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Korrespondenz,
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Ichrieben, so würde er hinzugesetzt haben: ^rtis oporuur
VXpositionss vnonoknoit (so. 8irius); in den Hunds-
k»gen gehen die Künstter aufs Land, wie andere ver-
standige Menschen auch. Ein Kunstberichterstatter ist
^eilich gar oft in der Lage, von den „Berichteten" nicht
u»ter die vcrständigen Menschen gerechnet zu werden; in-
^'ß wird ihm der gerechteste Haß der „Gerichteten" nicht
äuinuthcn können, über lcerc Ansstellungen Berichte zu
lchreiben. Wie die Hundstage sich aber in den Juni
Uerirrt haben, so ist in den hiesigen Kunsthallen eine
^rühleere eingetreten, die selbst eine leisetretende Kritik
Trenzenlos finden dürfte, ohnc die Grenze des Erlaubten
Z» übcrschreitcn. Da Jhr Berichterstatter seinen Ruf
uls Jkichileisetreter nicht auf's Spiel setzen will, so er-
laubt er sich, diese Frühleere seinerseits unerlaubt zu
stnden. Womit er freilich nur scin stereothpcs Ootornin
uonsoo der Jnspektion dcs Kuiistvereins und der Ad-
Uunistrativn des Städel'schen Kunstinstituts gegenübcr
ausspricht. Jndeß behaupten cinsichtige Männer, daß
k>n Regentropfen eincn Stein auszuhöhlcn vcrmöge,
Urenn er nur die nöthige Geduld besäße. An dcr soll
ks nicht fehlen. Geht doch das Frankfurter kunstliebcnde
Publikum mit ciner unnachahmungswürdigcn Geduld
doran, in der es die siebcnschläfrige Dorfbeschaulichkeit
^r hiesigen Kunstinstitute über sich crgehen läßt.
Jn der Kunsthandlung F. A. C. Prcstel liegt in
»eiiem Gewande die „Zcitschrift des Kunstgewerbevereins
'» München" znr Subskription auf. Es ist eine schncll-
lebige Zeit, dieses ncunzehnte Jahrhundert. dkoch vor
ichn Jahren würde jedcr Verlegcr buchhändlerisch unter
Euratel gestellt sein, der sich eine solchc Ausstattnng
kiner Zeitschrift nur zu träumen erlaubt hätte. Die
^i'ünchener Ausstcllung scheint in der That berufen zu
^>n, cinen Wendepunkt in dcm dcutschcn Kunstgewerbe
äu bezeichnen. Wenn das letztere nur Ausdauer genug
^sitzt, die erhaltenen Anregungen siegreich zu verfolgen
'» den jetzt eingeschlagcnen Bahnen! Jn Heft 1 und
2 sind Vigncttcn von N. Seitz cnthalten, unter denen
d»r die Anfangsvignctte mit dem als meisterhaft
Tezeichuct und geschnitten besonders hervorhebcn.' Seitz
^ut in Hecht einen Holzschneider gefunden, der volles
^erständniß für die künstlerische Zeichnung hat, d. h.
!>'lbst Künstler ist. Solche Holzschneider sind rar, immer
^ur gewesen, wie die wenigen künstlerisch geschnittenen
Hvlzstöcke Dürer's beweisen, die man gar dem Meister
^lbst zuschreiben zu müssen glaubte. Außerdem sind in
^rsen ersten Heften noch Vignetten von Barth, eine
^kizze zum projektirten Kunstgewerbehaus in München
svii Ferd. Knab und fünf Musterblätter mitgetheilt,
^urunter drei Abbildungen antiker Gegenstände und ein
^eingefäß, erfunden von Franz von Seitz, ausgeführt
Harrach, ein Schlitten, erfunden von Franz Wid-
"'unn, ausgcführt von Gmelch, Plafond und Wand,
cntworfen von Ferd. Knab. Der Tcxt enthält ein frisch
geschriebenes Eröffnungswort von Fricdrich Pecht und
eine behcrzigenswerthe Abhandlung von Or. Max Haus-
hofcr über „die Kunst im Zusammenhange mit dem
Volkswohlstand". Die Ausstattung mit dem gelbtonigcn
Papier, dem Rothdruck und den Schwabacher Lettern ist
mustergiltig. Was die letzteren anbelangt, so sind sie
modernisirt, zum Theil nicht ohne Schick, zum Theil
aber, cntschieden noch mit der Schreinergothik der Bieder-
uieierzeit durchsetzt, verballhornisirt. So z. B. die
kleinen r mit dem gothischen Zöpfchen im Nacken, das
große L in „Zur Eröffnung des neucn Jahrgangs".
Die Textschrift ist geschmackvoller, einhcitlich im Charakter
und von ciner subtilen Sauberkeit im Schnitt. So
viel ich weiß, ist dieselbe unter dem Namen Germanisch
eingcführt. Es wäre wünschenswerth, wenn die Schrift-
gicßereien genannt würden, wenigstens bei besser aus-
gestatteten Werken, aus welchen die Lettern stammen.
Das hat am Ende dieselbe, wcnn nicht mehr Berech-
tigung, als dic Nennung des Druckers. Namentlich in
dcr jetzigcn Zcit, wo die Biedermeier von den Schwa-
bachern verdrängt werden, also jede Schriftgießcrei An-
strengungcn macht, etwas gutes Neues zu bringen. Daß
nnsere Drucker sich den Schwabachern gegenüber noch
ablehnend, im besten Falle abwartend verhalten, ist im
Intercsse ihres Geldbcutcls, leicht verständlich und natür-
lich. Wenn aber eine Fachschrift von Buchdruckern an
dcr Spitze des Blattes einen Aufruf gegen dic drohcnde
Gefahr der „geschmacklosen Zopfschrift" erlcißt, wie sie
die Frankfurter Firmen „Schriftgießerei Flinsch" und
„Bcnjamin Krebs Nachfolger" (alte Schwabacher) ein-
zuführcn suchten, so sollte cine „Fach"schrift doch nicht
so parteiisch sein, der Unkenntniß ihre Spalten zu öffncn.
Diese „geschmacklosen" Schwabacher haben die Zeit-
genossen Dürer's schön gefunden; die kleinen Refor-
mativnss.chriften sind beispiclsweise darin gedruckt. So
Groner „Zu Trost allen armen Gewissen", Wittenberg
1524 (sio!), „fürncmc unterscheid durch Philip Melanch-
thon unno ckomini 1555 (sio!), gedrückt zu Schleu-
singen durch Herman Hamsing" u. s. w. Die Schwa-
bacher Schrift ist eine Renaissanccschrift, und es liegt
in der Natur der Sache, daß wir mit Anlehnung an
die Renaissance anch ihrc Schrift wieder hervorgesucht
haben. Sie anzuschaffen, ist für die Buchdruckereicn
kostfpielig, und wir können ihren Geldbeutel aufrichtig
bcdauern. Gegen den Strom werdcn sie indeß uicht
lange mehr schwimmcn, denn so was hält dcr Stärkste
auf die Dauer nicht aus. Wie aber eine so geschmack-
voll ausgestattete Zeitschrift, wie Nord und Süd, von
Paul Lindau redigirt, noch mit der Halbheit von moder-
uer Schwabacher und alter Brodsckrift in der Renaissance-
strömung herumlavirt, ist uns vollends unverständlich.
Mangel an Muth kaun doch der Nedaktion und Ver-
Korrespondenz,
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Ichrieben, so würde er hinzugesetzt haben: ^rtis oporuur
VXpositionss vnonoknoit (so. 8irius); in den Hunds-
k»gen gehen die Künstter aufs Land, wie andere ver-
standige Menschen auch. Ein Kunstberichterstatter ist
^eilich gar oft in der Lage, von den „Berichteten" nicht
u»ter die vcrständigen Menschen gerechnet zu werden; in-
^'ß wird ihm der gerechteste Haß der „Gerichteten" nicht
äuinuthcn können, über lcerc Ansstellungen Berichte zu
lchreiben. Wie die Hundstage sich aber in den Juni
Uerirrt haben, so ist in den hiesigen Kunsthallen eine
^rühleere eingetreten, die selbst eine leisetretende Kritik
Trenzenlos finden dürfte, ohnc die Grenze des Erlaubten
Z» übcrschreitcn. Da Jhr Berichterstatter seinen Ruf
uls Jkichileisetreter nicht auf's Spiel setzen will, so er-
laubt er sich, diese Frühleere seinerseits unerlaubt zu
stnden. Womit er freilich nur scin stereothpcs Ootornin
uonsoo der Jnspektion dcs Kuiistvereins und der Ad-
Uunistrativn des Städel'schen Kunstinstituts gegenübcr
ausspricht. Jndeß behaupten cinsichtige Männer, daß
k>n Regentropfen eincn Stein auszuhöhlcn vcrmöge,
Urenn er nur die nöthige Geduld besäße. An dcr soll
ks nicht fehlen. Geht doch das Frankfurter kunstliebcnde
Publikum mit ciner unnachahmungswürdigcn Geduld
doran, in der es die siebcnschläfrige Dorfbeschaulichkeit
^r hiesigen Kunstinstitute über sich crgehen läßt.
Jn der Kunsthandlung F. A. C. Prcstel liegt in
»eiiem Gewande die „Zcitschrift des Kunstgewerbevereins
'» München" znr Subskription auf. Es ist eine schncll-
lebige Zeit, dieses ncunzehnte Jahrhundert. dkoch vor
ichn Jahren würde jedcr Verlegcr buchhändlerisch unter
Euratel gestellt sein, der sich eine solchc Ausstattnng
kiner Zeitschrift nur zu träumen erlaubt hätte. Die
^i'ünchener Ausstcllung scheint in der That berufen zu
^>n, cinen Wendepunkt in dcm dcutschcn Kunstgewerbe
äu bezeichnen. Wenn das letztere nur Ausdauer genug
^sitzt, die erhaltenen Anregungen siegreich zu verfolgen
'» den jetzt eingeschlagcnen Bahnen! Jn Heft 1 und
2 sind Vigncttcn von N. Seitz cnthalten, unter denen
d»r die Anfangsvignctte mit dem als meisterhaft
Tezeichuct und geschnitten besonders hervorhebcn.' Seitz
^ut in Hecht einen Holzschneider gefunden, der volles
^erständniß für die künstlerische Zeichnung hat, d. h.
!>'lbst Künstler ist. Solche Holzschneider sind rar, immer
^ur gewesen, wie die wenigen künstlerisch geschnittenen
Hvlzstöcke Dürer's beweisen, die man gar dem Meister
^lbst zuschreiben zu müssen glaubte. Außerdem sind in
^rsen ersten Heften noch Vignetten von Barth, eine
^kizze zum projektirten Kunstgewerbehaus in München
svii Ferd. Knab und fünf Musterblätter mitgetheilt,
^urunter drei Abbildungen antiker Gegenstände und ein
^eingefäß, erfunden von Franz von Seitz, ausgeführt
Harrach, ein Schlitten, erfunden von Franz Wid-
"'unn, ausgcführt von Gmelch, Plafond und Wand,
cntworfen von Ferd. Knab. Der Tcxt enthält ein frisch
geschriebenes Eröffnungswort von Fricdrich Pecht und
eine behcrzigenswerthe Abhandlung von Or. Max Haus-
hofcr über „die Kunst im Zusammenhange mit dem
Volkswohlstand". Die Ausstattung mit dem gelbtonigcn
Papier, dem Rothdruck und den Schwabacher Lettern ist
mustergiltig. Was die letzteren anbelangt, so sind sie
modernisirt, zum Theil nicht ohne Schick, zum Theil
aber, cntschieden noch mit der Schreinergothik der Bieder-
uieierzeit durchsetzt, verballhornisirt. So z. B. die
kleinen r mit dem gothischen Zöpfchen im Nacken, das
große L in „Zur Eröffnung des neucn Jahrgangs".
Die Textschrift ist geschmackvoller, einhcitlich im Charakter
und von ciner subtilen Sauberkeit im Schnitt. So
viel ich weiß, ist dieselbe unter dem Namen Germanisch
eingcführt. Es wäre wünschenswerth, wenn die Schrift-
gicßereien genannt würden, wenigstens bei besser aus-
gestatteten Werken, aus welchen die Lettern stammen.
Das hat am Ende dieselbe, wcnn nicht mehr Berech-
tigung, als dic Nennung des Druckers. Namentlich in
dcr jetzigcn Zcit, wo die Biedermeier von den Schwa-
bachern verdrängt werden, also jede Schriftgießcrei An-
strengungcn macht, etwas gutes Neues zu bringen. Daß
nnsere Drucker sich den Schwabachern gegenüber noch
ablehnend, im besten Falle abwartend verhalten, ist im
Intercsse ihres Geldbcutcls, leicht verständlich und natür-
lich. Wenn aber eine Fachschrift von Buchdruckern an
dcr Spitze des Blattes einen Aufruf gegen dic drohcnde
Gefahr der „geschmacklosen Zopfschrift" erlcißt, wie sie
die Frankfurter Firmen „Schriftgießerei Flinsch" und
„Bcnjamin Krebs Nachfolger" (alte Schwabacher) ein-
zuführcn suchten, so sollte cine „Fach"schrift doch nicht
so parteiisch sein, der Unkenntniß ihre Spalten zu öffncn.
Diese „geschmacklosen" Schwabacher haben die Zeit-
genossen Dürer's schön gefunden; die kleinen Refor-
mativnss.chriften sind beispiclsweise darin gedruckt. So
Groner „Zu Trost allen armen Gewissen", Wittenberg
1524 (sio!), „fürncmc unterscheid durch Philip Melanch-
thon unno ckomini 1555 (sio!), gedrückt zu Schleu-
singen durch Herman Hamsing" u. s. w. Die Schwa-
bacher Schrift ist eine Renaissanccschrift, und es liegt
in der Natur der Sache, daß wir mit Anlehnung an
die Renaissance anch ihrc Schrift wieder hervorgesucht
haben. Sie anzuschaffen, ist für die Buchdruckereicn
kostfpielig, und wir können ihren Geldbeutel aufrichtig
bcdauern. Gegen den Strom werdcn sie indeß uicht
lange mehr schwimmcn, denn so was hält dcr Stärkste
auf die Dauer nicht aus. Wie aber eine so geschmack-
voll ausgestattete Zeitschrift, wie Nord und Süd, von
Paul Lindau redigirt, noch mit der Halbheit von moder-
uer Schwabacher und alter Brodsckrift in der Renaissance-
strömung herumlavirt, ist uns vollends unverständlich.
Mangel an Muth kaun doch der Nedaktion und Ver-