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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Wolf, August: Gefahr für die Façade der Markuskirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0266

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Gefahr für die Fayade der Markuskirche.

Konmnssion anzuerkennen hat. Was derselbe gut nnd!
recht sindet, nniß unfehlbar sein. Der Verwaltungs-
rath der Kirche, die sog. „kudi'ieoriu" ist als solche
in künstlerischen Fragen als inkonipetent zu betrachten
Zorzi verlangt deßhalb eine aus Künstlern zusammen-
gesetzte Konimission, welche das Vorwärtsschreiten einer
so eminent wichtigen Nestauration zu überwachen habe.

Jm zweiten Kapitel beweist der Verfasser die
Schädlichkeit des Abscheuerns der Säulen und Kapitäle
vom rein technischen Gesichtspunkte aus. Das Scheuern
nimmt denselben die feste antike Patina, welche sie relativ
vor den zerstörenden Einflüssen der salzhaltigen, stets
feuchten Seeluft schützte. Die aus Ersparnißgründen
des Jmpresario unterlassene nachträglich nöthige Blei-
polirung der Säulen macht sich als die verhängnißvollste
Unterlassungssünde geltend, da durch diese Untcrlassung
die Poren des Marmors offen bleiben und die Säulen
somit der allerschnellsten sicheren Zerstvrung ausgesetzt
sind. Mehr als alles dieses beklagt jedoch der Ver-
fasser den durch das Abscheuern fast aller altenMarmor-
theile verloren gegangenen unvergleichlichen Farbenakkord,
den kein einziges anderes byzantinisches Bauwerk iii
dieser Schönheit aufzuweisen hatte. Der historisch-
poetische Phantasie-Eindruck (Burckhardt) ist somit für
die restaurirte Fatzade gänzlich und unwiederbringlich
verloren gegangen, von dem Verschwinden der armeni-
schen Jnschriften an Säulen und anderen Theilen der
Fayade, welche durch das Abscheuern verloren gingen, ganz
zu schweigen. (Jm Anhange giebt Graf Zorzi einige.
Facsimiles der jetzt noch an der bedrohten Hauptfayade
vorhandenen.)

Jm nächsten Kapitel wird die Nutzlosigkeit und
Willkür des Einsetzens nener Kapitäle besprochen, da
doch alle alten vorhanden waren uud noch sind. Ganz
Lesonders wird die Zerstörung und Entfernung des
vorspringenden Altargehäuses der Kapelle Zeno, „weil
solches als aus dem 16. Jahrhundert stammend, dcm
Stile und der Harmonie des Gebäudes zuwiderlanfe",
bedaucrt. Es wird darauf hingewiesen, wie Vielcs an
und aus der Kirchc entfernt werden müßte, wenn nian
streng nach diesem Grundsatze verfahren wollte.

Daß an Stelle dieses Altargehäuses große Marmor-
platten von werthlosem und mihaltbarem Stcine ge-
koninien seien, der jetzt schon zu zcrbröckeln beginnt, wird
als nach jeder Hinsicht Leklagcnswerth verworfen. Noch
mehr dic Entfernung und das Verschwindcn der herr-
lichen Pilaster von vsräs-untioo am Hauptportale der
Kirche und die Ergänzung derselben durch werthloscn,
bleicheren Marmor von Susa.

Das letzte Kapitel cndlich behandelt die Restauration
der Mosaiken im Jnncrn nnd Aeußern der Kirche, so-
wie die begonnene des Fußbodens. Es wird bewiescn,
wie schädlich dem Eindrucke die dnrchgängige Anwcndung

52^

der Glaspaste auch für die Fleischtheile sei, wie ver-
werflich überhaupt das völlige Umsetzen der MosaikeN
in moderne Kopien, welche für die Kunstgcschichtc völlig
werthlos flnd. Es wird von dem Verschwinden der
Darstellungen aus dem Leben des heiligen Markus ge''
sprochen, welche die Kapelle Zeno so überaus wichäü
machten für die Geschichte des Mosaik. Bezüglich da
begonnenen Neulegung des Fußbodens wird bewicfl'N,
daß dieselbe so mangelhaft vorgenommen sei, daß derfl'lbr
jetzt nach kaum eincm Jahre schon anfängt auszubrechen-
Es wird nachgewiesen, daß der verwendete Ma^
mor viel, werthloser an Qualität und Farbe ist, und daß
besonders der verwendete tupis tu/.nti, als viel zu dünn
für einen Fußboden, ausbrechen niußte. Weiter wird
hervorgehoben, wie auch hier der alterthümliche Ein-
druck völlig verloren gegangen ist und einer langweiligcN
modernen Eleganz Platz machen mußte.

Unendlich Vieles ließe sich noch aus dem Buch^
anführen, was Alles, als auf die wundcrbare Kirüfl
bezüglich, den Kunstfreunden interessant sein würde, doch
gebietet der diesem Bericht zugewieseneNaum Einhalt- 2^
muß nur noch hervorheben, daß der edle Zweck d^
Grafen Zorzi darauf hinausläuft, die gauze gcl'il'
dete Welt zum Schutze der von solcher Restauratird
jetzt bedrohteu Hauptfa^ade der Kirche aufzurufen. l!'
verlangt unbedingteVerwendung alles altenJnkrustaticnd'
materials, welches technisch ohne weiteres uiöglich ist, n»'
einen größereu Aufwand von Zeit, Geduld uud Pietch
erfordert. Der Zmpresario findet es seinem Vorthcil^
mehr angemessen, eine neue Marmorplatte da einzd'
setzen, wo die alte, aber ungleich prächtigerc und edle^
aus mehreren Theilen zusammengesetzt werden niüß^
— Der Unterzeichnete hat bei der Wichtigkeit dts
Gegenstandes, welcher für sich selbst spricht, nichts wc>^
hinzuzufügen, als daß es uuserem deutschen kunstgebii'
deten Publikum gefallen möge, sich rurch cigeue Lektü>'
der Schrift zu überzeugen, wie eingehend, scharfsinn'ti
und rnhig prüfend der Verfasser derselben die bezüö'
lichen Fragcn studirt hat, in welcher Gefahr San Ma>'^
diese merkwürdigste aller Kirchen, sich befindet, und welüfl'
Verlust es für alle Zeiten sein würde, wenn cine well'
blank gescheuerte, ihres werthvollen Matcrials bcranl'ü
Fayade, statt der bezaubernd malerischen, den schönfl^'

. Platz der Welt beherrschte. Man glaube ja nicht, d'N'
unsere Kunstliteratur nicht im Stande sci, zur Erreich»^
des schönen Zweckes das ihre beizutragen! Man V''
in Jtalien Augen und Ohren offen fnr das, was jenfl'^
der Alpen gesagt wird, und hat Takt gcnng, selbst d^
strengsten Tadel durch Verbessern der begangenen Fchlci'"
der Folge gcgenstandslos zn machen. Doch hat die Sa ^
Eile, sonst ist es mn die San Marco-Faoade gescheh^
Venedig, 6. Mai 1877. August Wolf-
 
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