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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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C. C. Newton's Bericht über die Schätze von Mykenä, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0268

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527

C. T. Newton's Bericht über die Schätze von Mykenä.

528

Gemmen, welche auf den griechischen Jnseln zum Bor-
schein gekommen sind; Proben davon sind von Fran^ois
Lenormant in der ikovnv ^rokisolo^iipiio 1874, Taf. 12
publicirt worden. Bon derartigen Gemmen fand ich
im mykenischen Schatze mehrere Beispiele. Anf einer
aus Bergkrpstall stellt der Intaglio eine Knh dar, welche
ihr Kalb säugt.

„Jch gehe jetzt von den Schmncksachen, welche wohl
znm größten Theil Frauen angehörten, zu den Waffen
und Rüstnngen aus den Kriegergräbern über. Auf
der Brust cines Gerippes.lag eine Brustplatte mit
zwei leiscn Borsprüngen, um die Stelle der Warzen zu
bezeichnen. Der Rest der Oberfläche war mit heraus-
gehämmerten Spiralornamcnten bedeckt, aber es war kein
Versuch gemacht worden, das Metall der Form des Kör-
pers entsprechend zn modelliren, wie in der späteren
griechischen Kunst üblich.

„Jch sah mehrere schöne goldene Exemplare jener
Bänder, griechisch ^tt'r^ttt, welche Len Leib des homeri-
schen Helden unterhalb des Panzers schützten und die sich
so oft von Bronze in den Gräbern Etruriens und Groß-
griechenlands finden. Die Ornamente der mykenischen
Mitren sind Buckel, Spiralen und Blätter, sämmtlich
herausgeklopft. Eine hat an ihrem unteren Rande eine
Franse von hängenden Blumen befestigt, deren Blätter
aus zitterndem Blattgold bestehen. Beinschienen von
besonderer Gestalt, viel zu dünn um wirklich zu schützen,
fand man auf den Gebeinen eines Todten; die Schenkel
waren ebenfalls mit goldenen, Bändern nmschlossen, welche
vielleicht an irgend einem andern Material befestigt
gewesen waren.

„Mehrere Stücke Holz, welche sich in dcm Grabe
eines der Krieger vorfanden, hält man für Theile vom
äußeren. Rande eines hölzernen Schildes, da die Dicke
ziemlich plötzlich gegen einen gebogenenRand hin abnimmt.
- Ein goldenes Band stellt wahrscheinlich den Telamon oder
Riem en dar, an welchem der Schild vom Halse herabhing.
Manche jener obenerwähnten goldplattirten Knöpfe von
Knochen mögen zur Verzierung des Schildriemens gedient
haben, oder auch eines Gürtels; die Schnalle des einen
oder des andern kann in zwei länglichen Doppelplatten
von Gold enthalten sein, welche Rücken an Rücken an
irgend einem jetzt nicht mehr vorhandenen Gegenstand
befestigt waren. Auf einer dieser Doppelplatten ist im
Relief ein Löwe dargestellt, welcher einen kretischen
Steinbock zerfleischt; auf der andern überfällt er ein
vierfüßiges Thier, wahrscheinlich ein Pferd, welches in
Verzweiflung gegen ihn ausschlägt. Ein mächtiger
Ochsenkopf, in welchem Schliemann die Göttin Hera
in ihrer ursprünglichen Gestalt vermuthet, taucht in der
ersten dieser Scenen von Ferne auf. Diese Gruppen
sind nicht, wie die meisten der vorhin beschriebenen Orna-
mente, in Umrissen ausgehauen, sondern erheben sich in

Relief von einem mit Blumen geschmückten Grunde. Sie
sind vielleicht die kraftvollstcn und lebendigsten unter allcn
Thierdarstellungen in dem mykenischen Schatze »nd
schienen mir, nach ihrer Modellirung zu schließen, »n-
mittelbar von asiatischen Vorbildern abzustammen. Ein
Kenner Homer's kann diese Gruppen nicht bctrachtew
ohne sich an die anschauliche Schilderung der goldencn
Spangen in der Odyssee erinnert zu fühlen*).

„Bei diesen Kriegern fand man auch viele S chwci'-
ter. Eines von trefflicher Erhaltung übertrifft «n
LLnge weit das gewöhnliche griechische Schwcrt del
späteren Zeit. Es ist zweischneidig, mit einem Gr«t
oder einer Schärfe, wclche die Mitte der Klinge ent-
lang so hoch hervorstcht, daß der Gedanke sich aufvrängt,
diese Waffe möchte gleich einem Rapier nur znm StoßeN
gedient haben. Die Analyse soll das Metall als Kupftr,
nicht Bronze, erwiesen haben. Die Griffe all dieftr
Schwerter waren mit Gold plattirt, welches mit Spiral-
linien reich verziert ist. Mehrere runde Knöpfe von
uiidurcbsichtigem weißen Alabaster mit ciner Vertiefung,
in welche irgend ein bronzenes Geräth eingelassen war,
sind wahrscheinlich Schwertknöpfe. Ich sah auch d>c
Reste einer hölzernen Schwertscheide, deren Goldplattirung
ebenso wie die an den Griffen verziert war. Schleifsteine,
um die Waffen zu wetzen, fehlten nicht in den GräberN
dieser Krieger, welche demnach zur nnbekannten Welt in
voller Kampfesausrüsturig aufbrachen. Es ist möglich,
daß die Helme von Leder waren, entsprechend de>n
homerischen Wort („Fellkappe"), aber jedenfalft

scheinen keine in ren Gräbern gefunden zu sein; obschod
anf dem Bruchstück eines hochalterthümlichen Thongefäßes,
das sich in den oberen Lagen des Bodens gefnnden hat,
die Krieger Hclme mit einem hohen wallenden Busch
darauf tragen: daher Homer's („helmuiU-

flattert"). Das Antlitz eines Löwen, jetzt frcilich
in zwei Stücken, aber ursprünglich aus einer einzigc"
Platte herausgeschlagen, kann vielleicht die Maske eines
Helmes gewesen sein, da es am Rande Löcher behuft
der Befestigung hat. Dieser Löwenkopf ist eine der fth^
wenigen Thicrvarstellungen von großem Maßstab uuv
runder Arbeit, welche ich in dem mykenischen Schatz^
sah. Er zeigt dieselbe barbarische Unkenntniß und kind-
liche Schwäche der Ansführung wie die Jntagli auf deu
Ringen, aber wegen des größeren Maßstabes in noch

*) Od. 19, 226:

. . . aber daran die goldene Spange geheftet,

Schließend mit doppelten Röhren, und vorn war prange»
ein Kunstwerk: „

Zwischen den Vorderklauen des wild anstarrenden Hund<-
Zappelt' ein fleckiges Rehchen; und jeglicher schaute bewunder» '
Wie aus Golde gebildet der Hund anstarrend das Rehka'
Würgete, aber das Reh zu entflieh'n mit den Füßen st
abrang.
 
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