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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Kunstliteratur,

670

V69

^itischen Untersuchungen über die Kunstwerke und
^alerien des herrlichen Landes! Jn früherer Zeit
wohl schon seit Winckelmann — drängte echter
^nthusiasmus über das noch nie Gesehene, jede Vor-
stellung Uebertreffende, das jenes Wunderland den trun-
kenen Sinneu bot, dazu, diese Eindrücke zu beschreiben,
^ie in der Erinnerung nochmals durchzukosten, nochmals
^n ihnen zu schwelgen. Es war eine gewisse Naivetät,
^ie in der liebenswürdigsten Subjektivität zeigen wollte,
^as man in Jtalien gesehen; wenn man will, kann man
^es kernigen Seume Spaziergang nach Syrakus hierher
^echnen. Ganz anders tritt jene Gattung aussührlicher,
^chwer gelehrter archäologischer und kunstgeschichtlicher
iiÜerke auf, die Jtaliens Kunstentwickelung beschreibeu
°i>er aber in monographischer Breite bei einzelnen Dcnk-
walen oder Sammlungen verweilen; sie wird wohl kein
Eunstfreund nach Jtalien mitnehmen könncn, es wäre
^chon eine ziemlich stattliche Bibliothek. Aus der Aner-
^nnung dieses Umstandes sind die handsamen Kunst-
^ädeker entstanden, die in copiosester Weise auf alles
^ehenswerthe aufmerksam machen uud gleichzeitig mehr
°^er minder richtige Daten und Urtheile mitlheilen.

Der Verfasser dcs vorliegenden — um cs gleich
hwr zu sagen — ungemein frisch und spannend ge-
schriebenen Buches, wolltc kein Reisehandbuch liefern,
^ber auch kein Werk der zweiten Gattung; seine Schrift
Tehört, wie mir scheint, in die erste Reihe. Er sagt ja
ielbst mit jener Bescheidenheit, welchc vie ganze Schrift
Erfüllt: „Was ich bei Veröffentlichung dieses Reisewerkes
Einzig und allein beabsichtige, ist, in leichter, erzählen-
ber Form dem Leser die bedeutendstenKunstwerkeItaliens
^°r Augen zu führen, damit er sich daran erfreue und,
^enn er sie noch nicht selbst gesehen hat, wärmer von
dern Wunsche beseelt werde, dieses Wunderland aus
^'gener Anschauung kennen zu lernen". Dies die Ziele
^nd Absichten des Buches; ich stehe nicht an zu sagen,
^aß sie völlig erreicht werden müssen. Denn wohl jedem
^eser von Herz und Geist wird es so ergehen, wie mir;
^e fesselnde, oft bis zu hohem Schwunge und rührender
^egeisterung sich erhebende Schilderung hielt mich bei
^NI Buche fest, das in plastischen Formen und frischen
^arben uns die Eindrücke wiederspiegelt, wie sie der
^erfasser rein und schön in seine Seele aufgenommen!
^ber gewiß wird auch jeder Leser bei der Lektüre der
^'schen Schrift jene Sehnsucht nach Jtalien empfinden,
uns Germanen seit den Kindstagen unseres Volkes
^nvertilgbar innewohnt. Wer das prachtvolle Bild
"Nvur" wie es ihm in diesem Buche entrollt wird, auf
Hch wirken läßt, der wirv den Plan eines „Rönrerzuges"
nrehr aus seinem Denken verbannen können, frei-
^ eines vernünftigeren Römerzuges, als ihn die Bor-
^hren unternommen! —^ Stellt sich so die Tendenz des
^erkes als völlig erreicht dar, so mag es dem Referenten

gestattet sein, eines besonderen Vorzuges zu gedenken, der
diesem „Reisetagcbuch" zukommt. Reisetagebücher tragen
häufig die Eigenthümlichkeiten der Tagebücher an sich,
sie sind sehr geschwätzig und am liebsteu und meisten
sprechen sie von dem lieben „Lsso", das stets im Vorder-
grund dcr Darstellung steht. Nichts davon in Krieger's
Buch; so sachlich, so bescheiden und taktvoll dcr Vcr-
fasser vorgeht, so wenig er selbst von seiner Persönlich-
keit verräth, so sehr spricht aber doch die Art, wie er
erzählt und was er schildert, für diese Persönlichkeit.
Wir fühlen es: wir haben es mit einem welterfahrcnen,
vielseitig gebildeten urbanen Geiste zu thun, einem Geiste
vornehmer Art, vor Allern aber mit einem Manne von
echtem, tiefem Gefühl! Und so wissen wir gleich nach
den ersten Seiten, daß wir in gar guter Gesellschast
wandern, uud vertrauen uns gern einem Führer, der so
schöu zu sprechen, so lebenSvoll zu schildern weiß.

K. führt uns von Wien über den Brenner nach
Mailand; hier erfahren wir, daß der Verfasser ein
Oesterreicher und freuen uns gleich der vorurtheils-
losen und richtigen Erwägung, mit der der Verfasser
elegische Gefühle über den Verlust Mailands und der
italienischen Provinzen Oesterreichs mit den Worten
riiederkämpft: „Freilich das Bündniß war kein natur-
gemäßes, kein freies und kein glückliches, und so mußte
es früher oder später sich lösen". — Wir treten dann
mit unserem Wegweiser vor den Dom, zur Bclrachtung
des letzten Abendmahls von Lionardo da Vinci und
lernen gleich hier die Freimüthigkeit des Urtheils kennen,
das sich durchaus nicht jener gedankenlosen und feigen
Mode unterwirft, gewisse traditionelle Lobessprüche nach-
zubeten, sondern sich seine eigene Ueberzeugung wahrt,
vann aber auch die Methode des Verfassers, außer der
Schilderung von den Werken der Meister recht lehrreiche
Daten über die letzteren zu geben, die ich freilich lieber
als Noten unter dem Texte sähe.

K. bespricht auch den Palazzo di Brera, die Scala,
und geht dann auf Pavia und die Certosa über, deren
Schicksal er bedauert. Es kann hier nicht der Ort sein,
die Schilderungen jevcs einzelnen Ortes nnd jedes ein-
zelnen Kunstdenkmals zu besprechen, ich bemerke nur,
daß mir die reichen und hochinteressanten Artikel über
Florenz und Rom den bedeutendsten Eindruck gemacht.
Schon in den florentinischen Schilderungen zeigt sich die
Sprache des Verfassers von dem Frohgefühl der Er-
innerung gchoben, eine gewisse sonnige Stimmung be-
mächtigt sich seiner, als er von den Vorzügen und den
trefflichen Eigenschaften der Florentiner spricht. Mur
diese Proben der Sprache seien gestattet: „Zauberhaft
schöu hat die Natur sich ringsum aufgebaut und mit
allen ihren Reizen sich geschmückt. In lieblicher unv
wieder majestätischer Umgebung breitet sich die blühende,
Llumenreiche Stadt aus und weithin zieht sich das Arno-
 
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