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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [3]
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Die akademische Kunstausstellung in Berli».

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was ich an diesem steinernen Antlitze anszusetzen
^öe, ist d»s allzu kräftige Jnkarnat. Der Fiirst sagt
^usdriicklich: „Jch ritt ungewaschcn nnv ungefrühstückt
Akgen Sedan." Der Fürst auf vein Bilde sicht aus,
uls vb er sehr stark gefrühstückt hätte. — Jm Wagen
Ultt neben dcm Kaiser General Wimpffen, der, eben aus
ftika angelangt, die schwere Anfgabe hattc, cine Nieder-
uge zu bescheinigen, die er nicht verschnldet', den Rnck-
^ nehmen General Reille und Prinz Achille Murat
^u. Der Zng ist eben an eincr Biegung dcs Weges
uugelangt. Der Kutscher, ein ältlicher Mann, der in
ein Dienste seines Herrn crgraut und von dem Ernste
Situation tief ergrifsen ist, zieht das Handpferd an,
u>n die Wendnng ausführen zu können. Einen schneidcn-
^u Gegensatz zu dem Kutscher vorn bildet dcr Diener
^uf dem Hintersitz, der, die Arme über die Brust ge-
^uzt, so gleichgiltig dreinschaut, als gälte es einer
pazierfahet in das Bois de Boulogne. Wie man
ist das Bild reich an fesselnden Zügen und voll
s'aniatisch bewegten Lebens. Es steht in dieser Be-
'^hung unendlich höher als ein anderes Bild, das
. ^uiphausen kürzlich vollendete und das leider zu seinen
^unglückten zu zählen ist: „der Empfang des Kaisers
llhelm beim Siegescinzug ans dem Pariser Platz".
us neue Bild hat anch schr hohe malcrische Vorzüge
uud koinmt in dieser Hinsicht den bestgemalten Bildern,
wir von Camphauscn's Hand besitzen, den Reiter-
°llräts des großen Kurfürsten und Friedrich's 11. im
^ ' Schlosse, völlig gleich.

Die Vollziehung der Präliminarien, welche dieses
'llueltgeschlchEliche Ereigniß" einleiteten, hat Bleibtreu
'Uui Gegenstande eines kleinen interessanten Bildes ge-
das sich auf den ersten Blick ziemlich ungünstig,
^avezu flau und charakterlos präsentirt, das aber 'bei
di/^^ und eingehender Betrachtung Vorzüge aufweist,
kt n^" Eindruck wieder verwischen. Das Bild
^ uie Unterredung zwischen dem General v. Winipffen
deni Grafen Mvltke über dic Bedingungen der
s^'^^ution dar. Die Situation kann nicht besser ge-
^u^den als durch die bekannte Erzählung des
^'llstcn o. Verdy, welche offenbar den Anstoß und die
, ^"udliuien zum Bleibtreu'schcu Bilve gegeben hat.
als ungefähr l t Uhr Abends, erzählt der Oberst,
dcn, wnrde, General v. Wimpsfen halte vor

lle ^ause. Wje hegaben uns nach dem am Flur
getrH'^" Zinimer; auch Graf Bismarck war hier ein-
»nd General v. Wimpffen mit noch zwei Gencralen
^aw x^^^uen Avjutanten, alle noch die Spnren des
dicht stch tragend, traten in das Zimmer, welches

Ävei^!"^ Umrde. Eine seltsam wunderbare Scene!
v^s' ^undelaber mit heruntergcbrannten Lichtern von
bxj . ^ ^'er Größe und eine altc Schiebelampe reichten
^ vollgefülllen Stubc nicht zur Beleuchtuug aus;

um dcn Tisch setzten sich die Gcnerale und Graf Bis-
marck, wir Andern umstanden ihre Stühle. Die ver-
schiedenen Uniformen, die feicrlicheStille, die von Schweiß
und Staub bedcckten ernsten Gesichter in der fast ma-
gischen Beleuchtung, Alles das wird uns unvergeßlich
blciben. Und zu alledem kam, daß, wo durch das aus-
gesprungcnc Stück der Lampenglocke ein Streiflicht die
Wand hinauf glitt, dieses gerade auf cin vortrefsliches
Bild des ersten Napoleon fiel, der von oben herab wic
aus einer Gcisterwelt stunim fragend auf die wunder-
bare Scene zu seinen Füßen blickte." Bleibtreu hat
auch nach dicser Beschreibung dcn Hauptaccent auf das
Seltsame, Wunderbare gelegt. Wir werden vor diesem
Bilde in Etwas an die phantastisch beleuchtete „Nacht-
wache" Renibrandt's erinnert. Die Situation hat gerade
ihren Höhepunkt erreicht. Einer der französischcn Generäle
ist in seiner Erregnng aufgesprungen, um den letzten
Versuch zu machcn, mildere Bedingungen ansznwirken.
Jhm gegenüber steht General v. Moltke in dcr selt-
sanisten Beleuchtung, welche seinen Zügen einen fast
dämonischen Glanz verleiht, das glühende Auge fest auf
den Gegner gerichtet: „Wenn ich bis 9 Uhr früh nicht
Jhrc Antwort habe, erfolgt das Signal zum Beginn
der Feindseligkeit." Der Mann, der wie aus Erz ge-
gossen neben dem Strategen sitzt, macht nicht die leiseste
Bewegung trotz deS aufregenden Moments. Seine Augen
ruhen lauernd auf dem feindlichen Generale. Er weiß,
daß er im nächsten Augenblicke wieder zusammenbrechen
und sich in das Unvermeidliche fügen wird. — Camp-
hansen's und Bleibtreu's Bilder gehören zu den inter-
essantcsten und werthvollsten unter allen, zu welchen der
deutsch-französische Krieg den Stoff hergcgebcn hat.

Ein zweites Bild Bleibtrcu's ist kein Historienbild
in dem großen Stile des ersteren, es ist ein niilitärisches
Gedenkblatt, das zunächst für einen bestimmten Zweck
gemalt ist und demnach auch zunächst nur ein spezielles
Jnteresse besitzt. Es stellt die Begrüßung des Leib-
regiments durch den Kaiser auf dem Schlachtfelde von
Vionvillc dar und ist im Auftrage des Regiments ge-
malt worden. Die Scene ist frisch und lebendig, nn-
gemciii wahr und charaktcristisch aufgefaßt, wie die ähn-
lichen Bilder Blcibtreu's, die solche „Begegnungen" und
„Begrüßungcn" auf den Schlachtfeldern darstellen, aber es
erhebt sich doch nicht übcr den Werth eines historischen
Genrebildcs.

Ein eigentlicher Schlachtenmaler mit starl blutigem
Beigeschmack, dcssen Anibilion auch nicht nach dem
Kranze cines Historiennialers greift, ist Ler Düsseldorfer
Hünten. Er malt aussck'ließlich einzelne „Gefechts-
momcute", wie es in der taktischen Sprache heißt, mili-
tärische Erinnerungsblätter, dercn Werth stch zunächst
den direkl Betheiligten erschließt. Doch weiß Hünten mit
großcm Geschick und mil großcr Energie den Anprall
 
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