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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Lampert, Friecrich: Altdeutsche bilder in der Münsterkirche zu Kloster Heilsbronn, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0381

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Altdeutsche Bilder in der Münsterkirche zu Kloster Heilsbronn.

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>n die Hand kam, fiel ihnen seine nngewöhnliche Dicke
auf. Man lam auf den Einfall, das Holz zu durch-
schneiden, und die Vermuthung erwies sich als richlig:
es warcn zwei Flügel aneinander geklebt, und beide
sind unserer Beachtung werth.

Der eine ist in seiner ganzen alten Gestalt und
ursprünglichen Eigenthümlichkeit erhalten; am andern,
auf vem nur noch ein Theil der Kreuzigung zu sehen
war, hat die erwähnte Restauration keinc glückliche
Hand gehabt: sie hat das Alte verwischt und zu viel
Nenes in die immer noch kenntlichen und charakteristischen
Umrisse hineingepinselt. Aber auf dem unangetastet
Gelassenen können wir mit unsern Gedanken ganz dem
originellen Gange des Künstlers folgen. Er hat nns
Gefangennehmung und Verhör Jesu, sowie Auferstehung
und Himmelfahrt schildern wollen und hat das in seinem
Sinne in möglichst anschaulicher Weise und höchster
Naivetäl gethan. Die Situationen sind ganz eigen-
artig, vvn der gewöhnlichen Auffassung und Darstellung
Mannigfach abweichend vorgeführt. Auch hier fällt
uns das Ringen des Malers zwischen den in ihm
thätigen Gedanken, die wirklich künstlerische, von ihrcm
heiligen Stoffe ganz durchdrungene waren, und der
Mangel plastischer Gestaltungssähigkeit auf: daher auch
hier wieder die durchaus unrichtigen Stellungen, die
vcrkehrlen, eckigcn, steifen, verzerrten Gestalten, und dabei
die ausdrucksvollen Gesichter, die namentlich oft sprechen-
den Augen in manchen Köpfen.

Gleich auf dem crsten der vier Felder, in die das
Bild abgetheilt ist, ist die Gestalt des eben von Judas
geküßien Herrn das gerade Gegentheil aller edlen und
nur natürlichen Körperbildung; allcin in dem Auge,
das dcn Verräther anblickt, währcnd dieser, vertraulich
den Arm um ihn schlingend, Jesum auf die Wange
küßt, liegt etwas unaussprechlich Wehmüthiges und
zugleich Hoheitvolles, das uns sagt, daß der Künstler
eine Ahnung von lieferem Verständniß jcner bedeutungs-
vollen Vorgänge gehabt hat. Jesus und Judas sind
der natürliche Mittelpunkt der Scene; die herumstehen-
den Häscher, von dencn der eine die Hand ebenfalls
auf Jesu Schulter legt, der andere eine Laterne hoch
hebt, um sich der Jdentität des Gefangenen zu ver-
stchern, geben ein ziemlich bewegtes Bild. Oben schaut
vechts in der Ecke der Tafel der Mond mit vollem
Gesicht auf die Gruppe. Ganz Lhnlich wird das zweite
vbere Feld im Gegensatz zu diesem Nachtstück von dcr
Sonnc, ebenfalls einem richtigen, bausbackigen Menschen-
gesicht, beleuchtet. Es schildert Christum vor Hervdes.
Die gewöhnlichen Darstellungen zcigen den Herrn schon
'm Vcrhör bci Herodcs. Hier aber ist der Moment
des Vorführens gcwählt: Hervdes in langcm, rothem
drock, die Krone auf dem Haupt, tritt aus ciner schmalen
Hausthüre, den eincn Fuß eben aus ihr heraussetzend;

ihm gcgenübcr Christus, von zwei Kriegskncchten und
einem Priestcr geführt. Währeud alle die Feinde den
Ausdruck befriedigten Rachegefühls, fühllosen Hohnes
und Spottes in den Zügen haben, ist wiederuin Jesu
Ausdruck gauz das richtige Verständniß der Worte:
„Und er antwortete ihm nichts". Hier ist auch eine
Allegorie angebracht: auf Herodes' Schulter sitzt eine gräu-
liche Thiergestalt, halb Katze, halb Hund, mit ihren Krallen
sich an ihn anklammernd und ihm in's Ohr flüsternd.

Wenden wir uns zu deni dritten Bilve, dem erstcn
links aus der untern Reihe, der Auferstehung. Es ist
eines der eigenthümlichsten. Alle Momente der Auf-
erstehung, die nach- und auseinanderfallen, sind hier
auf einen sehr kleinen Raum zusammengedrängt: der
auferstehcnde Christus, die bestürzten Wächter, der
auferweckende Engel, und die Frauen am Grabe. Das
ofsene Grab füllt fast den ganzcn Raum des Bild-
grundes; . der abgewälzte Stein hängt quer darüber
herunter, ohne alle Perspektive gemalt; aus ihm sitzt
der Engel, das Leintuch in der Hand, es den
Frauen zeigend; seine rothen Flügel stehen aufrecht
über der sein Haupt umgebenden Glorie und schlagen
mit den Spitzen fast zusammen. Die drei Frauen,
mit sonderbarem Kopfputz angethan, steheu, die Hände
erstaunt faltend, am Grabe; unter dem Kleid der einen
hervor schaut eine nicht viel mehr als mit dem Kopfe
hervortretende Männergestalt, wahrscheinlich Petrus, in
das Grab hinein. Halten sich diese Personen in der
Höhe des Grabesrandes, so sehen wir an dessen Fuße
gleichsam, wiederum ganz ohne Perspektive an die
Grabeswand gemalt, die Wächter, offenbar dic best-
gelungenen Gestalten des ganzen Bildes. Der eine ist
gerade aus dem Schlafe aufgefahren; halb sich vor-
beugend, schaut er erstaunt zum auferstehenden Herrn
auf und legt die Hand an's Schwert, ohnc aber den
Mulh zu haben, es zu ziehen. Dcm gegenüber ist
der zweite ein mit vielem Hunwr gemaltes Bild des
Schreckens und der Furcht; mit verzweifeltem Gesichte
zieht er seinen Rock hoch herauf zur Nase, über dic
schon der Hnt hereingefallen ist; krampfhaft umklammert
er seinen Spieß und macht Anstalt, sich auch noch
hinter den übermäßig großen Schild zu flüchtcn, der
ein Wappcn, Halbmond über Sterncn auf goldenem
Felde, zeigt. Der dritte der Wächter endlich will gar
nichts von dem ganzen, auch ihn in Furcht jagenden
Vorgang wissen; er vcrbirgt seinen dicken Kopf so tief
in seine Hände, daß cr wirklich weder etwas sehen
noch hören kann.

Nun der Heiland selbst. Er ist im Begriff, das
Grab zu verlassen; den einen Fuß hat er schon über
desscn Rand herausgezogen, aber noch nicht zu Boden
gesctzt, der andere ist noch drinnen: cine durchaus
unschöne Stellung, die diesmal auck nicht durch den
 
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