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Londoner Kunstausstellungen.
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Maurier. Herkomer hat das Original zu seiner im
„Orupiiic" publicirten Zeichnung „olä LAs" ausgestellt.
Diese Künstler pflegen mit Gescbick zu improvisiren, ge-
wöhnt, hervorragende Charakterzüge leicht zu erfassen, und
manche fügen auch wohl der gemalten Erzählung die
Erklärung in Prosa oder Poesie bei, ähnlich wie Molisre
seine Komövien durch Originalzeichnungen seiner Hand
illustrirte. Zm Laufe der letzten Jahre hat die Zllustra-
tionszeichnung in England einen bemerkbaren Aufschwung
genommen, sowohl in Hinsicht der Zahl als auch bezüg-
lich der Fertigkeit. H. Fantin hat eine Anzahl von
Lithographien ausgestellt, welche Rich. Wagner's Sieg-
fried, Erscheinung der Erda, Tannhäuser und Rhein-
gold zum Gegenstande haben. Unter den französischen
Radirern, Bleistift- und Kohlenzeichnern ragen beson-
ders L'hcrmitte, Jules Jacquemart, Allongs, Legros,
Tissot, Rajon, Fröre, Fran^ais, Gsrome, Lalanne und
Mme. Rosa Bonheur hervor. Paul Meyerheim hat
eine bemerkenswerthe Collection von 36 Originalzeich-
nungen zu Goethe's Reinecke Fuchs beigesteuert.
Großes Znteresse erregte eine Sammlung von 100
Aquarellen, die Frank Dillon, ein englischer Künstler
von Ruf, während der Jahre 1875—-76 bei Gelegen-
heit eines Aufcnthaltes in Japan ausgeführt hat. Sie
bezeugen eine lebhafte, scharfe Auffassungsgabe, sowohl
bezüglich der Landschaft und Architektur, als auch des
häuslichen und öffentlichen Lebens des merkwürdigen
Jnselreichs. Japan hat in den letzten Zahren einen
wesentlichen Umschwung seiner Lebensbedingungen er-
fahren. Neue Gebäude in europäischem Stil sind er-
richtet worden, und die Kunstgewerbe, die keramische wie
die Textil-Jndustrie, geben allgemach ihren nationalen
Charakter auf. Dillon sagt, daß nur der Wunsch, die
Erinnerung an eine im Schwinden begriffene Kultur-
epoche zu bewahren, ihn veranlaßt habe, das Land in>
seiner jetzigen Verfassung zu porlräliren, indem er mit
besonderer Vorliebe bei jenen Zügen verweilte, welche
der westliche Civilisationsproceß noch verschont hat.
Drei Galerien ausländischer Künstler von der ge-
wöhnlichen Durchfchnittsqualität mögen kurze Erwähnung
finden. Die „I'ronsll Aallorv" eröffnet ihre 24. jähr-
liche Gemäldeausstellung. Die Zahl der nicht nur aus
Frankreich sondern überhaupt vom Auslande beigesteuer-
ten Werke beträgt 231. Die Galerie wurde überhaupt nur
von französischcn Künstlern beschickt, das Hauptkontingent
stellen sie auck jetzt noch, besonders Meissonier, Jules
Breton, Corot, Gorüme. Doch sind auch Gemälde der
deutschen, hauptsächlich der Düsseldorfer und Münchener
Schnle zahlreich vorhanden. Unter diesen verdient zu-
nächst Erwähnung Prof. Knaus' „Auf schlechten Wegen".
Sonderbarer Weise ist dieser große Maler von euro-
Päischem Rufe in England nur verhältnißmäßig wenig
bekannt, und da die Tagespresse keine Reklame für ihn
macht, erzielen seine Bilder in London geringere Preisi
als in Berlin. Das gegenwärtig ausgestellte Gemälde,
welches gerade nicht zu den besten des Meisters ge-
hört, ist ohne Preisangabe ausgestellt, was seinen Grund
darin haben mag, daß derselbe zu hoch ist, um dafür
in England einen Käufer zu finden. Bei der Wahl
der Bilder scheint die realistische Schule besouders be-
vorzugt zu sein, wohl mit Rücksicht darauf, daß die
Erzeugnisse derselben dem britischen Geiste mehr ent-
sprechen als die Leistungen der idealen Kunstrichtung-
Die Münchener Schule ist u. A. durch F. A. Kaul-
bach gut vertreten, und den kosmopolitischen Charakter
der Ausstellung kennzeichnen die Namen von Palmaroli,
R. de Madrazo, Fortuny, A. Wahlberg, L. Munthe,
Haag, Zsraels u. A. Dieser internationale Charakter
der Ausstellung hat im Laufe der Zeit wesentlich dahin
gewirkt, englischen Sammlern die künstlerischen Ber-
dienste des Auslandes begreiflich zu machen.
Die „Ounisli — or marino pioturo ^allsr^"
verherrlicht von neuem die einst von den nordischen
Kvnigen über das wilde Meer ausgeübte Herrschaft-
Die Geister dieser tapferen, gesetzlosen Seeräuber leben
fort in der Kunst. C. F. Sörensen's „Schwedischr
Fischerboote in der Nordsee", C. Rasmussen's „Ent-
deckung Gröndlands durch König Eric den Rothen,
i. I. 983" und W. Melby's „Sommernacht in Zs-
land, rauhes Welter" sind Zeugen dafür. Mehrere
dieser Seestücke sind schon früher ausgestellt gewesen,
andere rühren von bereits verstorbenen Künstlern her,
und alles in allem sieht diese nationale Sammlung eher
einem Bilderladen als einer Kunstausstellung ähnlich-
Jn einem der verfloffenen Jahre war der Ausstellungs-
raum beinahe ausschließlich von Werken derFrauZericha»
in Anspruch genommen, jetzt hat auch nicht ein einzigcs
Bild dieser hochbegabten Künstlerin darin Platz gefunden-
Es ist wohl bekannt, daß dort der erbittertste Kamps
zwischen der sogenannten nationalen und der sogenannten
antinationalen Partei entbrannt war. Frau JerichaU
und ihr Gatte gehörten der letzteren an, und daraus
erklärt es sich möglicher Weise, daß beide durch Ab-
wesenheit glänzen.
Schließlich muß der Liste fremder Ausstellungeu
diejenige Gustave Dorö's hinzugefügt werden. Dic
melodramatischen, manchmal sehr bedenklichen Komposi-
tionen dieses Virtuosen erfahren sonderbarer Weisc
größere Gunst in dem züchtigen London als in dew
zügellosen Paris. Die wunderlichsten Kompositionen sinv
nach wie vor „Christus das Psalterium verlesend",
„Christi Einzug in Zerusalem", die „Eherne Schlange",
der „Traum der Frau des Pilatus". Einige dieser
Gemälde sind durch den Stich vervielfältigt, und dic
ganze, auf gewöhnlichen Sinnenreiz berechnete Ausstclluug
soll sich eiuer außerordenllichen Popularität erfreueu-
Londoner Kunstausstellungen.
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Maurier. Herkomer hat das Original zu seiner im
„Orupiiic" publicirten Zeichnung „olä LAs" ausgestellt.
Diese Künstler pflegen mit Gescbick zu improvisiren, ge-
wöhnt, hervorragende Charakterzüge leicht zu erfassen, und
manche fügen auch wohl der gemalten Erzählung die
Erklärung in Prosa oder Poesie bei, ähnlich wie Molisre
seine Komövien durch Originalzeichnungen seiner Hand
illustrirte. Zm Laufe der letzten Jahre hat die Zllustra-
tionszeichnung in England einen bemerkbaren Aufschwung
genommen, sowohl in Hinsicht der Zahl als auch bezüg-
lich der Fertigkeit. H. Fantin hat eine Anzahl von
Lithographien ausgestellt, welche Rich. Wagner's Sieg-
fried, Erscheinung der Erda, Tannhäuser und Rhein-
gold zum Gegenstande haben. Unter den französischen
Radirern, Bleistift- und Kohlenzeichnern ragen beson-
ders L'hcrmitte, Jules Jacquemart, Allongs, Legros,
Tissot, Rajon, Fröre, Fran^ais, Gsrome, Lalanne und
Mme. Rosa Bonheur hervor. Paul Meyerheim hat
eine bemerkenswerthe Collection von 36 Originalzeich-
nungen zu Goethe's Reinecke Fuchs beigesteuert.
Großes Znteresse erregte eine Sammlung von 100
Aquarellen, die Frank Dillon, ein englischer Künstler
von Ruf, während der Jahre 1875—-76 bei Gelegen-
heit eines Aufcnthaltes in Japan ausgeführt hat. Sie
bezeugen eine lebhafte, scharfe Auffassungsgabe, sowohl
bezüglich der Landschaft und Architektur, als auch des
häuslichen und öffentlichen Lebens des merkwürdigen
Jnselreichs. Japan hat in den letzten Zahren einen
wesentlichen Umschwung seiner Lebensbedingungen er-
fahren. Neue Gebäude in europäischem Stil sind er-
richtet worden, und die Kunstgewerbe, die keramische wie
die Textil-Jndustrie, geben allgemach ihren nationalen
Charakter auf. Dillon sagt, daß nur der Wunsch, die
Erinnerung an eine im Schwinden begriffene Kultur-
epoche zu bewahren, ihn veranlaßt habe, das Land in>
seiner jetzigen Verfassung zu porlräliren, indem er mit
besonderer Vorliebe bei jenen Zügen verweilte, welche
der westliche Civilisationsproceß noch verschont hat.
Drei Galerien ausländischer Künstler von der ge-
wöhnlichen Durchfchnittsqualität mögen kurze Erwähnung
finden. Die „I'ronsll Aallorv" eröffnet ihre 24. jähr-
liche Gemäldeausstellung. Die Zahl der nicht nur aus
Frankreich sondern überhaupt vom Auslande beigesteuer-
ten Werke beträgt 231. Die Galerie wurde überhaupt nur
von französischcn Künstlern beschickt, das Hauptkontingent
stellen sie auck jetzt noch, besonders Meissonier, Jules
Breton, Corot, Gorüme. Doch sind auch Gemälde der
deutschen, hauptsächlich der Düsseldorfer und Münchener
Schnle zahlreich vorhanden. Unter diesen verdient zu-
nächst Erwähnung Prof. Knaus' „Auf schlechten Wegen".
Sonderbarer Weise ist dieser große Maler von euro-
Päischem Rufe in England nur verhältnißmäßig wenig
bekannt, und da die Tagespresse keine Reklame für ihn
macht, erzielen seine Bilder in London geringere Preisi
als in Berlin. Das gegenwärtig ausgestellte Gemälde,
welches gerade nicht zu den besten des Meisters ge-
hört, ist ohne Preisangabe ausgestellt, was seinen Grund
darin haben mag, daß derselbe zu hoch ist, um dafür
in England einen Käufer zu finden. Bei der Wahl
der Bilder scheint die realistische Schule besouders be-
vorzugt zu sein, wohl mit Rücksicht darauf, daß die
Erzeugnisse derselben dem britischen Geiste mehr ent-
sprechen als die Leistungen der idealen Kunstrichtung-
Die Münchener Schule ist u. A. durch F. A. Kaul-
bach gut vertreten, und den kosmopolitischen Charakter
der Ausstellung kennzeichnen die Namen von Palmaroli,
R. de Madrazo, Fortuny, A. Wahlberg, L. Munthe,
Haag, Zsraels u. A. Dieser internationale Charakter
der Ausstellung hat im Laufe der Zeit wesentlich dahin
gewirkt, englischen Sammlern die künstlerischen Ber-
dienste des Auslandes begreiflich zu machen.
Die „Ounisli — or marino pioturo ^allsr^"
verherrlicht von neuem die einst von den nordischen
Kvnigen über das wilde Meer ausgeübte Herrschaft-
Die Geister dieser tapferen, gesetzlosen Seeräuber leben
fort in der Kunst. C. F. Sörensen's „Schwedischr
Fischerboote in der Nordsee", C. Rasmussen's „Ent-
deckung Gröndlands durch König Eric den Rothen,
i. I. 983" und W. Melby's „Sommernacht in Zs-
land, rauhes Welter" sind Zeugen dafür. Mehrere
dieser Seestücke sind schon früher ausgestellt gewesen,
andere rühren von bereits verstorbenen Künstlern her,
und alles in allem sieht diese nationale Sammlung eher
einem Bilderladen als einer Kunstausstellung ähnlich-
Jn einem der verfloffenen Jahre war der Ausstellungs-
raum beinahe ausschließlich von Werken derFrauZericha»
in Anspruch genommen, jetzt hat auch nicht ein einzigcs
Bild dieser hochbegabten Künstlerin darin Platz gefunden-
Es ist wohl bekannt, daß dort der erbittertste Kamps
zwischen der sogenannten nationalen und der sogenannten
antinationalen Partei entbrannt war. Frau JerichaU
und ihr Gatte gehörten der letzteren an, und daraus
erklärt es sich möglicher Weise, daß beide durch Ab-
wesenheit glänzen.
Schließlich muß der Liste fremder Ausstellungeu
diejenige Gustave Dorö's hinzugefügt werden. Dic
melodramatischen, manchmal sehr bedenklichen Komposi-
tionen dieses Virtuosen erfahren sonderbarer Weisc
größere Gunst in dem züchtigen London als in dew
zügellosen Paris. Die wunderlichsten Kompositionen sinv
nach wie vor „Christus das Psalterium verlesend",
„Christi Einzug in Zerusalem", die „Eherne Schlange",
der „Traum der Frau des Pilatus". Einige dieser
Gemälde sind durch den Stich vervielfältigt, und dic
ganze, auf gewöhnlichen Sinnenreiz berechnete Ausstclluug
soll sich eiuer außerordenllichen Popularität erfreueu-