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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Beavington-Atkinson, J.: Die Growvenor-Gallery in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0330

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Die Grosvenor-Gallery in London.

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stände von den Bcsitzern, jedoch nur mit Erlaubniß der
Künstler, dem Unternehmen zugeführt wurden. Manche
von diesen Kunstwerken sind bereits in London oder auf
dem Kontinent ausgestellt gewesen. Wie schon bemerkt,
ist die Zulassung von Gemälden einzig und allein ab-
hängig von der Einladung Sir Coutts Lindsay's. Für
gute Bewahrung der eingesandten Werke ist alle uur
mögliche Vorsorge getroffen, jedoch lehnt der Unter-
nehmer jede Verantwortlichkeit ab für den Fall der
Beschädigung oder des Verlustes. Kein Werk kann aus
der Ausstellung entfernt werden, bevor dieselbe geschlossen
ist. Bei der Aufstcllung der Bilder wird Rücksicht
darauf genommen, eim jedes in möglichst günstiges Licht
zu setzen; auch trägt man Sorge, die Werke ein und
desselben Meisters mvglichst zusammcn zu placiren. Auf
diese Weise bildet die Olrosvonor-Olnllor^ ein ausge-
zeichnetes Beförderungsmittel für wirklich gute Kunst-
lcistungen sowohl als auch für den Geschmack und das
ästhetische Vergnügen des Publikums.

Einiges Mißfallen ,ist darüber geäußert worden,
daß cin Unternehmen, welches der Kunst im Allgemeinen
zu Gute kommen soll, nur den Jnteressen eines kleineren
Kreises oder einer exklusiven Clique diene. Man hatte
gehofft, daß vielversprechende Talente, die bei der kgl.
Akademie oder anderen Ausstellungen keinen Zugang
sinden konnten, in der Llrosvonor-LluUsr)- eine Compen-
sation durch freundliche Aufnahme finden würden. Es
giebt eben immer eine Anzahl Künstler, Lie vergeblich
auf Anerkennung warten, woran in den meisten Fällen
freilich nur der Mangel an Talent schuld sein dürfte;
und auch unzufriedene Künstler wird es zu allen Zeiten
geben, so viele Galerien man errichten mag; außerdem
leidet London an öffentlichen Ausstellungen wahrhaftig
keinen Mangel. Der Vorwurf des Cliquenwesens wurde
so heftig und erregte ein svlches Vorurtheil gegen das
Unternehmen, daß man in einer bösen Stunde eine
Anzahl Mitglieder der Akademie, außer dem Präsidenten
Sir Francis Grant die Herren Watts, Leighton, Millais,
Poynter, Alma Tadema und Leslie zuließ. Dieser
große Zufluß aus der königl. Akademie wurde als still-
schweigendes Zugeständniß aufgefaßt, daß die Partei
der Vornehmen der Olrosvonor-Olnllor^ nicht ohne
fremde Unterstützung bestehen könne. Aber wie in der
Politik so gehen auch in der Kunst die Kompromifse
aus verhüllter Schwäche, Ueberläuferei und Uneinigkeit
der ursprünglichen Parteigänger hervor. Zwar kam es
zu keiner Kabale, aber Mr. Rossetti, der Führer der
sich für die Orsms äo 1u Orsiuo ausgebenden Partei,
gab doch nicht allein seine bekannte Antipathie gegen
Ausstellungen, sondern auch seine Furcht vor karmoisin-
rothen Vorhängen und vergoldeten Pilastern auf, da er
die Zulassung der königl. Akademiker als einen Verrath
an dem Fundamentalsatze erklärte, daß die Akademie I

bereits im Besitz eines Uebermaßes von Macht sei,
welche von ihr zu persönlichen Begünstigungen gebrauckst
werde. So hat denn die Olrosvsnor-OlnUsr^, statt, ww
es die Absicht war, den Frieden zu proklamiren, den Krieg
von Neuem entzündet, und niemals hat die Künstler-
eifersucht und Feindseligkeit so in der Blüthe gestanven
wie gegenwärtig in England.

Verschiedene Künstler, die in der Ausstellung ver-
treten sind, haben wir bereits namhaft gemacht. Aln>a
Tadema setzt alle Welt in Erstaunen durch die Preise
seiner Gemälde; er ist jetzt entschieden der am besten
bezahlte Maler, der seine 1000 für sehr kleinc
Miniaturgemälde erhält, so daß er in dieser Beziehung
Meissonier nichts nachgiebt. Mr. Poynler, der als
Direktor der Kunstschulen in South Kensinglon eineN
großen Einfluß auf die künstlerische Entwickelung dec
Nalion ausübt, hat zehn Gemälde beigesteuert. Er besitzt
eine gewisse akademische Korrektheit in der Zeichnung und
verdankt Jtalien und Frankreich ebrnso viel wie Eng-
land. So war er denn eine sehr passende Persönlich-
keit für die Leitung der nationalen Kunstschnlen, dereN
wir jetzt an 100 besitzen. Mr. Legros, der auch als
„Slade-Professor" einen beherrschenden Einfluß auf dic
künstlerische Erziehung ausübt, giebt Beweise seines
kraftvollen Realismus und seiner raschen Art zn skizziren-
Mr. Spencer Stanhope nimmt als Klassicist eineN
hervorragenden Platz in der neuen Schule excentrischeN
Bekenntnisses ein, und zu derselben strebsamen Genossen-
schaft gehört auch Mr. W. R.'Richmond, wie ai>s
einem symmetrisch angeordneten Gemälde „Elektra, a»>
Grabe des Agamemnon" hervorgeht. Hier treten auch
die zwei Löwen über dem Löwenthor von Mykenä aust
von denen Lr. Schliemann den Londonern so manche
apokryphe Geschichte erzählt hat. Mr. Hollman Hunt,
der Beständigste unter den Präraffaeliten Englands,
den der türkisch-russische Krieg von Jerusalem nach
Hanse getrieben hat, stellt einige wohlbekannte ArbeiteN
aus, wie z. B. „nktsr §1orv". Doch der Maler, der a»>
meisten Aufmerksamkeit erregt, ist Mr. Burn Jones,
der, nachdem er sich von allen Ausstellungen aus Ueber-
druß und Unwillen zurückgezogen hat, wieder einnia^
ein Zeugniß von seinem außergewöhnlichen, aber aste
Grenzen überschreitenden Talente ablegt in „Der Be-
trug des Merlin", „Der Spiegel der Venus" und „D>^
Schöpfungstage". Die Darstellungsweise dieses Malers
hält sich an Perugino und Pinturicchio. In mancher
Beziehung nähert er sich Overbeck, hat jedoch den Vorzug
eines glänzenderen Kolorits, dem er durch Anwendung
von Goldgründen, die er mit Lasuren und halbdurchsichti-
gen Farben überzieht, noch mehr Leuchtkraft verleiht. Kei»
Künstler wird in London von der Elite der Gesellschast
und der gebildeten Welt mehr nach Berdienst gewürdigst
als Mr. Burn Jones, das Extrem der Manieristen.
 
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