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Bemerkungen über die heutige Gartenkunst.
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Jn einem Garten, welcher eine künstliche Ver-
einigung von Pflanzen darstellt, müssen ähnliche Grund-
sätze als wirksam auftreten, wie sie an den einzelnen
Bestandtheilen der Vegetation selbst beobachtet werden
können. Und zwar müssen in einem Garten diese
Gesetze reiner und klarer zum Ausdrucke gelangen,
als dies in einer vernachlässigten, wilden Gegend der
Fall ist, wo in den meisten Fällen Zufälligkeiten sich
ergeben, welche das Resultat von regellos auf einander
einwirkenden Kräften sind.
Ein Garten muß also von bestimmten Gesetzen
beherrscht erscheinen. Bei keinem Theile soll man ver-
sucht sein, an Zufall, an Willkür oder an unvorher-
gesehenen Einfluß äußerer Störungen zu denken. Die
„Landschaftsgärtner" unseresJahrhunderts stellten gewisse
Gesetze auf, nach welchen allein, wie sie sagen, ein
Garten angelegt werden soll; aber sie haben vergessen,
daß diese Gesetze nicht allein von dem Anpflanzen
bestimmt werden, sondern daß dabei auch die herrschende
Geistesrichtung der Zeit mitwirkt. Wie auf allen Kunst-
gebieten je nach Zeit und Volk verschiedene Stile ent-
standen, so kann auch für die Gartenkunst von einer
absoluten Schönheitsregel, einem allgemein giltigen ästhe-
tischen Kanon keine Rede sein. Die Bildungsgesetze im
gothischeu Stil und im griechischen Stil beruhen auf
gauz entgcgengesetzten Prinzipien, und doch wird man
nicht die einen als allein richtig und die anderen als
falsch bezeichnen wollen, da beide als der wahre Aus-
druck unb Aussluß einer bestimmten Geistesrichtung sich
barstellen unb immer Kunst bleiben, wenn auch die
Richtung der Zeit wechselt.
Die strenge Nachahmung der Natur hat aufgehört
in unsern Augen für Kunst zu gelten; Niemand wird
eine gelungene Photographie einem Gemälde von Kunst-
werth gleichstelleu wollen. In diesem Sinne sind auch
unsere heutigen GLrtner keine Künstler, sondern blos
Handwerker. Der Engländer Kent verbannte die „hand-
werksmäßige" Gartenkunst; er wußte aber nicht an ber
richtigen Grenze still zu stehen. Er ahmte dic Natur
so glücklich nach, daß cr schließlich glaubte, ihre Werke
seien alle gleich geeignet zur Nachahmung. Jm Garten
von Kensington pflanzte Kent sogar todte Bäume, um
Ler landschaftlichen Scenerie das Ansehen von Wahrheit
zu geben, bis ihn die spöttischen Bemerkungen seiner
Landsleute von solchen Uebertreibungen abbrachten. Kent's
Anschauung, die für nnsere Gärtner so verderblich werden
sollte, war, „dieNatur verabscheue geradeLinien".
Seine Nachahmer glaubten, daß nichts schön sein könne,
was nicht krumm wäre. Und alle unsere neueren
Gartenanlagen beweisen, daß selbst Männer von Ge-
schmack bieser Ansicht huldigeu, und man muß darüber
staunen, daß nicht noch mehr Ungereimtheiten in unsern
Gärten zu sinden sind.
Der neue englische Geschmack, ber alle Regel-
mäßigkeit verbannte, führte allerdings für den Handels-
gärtner und Baumschulenbesitzer beträchtliche Vortheile
mit sich. Einer derselben ist der freie Gebrauch aller
Arten von ausländischen Bäumen und Sträuchern. Viele
Gartenanlagen könuten heutigen Tages sehr leicht der
ausländischen Bäume und Sträucher entbehren, zmual
wenn wir den Vorrath an einheimischen Bäumen bcsscr
gebrauchen lernten. Das schnelle Wachsthum z. B. der
Ailanthus dürfte vielleicht hier und da den Anlaß zu ihrer
Anpflanzung gegeben haben und dieselbe möglicherweist'
entschuldigcn.
Den Gärten früherer Jahrhunderte warf man die
kostspieligen Anlagen der Wasserkünste, den Ueberfluß a"
Statuen und Basen vor, die freilich uicht wenig gekostet
haben mögen. Auch die Ausgaben für das Beschneiden
der Hecken, Allecn rc. sind nach den Begriffen der Land-
schäftsgärtner zu ersparen; denn ihre Anpflanzungen er-
halten sich von selbst — weil sie frei uuter der Hand
der gütigen Natur aufwachsen. Aber kein Landschasts-
gärtner bedenkt, daß die Plätze der alten Gärten durch'
weg kleiner waren, als die neueren Anlagen sie erfordern,
und daß der Begriff von Garten und Park noch
immer unbestimmt und schwankenv ist. Die Vorurtheile,
dieVerschiedenheit des Geschmackes und dieVeränderungeu
in der Gartenkunst selbst lassen nicht so leicht die Grenst
bestimmen, wo der Garten aufhört und der Park an-
fängt. Dem Begriff eines „Gartens" muß nach unstrer
Meinung Kle-nheit und Symmetrie als unterscheidender
Charakter beigelegt werden, während das Ländliche, da^
Freie und Große dem „Park" zukommt.
Es ist eine gauz seltsame Verblendung, wenn n>au
die Neuerungen, welche die Garteukünst in England »nd
besonders in Paris unter Napoleon III. erfahren hat-
für etwas Vollendetes ansieht. Eine eingehende Unter-
suchung lehrt uns leicht die mancherlei Verirrungen de^
dortigcn „Landschaftsgärtner" kennen. Der erheblichst^
und am wenigsten erkannte Fehler ist die Einseitigkeü-
welche ihnen eigen ist. Diese Einseitigkeit läßt nur dn
Anlage im landschaftlichen Sinne zu und schließt aües
Architektonische aus, ohue daß auf die VerschiedenheÜ
der Bodengestaltung, deu eigenthümlichen Charakter oe>
Gegcnd, des Standes und der Bedürfnisse des Besitzs^
Rücksicht genommen wird. Diese Einseitigkeit zeigt '
gauz besonders in der Art, die Pflanzen zu grupp>"'"
und zu dekorativen Wirkungen zu verwenven.
Unsere heutigen Gärtner machen es sich zur Aas
gabe, nur das in ihren Gärten zu wiederholen, was st^
anderwärts gesehen haben, nnd jede Kopie scheint d^>
Ruhm ihres Geschmackes zu begründen, insofern sie stigt-
daß der Gärtner in England oder Frankreich gewest
ist. Gewöhnlich hat er viel gesehen, aber wenig beobacht^'
viel gelernt, aber wenig gedacht. Er wird jeden st
Bemerkungen über die heutige Gartenkunst.
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Jn einem Garten, welcher eine künstliche Ver-
einigung von Pflanzen darstellt, müssen ähnliche Grund-
sätze als wirksam auftreten, wie sie an den einzelnen
Bestandtheilen der Vegetation selbst beobachtet werden
können. Und zwar müssen in einem Garten diese
Gesetze reiner und klarer zum Ausdrucke gelangen,
als dies in einer vernachlässigten, wilden Gegend der
Fall ist, wo in den meisten Fällen Zufälligkeiten sich
ergeben, welche das Resultat von regellos auf einander
einwirkenden Kräften sind.
Ein Garten muß also von bestimmten Gesetzen
beherrscht erscheinen. Bei keinem Theile soll man ver-
sucht sein, an Zufall, an Willkür oder an unvorher-
gesehenen Einfluß äußerer Störungen zu denken. Die
„Landschaftsgärtner" unseresJahrhunderts stellten gewisse
Gesetze auf, nach welchen allein, wie sie sagen, ein
Garten angelegt werden soll; aber sie haben vergessen,
daß diese Gesetze nicht allein von dem Anpflanzen
bestimmt werden, sondern daß dabei auch die herrschende
Geistesrichtung der Zeit mitwirkt. Wie auf allen Kunst-
gebieten je nach Zeit und Volk verschiedene Stile ent-
standen, so kann auch für die Gartenkunst von einer
absoluten Schönheitsregel, einem allgemein giltigen ästhe-
tischen Kanon keine Rede sein. Die Bildungsgesetze im
gothischeu Stil und im griechischen Stil beruhen auf
gauz entgcgengesetzten Prinzipien, und doch wird man
nicht die einen als allein richtig und die anderen als
falsch bezeichnen wollen, da beide als der wahre Aus-
druck unb Aussluß einer bestimmten Geistesrichtung sich
barstellen unb immer Kunst bleiben, wenn auch die
Richtung der Zeit wechselt.
Die strenge Nachahmung der Natur hat aufgehört
in unsern Augen für Kunst zu gelten; Niemand wird
eine gelungene Photographie einem Gemälde von Kunst-
werth gleichstelleu wollen. In diesem Sinne sind auch
unsere heutigen GLrtner keine Künstler, sondern blos
Handwerker. Der Engländer Kent verbannte die „hand-
werksmäßige" Gartenkunst; er wußte aber nicht an ber
richtigen Grenze still zu stehen. Er ahmte dic Natur
so glücklich nach, daß cr schließlich glaubte, ihre Werke
seien alle gleich geeignet zur Nachahmung. Jm Garten
von Kensington pflanzte Kent sogar todte Bäume, um
Ler landschaftlichen Scenerie das Ansehen von Wahrheit
zu geben, bis ihn die spöttischen Bemerkungen seiner
Landsleute von solchen Uebertreibungen abbrachten. Kent's
Anschauung, die für nnsere Gärtner so verderblich werden
sollte, war, „dieNatur verabscheue geradeLinien".
Seine Nachahmer glaubten, daß nichts schön sein könne,
was nicht krumm wäre. Und alle unsere neueren
Gartenanlagen beweisen, daß selbst Männer von Ge-
schmack bieser Ansicht huldigeu, und man muß darüber
staunen, daß nicht noch mehr Ungereimtheiten in unsern
Gärten zu sinden sind.
Der neue englische Geschmack, ber alle Regel-
mäßigkeit verbannte, führte allerdings für den Handels-
gärtner und Baumschulenbesitzer beträchtliche Vortheile
mit sich. Einer derselben ist der freie Gebrauch aller
Arten von ausländischen Bäumen und Sträuchern. Viele
Gartenanlagen könuten heutigen Tages sehr leicht der
ausländischen Bäume und Sträucher entbehren, zmual
wenn wir den Vorrath an einheimischen Bäumen bcsscr
gebrauchen lernten. Das schnelle Wachsthum z. B. der
Ailanthus dürfte vielleicht hier und da den Anlaß zu ihrer
Anpflanzung gegeben haben und dieselbe möglicherweist'
entschuldigcn.
Den Gärten früherer Jahrhunderte warf man die
kostspieligen Anlagen der Wasserkünste, den Ueberfluß a"
Statuen und Basen vor, die freilich uicht wenig gekostet
haben mögen. Auch die Ausgaben für das Beschneiden
der Hecken, Allecn rc. sind nach den Begriffen der Land-
schäftsgärtner zu ersparen; denn ihre Anpflanzungen er-
halten sich von selbst — weil sie frei uuter der Hand
der gütigen Natur aufwachsen. Aber kein Landschasts-
gärtner bedenkt, daß die Plätze der alten Gärten durch'
weg kleiner waren, als die neueren Anlagen sie erfordern,
und daß der Begriff von Garten und Park noch
immer unbestimmt und schwankenv ist. Die Vorurtheile,
dieVerschiedenheit des Geschmackes und dieVeränderungeu
in der Gartenkunst selbst lassen nicht so leicht die Grenst
bestimmen, wo der Garten aufhört und der Park an-
fängt. Dem Begriff eines „Gartens" muß nach unstrer
Meinung Kle-nheit und Symmetrie als unterscheidender
Charakter beigelegt werden, während das Ländliche, da^
Freie und Große dem „Park" zukommt.
Es ist eine gauz seltsame Verblendung, wenn n>au
die Neuerungen, welche die Garteukünst in England »nd
besonders in Paris unter Napoleon III. erfahren hat-
für etwas Vollendetes ansieht. Eine eingehende Unter-
suchung lehrt uns leicht die mancherlei Verirrungen de^
dortigcn „Landschaftsgärtner" kennen. Der erheblichst^
und am wenigsten erkannte Fehler ist die Einseitigkeü-
welche ihnen eigen ist. Diese Einseitigkeit läßt nur dn
Anlage im landschaftlichen Sinne zu und schließt aües
Architektonische aus, ohue daß auf die VerschiedenheÜ
der Bodengestaltung, deu eigenthümlichen Charakter oe>
Gegcnd, des Standes und der Bedürfnisse des Besitzs^
Rücksicht genommen wird. Diese Einseitigkeit zeigt '
gauz besonders in der Art, die Pflanzen zu grupp>"'"
und zu dekorativen Wirkungen zu verwenven.
Unsere heutigen Gärtner machen es sich zur Aas
gabe, nur das in ihren Gärten zu wiederholen, was st^
anderwärts gesehen haben, nnd jede Kopie scheint d^>
Ruhm ihres Geschmackes zu begründen, insofern sie stigt-
daß der Gärtner in England oder Frankreich gewest
ist. Gewöhnlich hat er viel gesehen, aber wenig beobacht^'
viel gelernt, aber wenig gedacht. Er wird jeden st