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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Vom Christmarkt
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131

Voi» Lhristmarkt.

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seiner Art dasteht, aber wohl bald wie alles Durch-
schlagende Nachfolge finden dürfte. Seit Hendschel's
Skizzenbuch einen so nnerwarteten Erfolg erzielt, lag
es für den Bnchhandel im Grunde genommen nahe, zu
ähnlichen Unternehmungen anzuregen, namentlich an
Orten, wo Skizzenbücher uud Studienmappen keine ver-
einzelten Erscheinungen sind. Das in Rede stehende
Album geht in dem nobeln
Luxus der Ausstattung weit
hinaus über die blasse Publi-
kation Hcndschel's und ver-
legt den Neiz in die Man-
nigfaltigkeit des Jnhalts, zu
dessen 36 Originalhandzeich-
nungen 28verschicdene Künst-
ler, zumeist der Münchencr
Schule, beigetragen haben.

„Wandermappe, ein
Künstler- und Familien-
Album" ist der Titel der
in stattlicher Folio-Mappe
sich darbietenden Publikation.

Ueber die Berechtigung und
das Zutreffende des Titels
ließe sich streiten, denn was
das „Wandern" und die
„Familie" mit der Sache
zu thun haben, ist schwer er-
findlich, wenn der Sinn nicht
ctwa der ist, daß die Mappe
von Familie zu Familie zu
wandern bestimmt sei. Jndest
jedesDing will einen Namen
haben, und wenn wir an
dcm Titel ernsthaft etwas
aussetzen wollten, so wäre
es eher dessen typographische
Anordnung, bei welcher wie-
der einmal die eingewurzelte
Setzermaxime, die Schönheit
eines Titelblattes sei bedingt
durch den Grad der Abwechs-
lung in den Schriftgattungen, sich Geltung verschafft hat.
Wir würden dieser Aeußerlichkeit nicht erwähnen, wenn es
sich nicht um ein altes Erbübel handelte, zu dessen Be-
kämpfung jede Gelegenheit ergriffen werden sollte. Diese
Verirrung des Setzers von einem Schriftkasten zum
andern erscheint im vorliegenden Falle um so auffälliger,
als die äustere Schale in Schwarz- und Golddruck einen
gut berathenen Geschmack kennzeichnet. Für die Aus-
wahl der einzelncn Blätter, die den Jnhalt bilden, ist
wohl nur die Göttin der Gelegenheit, die das Ver-
schiedenartigste ohne Gewissensskrupel zusammenrafft,

verantwortlich zu niacheu Die Scala der Einpfindungcn,
in die wir hineingezogen werden, steigt auf vou ven
beängstigendeu Tiefen des Schauders, den die fürchter-
liche Situation des von Carl v. Piloty beigesteuertcn
„Märtyrers unter der Arena" erweckt, bis zu den lichten
Höhen des Humors, auf denen wir Grützner's wcin-
seligen Klosterbrüdern und Hugo Kauffmann's köst-
lichen Charakterfiguren aus
dcn Kreisen der Handwerks-
burschen und Fuhrleute be-
gegnen. Von den übrigen
Kontribuenten möchtcn w»'
nur einige hervorheben, ohne
damit den andcrn das Gegen-
theil eines Kompliments
machen zu wollen. Voltz
ist durch eine vortrefflich ab-
gerundete Komposition (aus-
geführte Bleistiftzeichnung),
Lindenschmit durch eine
geistvolle Studie „Klostcr-
schüler", Diez durch cine
lebendige aber nur in flüchti-
ger Federzeichnung festgehal-
lene Skizze „Raubritter",
Conrad Beckmann durch
verschiedene Jllustralionen zn
Reuter's „Ut mine Stroin-
tid", W. Camphauscn
durch einen reizenden SchceZ
„Kollegen im Elsaß" (Blei-
stiftskizze),Kurzba uer dnrch
ein gemüthvolles Bilv a«s
dem Familienleben, Liezen-
Mayer durch ein küssens-
werthes Dornröschen,TobY-
Rosenthal durch einbercits
tiefer in die urs ninuuäi ein-
geweihtes Paar „Glückliche
Nachbarn" vertreten.
wenigsten erfreulich präsentiA
sich Hans Makart mit ciner'
Studie zu der „Pest in Florenz"; ohne Schmerz würvc
man auch W. Kaulbach's erstes Elternpaar vernu^
haben, ein nicht blos in der Mache, sondern auch in der'
Empfindung roher und nnbehaglicher Enlwurf. Daß
unter den Blättern mancher altenBekanntschaft in Oel,
namentlich bei Grützner, begcgnen, trägt eher dazu be>,
denReiz derBetrachtnng zu erhöhen als ihn abzuschwächc»-
Will es uns doch bedünken, als ob hier in Schwarz unv
Weiß mancher Kopf und manche Bewegung frischer
lebendiger wirke als auf der gemalten Leinwand.
Lichtdruck, von Römler L Ionas in Dresden,

Aus „Deutsche Art uud Sitte." Zeichuung von L. Richter.
(Verlag vou A. Dürr.)
 
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