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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
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Tisch der Protokollführer, mit all' den niedlichen Schreib-
geräthen belegt, die man in Pompeji und anderwärts
gefunden hat. Die Schreiber verbeugen sich tief vor
dem nahenden Gebieter. Ganz im Vordergrunde rechts
steht vor der Statue des Augustus, derselben, die im
Iahre 1863 in der Villa der Livia gefunden wurde,
eine Gruppe von drei Personen: ein Diener, ein Bacchus-
priester und eine Dienerin mit einem Trinkgefäß, die
zur Hausgeuossenschaft zu gehören scheinen. Wir be-
wunderp auch hier wieder das fabelhafte Geschick, mit
dem der Künstler den antiken Marmor, die Statue, die
Gewänder und die archäologischen Kleinigkeiten gemalt
hat. Wir staunen über die feine Abtönung der Luft
im Hintergrunde und über die pikante Verwerthung des
eindringenden Lichts. Aber der Eindruck des Gemachten
bleibt überwiegend, wiewohl der Maler durch die Gruppe
im Vordergrunde die Erinnerung an die Lebendigkeit
und die Wahrheit seiner früheren Bilder rege gemacht
hat. Es muß übrigens hervorgehoben wcrden, daß das
egyptische Bild — Alma-Tadema datirt seine Bilder
nicht, er numerirt sie — die Zahl 124, das römische
die Zahl 161 trägt.
Nach diesen Ausführungen braucht nicht mit Nach-
druck betont zu werden, daß die Nachahmcr Alma-Tade-
ma's in noch viel höherem Grade äußerlich geblieben sind,
um so mehr, als keiner von ihnen auch uur einen Theil
seiner stupenden koloristischen Fähigkeiten besitzt. Sie
haben einfach nur das Stoffgebiet aunektirt und die
minutiöse Ausführung der archäologischen Details nach-
geahmt. Am unabhängigsten und darum auch am geist-
vollsten ist Albert Baur geblicben, der nach einem
kurzen Jntermezzo in Weimar wieder nach Düsseldorf
übergesiedelt ist. Sein großes Historienbild von der
vorigen Ausstellung, „Ottol. an der Leiche seiuesBruders
Thankmar", war unerfreulich in der Farbe und ungeschickt
in der Komposition. Seine neuen Bilder zeigen einen
geradezu überraschenden koloristischen Fortschritt, einen
Saft und eine Kraft in der Farbe, die uach dem alten,
soliden Recept der Düsseldorfer Historienmalerei, aber
mit neuen französischen Jngredienzien gemischt zu sein
scheint. Was uns auf seinem großen historischen Genre-
bilde, „Paulus predigt zum ersten Male in Rom vor
den Vorstehern der römischen Judengcmeinde", zumcist
an den Niederländer erinnert, ist die Behandlung der
Details und der Lokalität. Der zierliche Mosaikfußbodcn,
die Waffeu und die Panzer der Krieger, die den Apostel
bewachen, die Gerälhschaften und dgl. sivd mit einem
Fleiß, einem Eifer und ciner Wahrheit behandelt, die
vordem nicht erhört war. Es ist dies eine natürliche
Folge der realistischen Neigungen unserer Zeit, die sich
auch aus dem Gebiet der darstelleuden Kunst neuerdings
geltend gemacht haben. Aber es mußte ein Judividuum
auftreten, welches den Anstoß zu der sorgsamen Beach-
tung und Behandlung der bisher für nebensächlich ge-
haltenen Details gab — und das war Alma-Tadema.
Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß hierin sein aus-
schließliches Berdienst zu suchen ist.
Die Komposition des Baur'schen Bildes, das eine
große Fülle von Figuren vereiuigt, leidet an dem schon
oft an seinen Bildern gerügten Mangel der Einheitlich-
keit. Wir finden eine ganze Menge interessanter und
bedeutsamer Züge, die uns fesseln, aber sie vereinigen
sich nicht zu einem bedeutenden Gesammteindruck. Der
predigende Apostel hat das Aeußere eines jener religiösen
Fanatiker, welche die älteren Düsseldorfer als Hciligc
und Märtyrer malten. Er hat zwar eben eine lange
und gefährliche Seereise überstanden; aber es wärc für
das Bild ungleich wirkungsvoller gewesen, weun man
ihm die Folgen dieser Seereise uicht anmerkte. Religiösc
Begeisterung und körperliche Unzulänglichkeit sind j?
Eigenschaften, deren Gemeiuschaft althergebracht ist; cs
wäre jedoch endlich cinmal an der Zeit, wenn sich unserc
Historienmaler von dieser Tradition emancipirten. Hinter
Paulus sitzeu die Kriegsknechte an einem Tische, niit
Würfelspiel beschäftigt. Eincm der Spieler hat aber
eines der flammenden Worte, welche den Lippen des
begeisterten Redners cntströmen, in's Herz getroffen. §r
hält inne uud horcht erstaunt auf. Auch in der Gruppc
der zuhörcnden Juden, unter denen sich eine große An-
zahl interessanter Charakterköpfe befindet, thut stch
mannigfaltige Bewegung kund. Der Vorderste, wie es
scheint das Haupt der Gemeinde, sitzt mit lang aus-
gestreckten Beinen auf einem Stuhle, die Arme fest
seinen Mantel gewickelt. Ein Zug vornehmer Ueber-
legenheit und Geringschätzung umspielt seine Lippc"-
Andere bewegcn ungläubig die Köpfe, iu anderen schcint
es zu däwiiierri, als ob das Licht des Evangeliums all-
mählich ihre Herzen erleuchte. Zu ihnen gehört a»ch
ein juuges Paar im Hintergrunde hart an der Wanv-
Von heiligem Schauer und der Ahnung des HöchsteN
ergriffen, birgt das Mädchen ihr Haupt an der Brust
des Geliebten. So läßt sich eine Anzahl interessantü
und fesselnder Züge zusammenreiheii, die uns mit Hoch"
achtung vor dem ernsten Streben des Künstlers erfüllcN-
Aber der Gesammteindruck des Bildes bleibt doch e^
getheilter. Getheilt im wahren Sinne des Wortes, we>
wie bei dem Knaus'schen Bilde ein Riß durch die Koinp^
sition geht, der das Bild in zwei ungleiche Hälften thestt'
links der Apostel und die Kriegsknechte, rechts da^
Auditorium. Endlich — und das ist der Kapitalfehlct
dieses wie vieler auderen Historienbilder — die Haupt'
person vermag im Wetteifer um das Jnteresse des 2^
schauers den Sieg über die Nebenfiguren nicht davolst
zutragen. — Zwei autike Genrebilder — Amazouen uR
der Bäreujagd und ein träumender Iüngling von Nläd
chen belauscht — leiden nicht an mangelhafter Konip^
Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
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Tisch der Protokollführer, mit all' den niedlichen Schreib-
geräthen belegt, die man in Pompeji und anderwärts
gefunden hat. Die Schreiber verbeugen sich tief vor
dem nahenden Gebieter. Ganz im Vordergrunde rechts
steht vor der Statue des Augustus, derselben, die im
Iahre 1863 in der Villa der Livia gefunden wurde,
eine Gruppe von drei Personen: ein Diener, ein Bacchus-
priester und eine Dienerin mit einem Trinkgefäß, die
zur Hausgeuossenschaft zu gehören scheinen. Wir be-
wunderp auch hier wieder das fabelhafte Geschick, mit
dem der Künstler den antiken Marmor, die Statue, die
Gewänder und die archäologischen Kleinigkeiten gemalt
hat. Wir staunen über die feine Abtönung der Luft
im Hintergrunde und über die pikante Verwerthung des
eindringenden Lichts. Aber der Eindruck des Gemachten
bleibt überwiegend, wiewohl der Maler durch die Gruppe
im Vordergrunde die Erinnerung an die Lebendigkeit
und die Wahrheit seiner früheren Bilder rege gemacht
hat. Es muß übrigens hervorgehoben wcrden, daß das
egyptische Bild — Alma-Tadema datirt seine Bilder
nicht, er numerirt sie — die Zahl 124, das römische
die Zahl 161 trägt.
Nach diesen Ausführungen braucht nicht mit Nach-
druck betont zu werden, daß die Nachahmcr Alma-Tade-
ma's in noch viel höherem Grade äußerlich geblieben sind,
um so mehr, als keiner von ihnen auch uur einen Theil
seiner stupenden koloristischen Fähigkeiten besitzt. Sie
haben einfach nur das Stoffgebiet aunektirt und die
minutiöse Ausführung der archäologischen Details nach-
geahmt. Am unabhängigsten und darum auch am geist-
vollsten ist Albert Baur geblicben, der nach einem
kurzen Jntermezzo in Weimar wieder nach Düsseldorf
übergesiedelt ist. Sein großes Historienbild von der
vorigen Ausstellung, „Ottol. an der Leiche seiuesBruders
Thankmar", war unerfreulich in der Farbe und ungeschickt
in der Komposition. Seine neuen Bilder zeigen einen
geradezu überraschenden koloristischen Fortschritt, einen
Saft und eine Kraft in der Farbe, die uach dem alten,
soliden Recept der Düsseldorfer Historienmalerei, aber
mit neuen französischen Jngredienzien gemischt zu sein
scheint. Was uns auf seinem großen historischen Genre-
bilde, „Paulus predigt zum ersten Male in Rom vor
den Vorstehern der römischen Judengcmeinde", zumcist
an den Niederländer erinnert, ist die Behandlung der
Details und der Lokalität. Der zierliche Mosaikfußbodcn,
die Waffeu und die Panzer der Krieger, die den Apostel
bewachen, die Gerälhschaften und dgl. sivd mit einem
Fleiß, einem Eifer und ciner Wahrheit behandelt, die
vordem nicht erhört war. Es ist dies eine natürliche
Folge der realistischen Neigungen unserer Zeit, die sich
auch aus dem Gebiet der darstelleuden Kunst neuerdings
geltend gemacht haben. Aber es mußte ein Judividuum
auftreten, welches den Anstoß zu der sorgsamen Beach-
tung und Behandlung der bisher für nebensächlich ge-
haltenen Details gab — und das war Alma-Tadema.
Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß hierin sein aus-
schließliches Berdienst zu suchen ist.
Die Komposition des Baur'schen Bildes, das eine
große Fülle von Figuren vereiuigt, leidet an dem schon
oft an seinen Bildern gerügten Mangel der Einheitlich-
keit. Wir finden eine ganze Menge interessanter und
bedeutsamer Züge, die uns fesseln, aber sie vereinigen
sich nicht zu einem bedeutenden Gesammteindruck. Der
predigende Apostel hat das Aeußere eines jener religiösen
Fanatiker, welche die älteren Düsseldorfer als Hciligc
und Märtyrer malten. Er hat zwar eben eine lange
und gefährliche Seereise überstanden; aber es wärc für
das Bild ungleich wirkungsvoller gewesen, weun man
ihm die Folgen dieser Seereise uicht anmerkte. Religiösc
Begeisterung und körperliche Unzulänglichkeit sind j?
Eigenschaften, deren Gemeiuschaft althergebracht ist; cs
wäre jedoch endlich cinmal an der Zeit, wenn sich unserc
Historienmaler von dieser Tradition emancipirten. Hinter
Paulus sitzeu die Kriegsknechte an einem Tische, niit
Würfelspiel beschäftigt. Eincm der Spieler hat aber
eines der flammenden Worte, welche den Lippen des
begeisterten Redners cntströmen, in's Herz getroffen. §r
hält inne uud horcht erstaunt auf. Auch in der Gruppc
der zuhörcnden Juden, unter denen sich eine große An-
zahl interessanter Charakterköpfe befindet, thut stch
mannigfaltige Bewegung kund. Der Vorderste, wie es
scheint das Haupt der Gemeinde, sitzt mit lang aus-
gestreckten Beinen auf einem Stuhle, die Arme fest
seinen Mantel gewickelt. Ein Zug vornehmer Ueber-
legenheit und Geringschätzung umspielt seine Lippc"-
Andere bewegcn ungläubig die Köpfe, iu anderen schcint
es zu däwiiierri, als ob das Licht des Evangeliums all-
mählich ihre Herzen erleuchte. Zu ihnen gehört a»ch
ein juuges Paar im Hintergrunde hart an der Wanv-
Von heiligem Schauer und der Ahnung des HöchsteN
ergriffen, birgt das Mädchen ihr Haupt an der Brust
des Geliebten. So läßt sich eine Anzahl interessantü
und fesselnder Züge zusammenreiheii, die uns mit Hoch"
achtung vor dem ernsten Streben des Künstlers erfüllcN-
Aber der Gesammteindruck des Bildes bleibt doch e^
getheilter. Getheilt im wahren Sinne des Wortes, we>
wie bei dem Knaus'schen Bilde ein Riß durch die Koinp^
sition geht, der das Bild in zwei ungleiche Hälften thestt'
links der Apostel und die Kriegsknechte, rechts da^
Auditorium. Endlich — und das ist der Kapitalfehlct
dieses wie vieler auderen Historienbilder — die Haupt'
person vermag im Wetteifer um das Jnteresse des 2^
schauers den Sieg über die Nebenfiguren nicht davolst
zutragen. — Zwei autike Genrebilder — Amazouen uR
der Bäreujagd und ein träumender Iüngling von Nläd
chen belauscht — leiden nicht an mangelhafter Konip^