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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Berggruen, Oskar: Rubens und Rembrandt, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0235

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Rubens und Rembrandt,

462

461

^>eßlich dem Grabe des Meisters in der Kirche des
Iacobus ab. Der Grabstein befindet sich vor dem
^°4>altare und trägt die im antikisirenden Geschniacke
^ -3eit abgefaßte Jnschrift: „iison sui tnntunr snsouli,
oinnis nsrii ^psltss ckioi nrsruit," Jn der
der Wittwe des Mcisters seiner Asche gewidmeten
e>Nen Kapclle hinter dem Chore hängt das bereits er-
^Mte Votivbild vom heil, Georg, welches, nach der
^»dition, ausschließlich Familienporträts enthält, Da
seine beiden Frauen neben einander*), die zweile,
b^)e bei des Meisters Tode erst 26 Jahre zählte,
bis zum Gürtel; da ist seinc Tochter; dann seine
welche man auf dem berühmten Bilde des sog,
üpsuu cks puills in London**) bewundert; sein Vater
° Großvater; endlich sein jüngster Sohn in Gestalt
^Ues Sich sclbst hat Rubens als Banner-

^Rr pxg hxji, Georg in einer funkelnden Rüstung dar-
'tellt; er jst „schon gealtert, abgemagert, ergraut,
,'E>Nlich kahl und verwüstet, aber noch voll stolzen'
^ren Feuers," Noch gewahrt man auf diesem, kurz
dem Lebensende des Meisters gemalten Bilde nichts
eiuem Nachlassen seiner Kraft, von einem Ver-
^sen seiner Farbcnpracht; allcin auch sein letztes
^^vßes Werk, das er noch mit seinem Namen zeichnete,
uicht mehr ablieferte, die „Kreuzigung des heiligen
jst eine sciner besten Schöpfungen. Am 30, Mai
0 starb er im 63. Lebensjahre in noch ungebrochener
^stlerischer Krast, und sein früher Tod war, so möchte

^ Eine noch interessanterc Nebeneinanderstellung seiner
^ ^»en enthält ein großes allegorisches Bild, dessen Copie von
^/daens das Museum im Haag (Catalog Nr, 2lv,
ü- otivs bistoriguo et slssoriptivs äes 't'nbloaux äu Ausas
ckv 1a 8a)-e" 1874, 8, 233) unter der Bezeichnung
t^viis se retuAiant äans une xrotte" bewahrt, während
tu„ '""'8>nal, nach Angabe des Kataloges, sich in der Samm-
des Herrn Ruppertshov en v. Bell zu Töplitz in
st^tien befand, derzeit aber, infolge Nebersiedlung des Be-
in Wien ist, Es war uns vergönnt, dieses tresslich
tz?"ene Original zu sehen, und wir citiren dasselbe als
sür die oben besprocheneVerwendung der beiden Frauen
^ Nubens auf dessen Gemälden. Das Bild, welches der
p- tler Catalog als Jllustration des Sprichwortes: „8ins
»cka ^ bt- Laoelio t'rixst Venus" ansieht, ist richtiger eine
-Eb Allegorie auf die vier Jahreszeiten: der Frühling,
ps-üs, entringt sich dem alten Mütterchen Winter und em-
^ die Gaben des Sommers und Herbstes, Helene als
tst vollständig nackt, und ihr voller, jugendlich srischer
i>az^^ Seigt noch nicht die Spuren der Mütterlichkeit wie
tzaa,°^ühmte Portrait im Wiener Belvedere; Jsabella als
4>ep a"" dagegen ist bekleidet, so daß man nur den geistrei-
sjH und die mehr durch Formschönheit als durch Fülle
^üszeichnende Büste gewahrt,

djxs ) Ein guter Holzschnitt nach der meisterhaften Radirung
^taj ^°»träts durch den trefflichen Pariser Aquafortisten
^Uust- s'H dande der „Zeitschr, f, bild.

(1877) auf S, 181.

man sagen, die einzige Tücke des Glücks, welches ihm
während seines glänzenden Lebenslaufes treuer ge-
blieben, als den allermeisten Künstlern aller Zeiten und
Länder,

Fromentin kann sich von Rubens' Rcich und Haupt-
stadt nicht trennen, ohnc scines berühmtestcn Schülers
zu gedenken, den das traurige Geschick traf, als „ein
Prinz von Wales unmittelbar nach der Erledigung des
Thrones zu sterben, ohne die Herrschaft angetreten zn
haben." Der Kundige weiß sofort, daß von van Dyck
die Rede ist, welcher, seiner ganz individuellen und
glänzenden Begabung unbeschadet, dennoch so sehr in
Rubens wurzelt, daß man wohl die Frage aufwerfen
darf, was ohne diesen Meister aus ihm geworden wäre.
Nicht nüt Unrecht bemerkt unser Autor, daß von dcn
Milstrebenden: Jordaens, Craycr, Zeegers, van Tulden,
Teniers, Snyders u, A. nach des Meisters Tode Nie-
mand bas erledigte Reich, sondern Ieder höasstcns einen
einzelnen größeren oder kleineren Bezirk zu verwalten be-
fähigt war; aber auch van Dyck, der Begabteste unter
allen, HLtte nur die Kraft gehabt, sich der schönsten und
größten Provinz und nicht des Ganzen zu bemächtizcn.
Rubens war „die Centralsoune, ohne welche die Neben-
gestirne niemals geleuchtet hätten, auch nicht van Dyck."
Jn Antwerpen, Brüssel, überhaupt in Belgieu tritt
van Dyck immer in die Spuren seines Lehrers; scin
„Silen" und seiu „Marlyrium des heil. Petrus" sind
uichts, als „ein delikater, poetischer Jordacns"; alle
seine heiligen Passionsbilder, Kreuzigungen, Grablegungen,
todten Erlöser, trauerndcn Weiber würdcn nicht vorhandcn
sein oder ganz anders aussehen, wenn nicht Rubens
„in seinen beiden Antwerpener Triptychen d»e vlämische
Formel des Evangeliunis ausgesprochen und dcn lokaleu
Typus der heil, Jungfrau, des Erlösers, Magdalena's
und der Jünger ein für allemal festgestellt hätte," Nur
ist van Dyck feiner, zarter, gefühlvoller und eleganter,
als sein Meister; er hat, wie alle Söhne, einen
vou der Mutter stammenden weiblichen Zug, welcher
stch der väterlichn Physiognomie beiniengt. Van Dyck
hat nichts mehr vom 16. Jahrhunderte an sich, sondern
ist ganz ein Kind des verfeinerten siebzehnten, und das
macht sich in physischer wie in moralischer Beziehung
bemerkbar. Bermöge seiner größercn Feinhcit ist van
Dyck ein größerer Porträtmaler als sein Meister, und
in dicser Beziehung hat er Rubens sowie die Kunst
seincs Vaterlandes würdig ergänzt; außerdem ist van
Dyck als geistiger Vater der nachmaligen englischcn
Porträtisten zu betrachten, Rcynolds, Lawrence, Gains-
borough, ja fast alle Genre- und Landschaftsmaler der
reinen englischen Schule stammen von van Dyck, also
mittelbar von Rubens »b. „Daher räumt die stets
gerechte Nachwelt van Dyck einen besonderen Platz
zwischen den Geistern ersten und denen zweiten Nanges
 
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