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Kunstliteratur.
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er ist der Wirklichkeit entrückt. Aber sein Zustand ist
kein ekstatischer, sondern der schrcckliche Mornent hat nur
die Thätigkeit seiner Nerven zeitweise unterbrochen. Nur
der eine Gedanke hält ihn noch aufrecht, der Gedanke
an seine Werke. Sein letzter Blick ist weltverachtend
auf die Kinder seines Geistes gerichtet, die zu seinen
Füßen liegen. Verbrennt ihr auch meinen Leib, meinc
Worte werden in alle Welt hinausfliegen! Vor dieser
dumpfen Energie scheint selbst der Henkersknecht Hoch-
achtung und Ehrfurcht zu bekommen.
L.
Lmistliteratur.
Deutsches Mater-Journal. Für den praktischen Ge-
branch der Zimmer- und Dekorationsmaler, Lackirer,
Architekten, Zeichenschulen u. s- w. Herausgegeben
von Prof. A. Gnauth, Architekt, und L. Lesker,
Maler in Stuttgart. Bd. I, Heft 1—4. Stutt-
gart, W. Spemann, 1876. Fol.
Den zahlreichen Journalen kunstgewerblichen Jn-
halts, welche die Förderung unserer Kunstindustrie im
Allgemeinen und von oben herab sich zum Ziel gesetzt
haben, tritt hier ein Blatt zur Seite, welches die gleiche
Aufgabe für ein bestimmt umgrenztes Fach und so zu
sagen von unten herauf zn lösen unternimmt. Es faßt
speciell die Zimmer- und Dekorationsmalerei, nebst den
damit in Zusammenhang stehcnden Gewerben des An-
streichers, Lackirers u. s. w. in's Auge, und zieht die
Architektur und die Kunstschule nur insoweit mit herbei,
als die eine als Trägerin, die andere als Pflegerin der
dekorativen Künste nothwendig zur Sache gehören.
Anlage und Ausführung des Ganzen können von
Herzen gut geheißen werden, und wir legen dabei ganz
besonders Gewicht darauf, daß hier nun einmal dem
bei uns so lange vernachlässigten malerischen Ete-
ment im Kunstgewerbe und in der Dekoration der
Wohnräume sein volles Recht wird. Es ist dringend
zu wünschen, daß es den Herausgebern gelingen möge,
das Unternehmen hinreichend fest zu gründen, um dauernd
den hohen Aufwand zu bestreiten, und womöglich noch
steigern zu können, den so reich mit farbigen Tafeln
ausgestattete Publikationen erheischen. Jn den vier bis
jetzt vorliegenden Heften sind die löblichsten Anstrengungen
gemacht, um den Lesern, oder vielmehr den Arbeitern
— denn an diese wendet sich das Unternehmen in erster
Linie — eine Anzahl farbiger Muster vorznführen, und
wir können innerhalb dieser Hefte bereits einen ent-
schiedenen Fortschritt in der Wahl und Wiedergabe der
Vorbilder konstatircn. Schreitet man in gleich energischer
Weise weiter fort, so dürfen wir hoffcn, aus der schüch-
ternen Oligochromie, die bei uns immer noch die vor-
herrschende Mode ist und nur langsam die graue oder
gar weiße Tünche verdrängt hat, bald zur vollen farben-
freudigen Polychromie vorznschreiten. Es würde sich
vielleicht empfehlen, wenn das „Maler-Journal" unter
seinen „Darstellungen ausgeführter Arbeiten" bald auch
einige Werke alter Dekoration, besonders aus der
Renaissance, zur Anschauung brächte, und zwar nicht bci
der Wiedergabe einzelner Stücke, wie sie andere ähnliche
Journale zu bringen pflegen, stehen bliebe, sondern
ganze Räume in ihrer farbigen Wirkung reproducirte.
Prof. Gnauth, der eine der Herausgeber, besitzt in seinen
Studienmappen gewiß an solchen klassischen Vorbildern
eine hinreichende Menge, um damit mehr als einen
Jahrgang des „Maler-Journals" zieren zu können. W>r'
finden es allerdings gerechtfertigt, daß das neue Blatt
die moderne Produktion in den Vordergrund stellt, und
dadurch gewissermaßen eine Ergänzung schafft zu den>
im gleichen Verlage erscheinenden „Kunsthandwerk",
welches ausschließlich alte Werke berücksichtigt. Aber
ansschließen sollte das „Maler-Journal" die alte
Kunst unseres Erachtens nicht. Es liefe sonst Gefahr,
auf seinem Gebiete die Quellen wieder zu verschütten, vo»
deren Erschließung die Regeneration unserer gewerblichen
Künste zu datircn ist. Einer türzen Andeutung des
Prospektes zufolge glauben wir, daß die Herausgebcr
über diesen Punkt ebenso denken wie wir, und daß sir
die alte Kunst nur äußerer Schwierigkeiten wegen >"
den ersten Lieferungen nicht haben berücksichtigen könne».
Ein glücklicher Zug in der Anlage des neue»
Journals besteht in der Verbindung des theoretischeu
Elements mit dem praktischen. Die Wirksamkeit für die
Praxis, wie sie das Blatt speciell auf seine Fahne g^
schrieben hat, kann nur dann eine segensreiche, dem Geist
unserer Zeit entsprechende sein, wenn dieselbe das Ha»d-
werk mit der Wissenschaft wie mit der Knnst in eine»
freien Verkehr zu setzen versteht. Die handwerklich^
Beschränkung im Sinne des späteren Mittelalters ist
für immer abgethan. Je weitere Umschau der Hai>d-
werker hält auf ällen Gebietcn des Wissens und Könnens,
die mit seinem Fach in Berührung treten, desto künstler>-
scher wird er werden, in desto vollerem Maße wird
den ungemein gesteigerten Anforderungen unseres Ze>t°
alters Genüge leisten. Es liegen in den bisher erschie»»-
nen Heften mehrere Andeutungen vor, welche uns dara»l
schließen lassen, daß die Herausgeber auch nach diesir
Richtung hin ihre Aufgabe richtig erkannt haben. 2V>r
dürfen erwarten, daß sie ihr mehr und mehr nach»""
kommen bestrebt sein werden.
Von den Tafeln der ersten vier Hefte sind dä
meisten der Wiedergabe von modernen Wand-
Plafonddekorationen in Wohnhäusern gemidmet. iZi»r'
Ausnahme macht das Stück gemalter Wanddekoratw"
im mittelalterlichen Stil aus dem neuen Münchr»^
Rathhause. Den Detailblättern sind Schablone»
Kunstliteratur.
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er ist der Wirklichkeit entrückt. Aber sein Zustand ist
kein ekstatischer, sondern der schrcckliche Mornent hat nur
die Thätigkeit seiner Nerven zeitweise unterbrochen. Nur
der eine Gedanke hält ihn noch aufrecht, der Gedanke
an seine Werke. Sein letzter Blick ist weltverachtend
auf die Kinder seines Geistes gerichtet, die zu seinen
Füßen liegen. Verbrennt ihr auch meinen Leib, meinc
Worte werden in alle Welt hinausfliegen! Vor dieser
dumpfen Energie scheint selbst der Henkersknecht Hoch-
achtung und Ehrfurcht zu bekommen.
L.
Lmistliteratur.
Deutsches Mater-Journal. Für den praktischen Ge-
branch der Zimmer- und Dekorationsmaler, Lackirer,
Architekten, Zeichenschulen u. s- w. Herausgegeben
von Prof. A. Gnauth, Architekt, und L. Lesker,
Maler in Stuttgart. Bd. I, Heft 1—4. Stutt-
gart, W. Spemann, 1876. Fol.
Den zahlreichen Journalen kunstgewerblichen Jn-
halts, welche die Förderung unserer Kunstindustrie im
Allgemeinen und von oben herab sich zum Ziel gesetzt
haben, tritt hier ein Blatt zur Seite, welches die gleiche
Aufgabe für ein bestimmt umgrenztes Fach und so zu
sagen von unten herauf zn lösen unternimmt. Es faßt
speciell die Zimmer- und Dekorationsmalerei, nebst den
damit in Zusammenhang stehcnden Gewerben des An-
streichers, Lackirers u. s. w. in's Auge, und zieht die
Architektur und die Kunstschule nur insoweit mit herbei,
als die eine als Trägerin, die andere als Pflegerin der
dekorativen Künste nothwendig zur Sache gehören.
Anlage und Ausführung des Ganzen können von
Herzen gut geheißen werden, und wir legen dabei ganz
besonders Gewicht darauf, daß hier nun einmal dem
bei uns so lange vernachlässigten malerischen Ete-
ment im Kunstgewerbe und in der Dekoration der
Wohnräume sein volles Recht wird. Es ist dringend
zu wünschen, daß es den Herausgebern gelingen möge,
das Unternehmen hinreichend fest zu gründen, um dauernd
den hohen Aufwand zu bestreiten, und womöglich noch
steigern zu können, den so reich mit farbigen Tafeln
ausgestattete Publikationen erheischen. Jn den vier bis
jetzt vorliegenden Heften sind die löblichsten Anstrengungen
gemacht, um den Lesern, oder vielmehr den Arbeitern
— denn an diese wendet sich das Unternehmen in erster
Linie — eine Anzahl farbiger Muster vorznführen, und
wir können innerhalb dieser Hefte bereits einen ent-
schiedenen Fortschritt in der Wahl und Wiedergabe der
Vorbilder konstatircn. Schreitet man in gleich energischer
Weise weiter fort, so dürfen wir hoffcn, aus der schüch-
ternen Oligochromie, die bei uns immer noch die vor-
herrschende Mode ist und nur langsam die graue oder
gar weiße Tünche verdrängt hat, bald zur vollen farben-
freudigen Polychromie vorznschreiten. Es würde sich
vielleicht empfehlen, wenn das „Maler-Journal" unter
seinen „Darstellungen ausgeführter Arbeiten" bald auch
einige Werke alter Dekoration, besonders aus der
Renaissance, zur Anschauung brächte, und zwar nicht bci
der Wiedergabe einzelner Stücke, wie sie andere ähnliche
Journale zu bringen pflegen, stehen bliebe, sondern
ganze Räume in ihrer farbigen Wirkung reproducirte.
Prof. Gnauth, der eine der Herausgeber, besitzt in seinen
Studienmappen gewiß an solchen klassischen Vorbildern
eine hinreichende Menge, um damit mehr als einen
Jahrgang des „Maler-Journals" zieren zu können. W>r'
finden es allerdings gerechtfertigt, daß das neue Blatt
die moderne Produktion in den Vordergrund stellt, und
dadurch gewissermaßen eine Ergänzung schafft zu den>
im gleichen Verlage erscheinenden „Kunsthandwerk",
welches ausschließlich alte Werke berücksichtigt. Aber
ansschließen sollte das „Maler-Journal" die alte
Kunst unseres Erachtens nicht. Es liefe sonst Gefahr,
auf seinem Gebiete die Quellen wieder zu verschütten, vo»
deren Erschließung die Regeneration unserer gewerblichen
Künste zu datircn ist. Einer türzen Andeutung des
Prospektes zufolge glauben wir, daß die Herausgebcr
über diesen Punkt ebenso denken wie wir, und daß sir
die alte Kunst nur äußerer Schwierigkeiten wegen >"
den ersten Lieferungen nicht haben berücksichtigen könne».
Ein glücklicher Zug in der Anlage des neue»
Journals besteht in der Verbindung des theoretischeu
Elements mit dem praktischen. Die Wirksamkeit für die
Praxis, wie sie das Blatt speciell auf seine Fahne g^
schrieben hat, kann nur dann eine segensreiche, dem Geist
unserer Zeit entsprechende sein, wenn dieselbe das Ha»d-
werk mit der Wissenschaft wie mit der Knnst in eine»
freien Verkehr zu setzen versteht. Die handwerklich^
Beschränkung im Sinne des späteren Mittelalters ist
für immer abgethan. Je weitere Umschau der Hai>d-
werker hält auf ällen Gebietcn des Wissens und Könnens,
die mit seinem Fach in Berührung treten, desto künstler>-
scher wird er werden, in desto vollerem Maße wird
den ungemein gesteigerten Anforderungen unseres Ze>t°
alters Genüge leisten. Es liegen in den bisher erschie»»-
nen Heften mehrere Andeutungen vor, welche uns dara»l
schließen lassen, daß die Herausgeber auch nach diesir
Richtung hin ihre Aufgabe richtig erkannt haben. 2V>r
dürfen erwarten, daß sie ihr mehr und mehr nach»""
kommen bestrebt sein werden.
Von den Tafeln der ersten vier Hefte sind dä
meisten der Wiedergabe von modernen Wand-
Plafonddekorationen in Wohnhäusern gemidmet. iZi»r'
Ausnahme macht das Stück gemalter Wanddekoratw"
im mittelalterlichen Stil aus dem neuen Münchr»^
Rathhause. Den Detailblättern sind Schablone»