein es ist durch den Wortlaut seines.Aufrufes gebunvc,
etwaige Ueberschüsse der bei der Akademie der Wisseirschas
bestehenden Humboldt-Stiftuiig für Naturforschung und ReN^
zu überweisen, und üb.rdies konnte es nicht der Aerul >^
Konütö's sein, eine Sammlung für das Standbild Wuyem
 
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