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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Berggruen, Oskar: Rubens und Rembrandt, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0291

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Rubens und Rembrandt.

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^rden; er hätte „sür katholische Kathedralen gemalt,
^ülciste ausgeschmückt und von den Erzherzogen Pen-
^Nen erhalteu." Durch den Vertrag von 16o9 aber
^Urde Hollaud in politischer und geistiger Beziehung
eigenartiger Boden, auf welchem Kulturprodukte ganz
^wnderer Gattung gediehcn. Jnsbcsoudere für die
' "dst wurde die Befreiung der Niederlande segensvoll;

Orten: in Amsterdam, Dortrecht, Leyden, Delft,
?Erecht, Notterdam, Euckhuysen und Harlem weroen
^rrister geboren, als wärcn sie auf einmal ausgesäet
^°rden. Van Goyen (geb. l596), Wynants (geb.
l ktto), A. Cuyp (geb. l605) sind gleichsam Vorläufer
^r Bewegung; die Jahre 1607—1608 bringen Ter-
^rg, Brouwer*) und Rembrandt, das Jahr 1610
beiven Both, Adrian van Ostade und Ferdinand
hervor; von 1613—1621 werden van derHelst,
^rrard Dov, Metsu, Aart van der Neer, Wou-
^rinan, Wcenix, Everdingeu, Hobbemas?) und
^hnakcr gebvren; Paul Potter ziert das Jahr 1625,
^an Steen das Jahr >626, Jakob Ruysdael das
^ahr 1630; Pieter de Hooch uud Adrian van ber
^rlde (1639) sind die letztgebornen der großen hollän-
^chen Meister. Das Jahr 1632, in welchem Rem-
^andl's „Anatomie" entstand, ist gleichsam als Mittel-
^nkt der holländischen Kunstbewegung anzusehen; vor
^cht ganz einem Vierteljahrhundert halte sie mit der
'Nabhängigkeitserklärung Hollands begonnen, und nach
aiini einem Vierteljahrhundert standen fast alle grosten
^kister der holländischen Schute iu Blüthe, oder hatten
^aigswns ihre kiinstlerische Laufbahn bereits angetreten.

Geht man dem Kunstprinzip dieser Meister auf
^kii Grund, so läßt sich nicht verkennen, daß die hollän-
^sche Kunst auf dem Porträt im weitesten Sinne des
^artes beruht. Das „bürgerliche, praktische, ganz uud
nicht schwärmerische, von antilateinischem Geiste er-
'^llte Bolk, welches mit allen Traditionen gebrochen,
^aen bilderlosen Kultus eingeführt und ehrbare, spar-
'aiiie Lebeusgewohnheiten angenommen hatte" konnte
chtturgemäß nur an Abbildern des Seienden, wirklich
^stehenden Gefallen finden; so hat die holländische
^chule von ihrem Ursprunge bis zu ihrem Verfall
^entlich blos Porträts der Menschen und Dinge, der
^tävle und Dörfer, des Landes und Meeres, des häus-
und öffeuttichen Lebeus geliefert. Seitdem die
^alerei besteht, war für sie kein so großes und wirklich
^Nes Gebiet eröffnct worden; die neue Kategorie des
^nre, welche man zur Charakterisirung der hollän-
^schen Schule aufstellte, umfaßt im Grunde die Land-
^aft, das Thierstück, die Marine, das Jnterieur, das
^lillleben, das Blumenstück nicht minder wie die „Kon-
^sationen", die Darstellungen von Aufzügen, Festlich-

, Die von Fromentiu angegebenen Geburtsjahre sind
'n Theil durch neuere Forschungen berichtigt.

keiten, Volksscenen und ähnliche Figurenbilder. Den
Holländern war es blos darum zu thun, das Seiende
getreu und gut nachzumalen; sie beschränkten sich auf
die Gegenstände, welche sie umgaben und dachten gar
nicht daran, ihre Phantasie in llnkosten zu versetzen.
Daher fällt bei näherer Unlersuchung Ler holländischen
Schule sofort auf, daß ihre Bilver regelmäßig dessen
entrathen, was man heutzutage einen Vorwurf (nn susst)
ncunt; nicht auf den Gegenstand der Darstellung, sondern
auf diese selbst kam es den Holländern an. Während
noch heutzutage in Frankreich jedes Bild, welches „keinen
Titel und somit keinen eigentlichen Vorwurf" besitzt,
große Gefahr läuft, nicht ernsthaft genommen zu werden
uud das „dramatische, pathetische, romantische, historische
und sentimentale Element eiucs Bildes zu dessen Erfolg
fast ebenso viel beiträgt, wie das Talent des Malers",
siud die Katalogsbezeichnungen der holländischenGemälde-
sammlungen „schrecklich unbestimmt und nichtssagenv".
Niemandem, der es nicht weiß, würde je einfallen, daß
uuter der Benennung: „Das Geschenk des JLgers" von
Metsu odcr: „Ein Stier" von Potter wunderbare
Meisterwerke der Malerei stecken können; der holländische
Maler hat eben „keinen Grund, ein Bild zu machen,
alS den, überhaupt zu malen". Als echter Romantiker
schließt der Autor diese Betrachtung mit der folgenden,
seinen SlanLpunkt völlig bezeichnenden Wendung: „Bei
uns muß, wenn das Sujet sich verflüchtigt, dasselbe zum
miudesten durch eine lebhafte Empfindung und faßbare
Errcgung des Malers ersetzt wcrden; selbst eine Land-
schaft muß in Lie Persönlichkeit des Künstlers getaucht
erscheineu, wenn sie wirkeu soll, und ein Thier, das nicht
eine eigene Jdee hat, ist für uns gar nicht malbar.
Wir in Frankreich haben eine starke Erfindungsgabe,
aber geringe wahrhaft malerische Eigenschaften an den
Tag gelegt; die Holländer haben nichts erfunden, aber
wunderbar gut gemalt".

Bevvr Fromentin sich Rembrandt uaht, stattet er
den anderen berühmten Meistern Hollands längere Be-
suche ab. Zunächst crregt der „Stier" von Potter
im Haager Museum seine Bewunderung; dennoch unter-
zieht er vieses hochberühmte Bilv einer scharfen und im
Allgemeinen gerechten Krilik. Sehr treffend ist die Be-
merkung, daß Potter's Talent als Maler sich aus seiner
Begabuug als Stecher entwickelt hat, und daß der
Meister niemals, selbst nicht in seinen besten und
spätesten Werken, aufhörte, den Pinsel zu handhaben wie
einen Stichel, so daß „man aus dem pastosesten Farben-
auftrag bie feine Spitze, das scharfe Eingraben und den
schneidigen Zug des Stechers herausfühlt". Was er
über van der Neer, Metsu, Terburg, Pieter de
Hooch und einige andere Meister bemerkt, hat für uns
geringeres Jnteresse, als für die Franzosen, die wenig
reisen unv ihre Kenntuiß Ler holländischen Schule
 
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