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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Das Rubensfest zu Antwerpen, [3]
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Das Rubensfest zu Antwerpen.

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19. September erst gcschlossen. Es war vieles Vortreff-
liche da. Ilnter Anderm hatte auch Herr B. Suermoudt
seinen bekannten Rubens-Sündcusall ausgestellt, den wir
früher uur im Lichte düsteren Wintertages gesehen und
nicht, wie hier, imuitten so vieler Meisterwcrke zu wür-
digen vermocht hatteu. Die erstcn Namen der flan-
drischen, niederländischen und italienischcn Schuleu siud
vertreten. Ein kritisches eingehendes Urtheil kanu sich
uur erlauben, wcr längere Zeit diese Sammlung zu
studircn vermochte; ein solcher mag würdigen, preisen,
bezweifcln, oder sich verwundern über ungewohnte Bil-
der dieser und jener Meister. Wir wolleu hier uur
auführen, daß wir vor den hier zu sehenden Gemälden
Abraham Janssen's noch einmal den Streit und die
Eifersucht des Antwerpener Meisters mit dem neu auf-
gehenden Gestirn des von Jtalien heimkehrenden Peter
Paul Nubens nachfühlten. Wir hatten Panssen's Be-
deutung und Kraft noch nicht so gekannt. Er, rein,
aber auch oft hart und kalt, steinern in den Formen,
wird Rubens' Malweise als in's Schwammige gehend be-
zeichnet haben. Bei ihm ist Alles sorgfältig zusammen-
gearbeitet, wo Rubens aus der Einheit seiner freien,
leichten und großen Auffassuug Alles herausströmen läßt.
Der Mensch gehört glücklicher Weise zu den Wesen, dic
ewig durch Anziehung und Abstoßung regulirt und vor
übergroßen Ausschreitungen bewahrt werden. Der Fest-
heros Peter Paul möge uns verzeihen — er weiß, wie
wir ihn verehren und in seiner Größe preisen, und
unser Geständniß wird uns ja auch kein Lob, sondern
nur ühle Nachrede bringen — aber in der Kupferstich-
ausstelluug der sämmtlichen Rubens'schen Werke, der
Photographien rc. wurde es uns des Guten zu viel,
nachdem mehrere Tage hindurch nur der Name Rubens
uns vor Augen und in den Ohren gewesen war.
Diese Hunderte und Hunderte von Gebilden mit den
ewig als Gvtter, Halbgötter, Allegorien, Menschen
sich in ihrer sleischigen Grazie wiederholenden bekannten
Formen, ohne Unterbrechung durch Gemälde nebenein-
ander, Alles nur in Nachbildung, oft von harten oder
nur geistlos den allgemeinen Rubensstil kraß wieder-
gebenden Grabsticheln — sie bewirkten das Gegentheil
von dem, was sie sollten; sie übersättigten uns; Er-
müdung trat ein, und das Jnteresse und der Enthusias-
mus war selbst vor unseren Lieblingswerken und denen,
welche unsere tägliche Freude bilden, nicht festzuhalten.

Hätte mau nur einige Dutzend Bilder, wirklich
Fleisch und Blut von Rubens, dazu gehabt! Was
mußte man nach betreffenden Aufsätzen vom vorigen
Jahr in diesen Beziehungen Erhebendes erwarten!
Brauchte man denn: Alles oder gar nichts! zu spielen,
so daß man nun die Besucher mit diesen Nachbildungen
allein abspeiste?

Danach, wie früher der Berg kreiste und was man

davon hoffen durfte, ist gerade dieser Theil des Festes
— und welch' wichtiger! — nur schwächlich aus-
gefallen.

Auck andres Wichtiges ist uns nicht ganz nach
Erwartung und zu Dank ausgeführt — sagen wir es
uur gerade hcraus. Mögen die unbedingten Lober uus
iiumcrhin cinen morosen, zopfigen Kritiker nennen, aber
wir meinen, daß der Kriegsplan in Äntwerpen etwas
oberflächlich in seiner Breite cntworfen war, dem Gan-
zen ein Schwerpunkt fehlte und, statt daß eine Einheit
sich mannigfaltig und reich cntwickelte, das Fest in
Einzelheiten zerfiel, beziehungsweise sich auch zersplittcrte.
Einen eigentlichen Mittel- und Höhepunkt gab es nicht.
Auf dem Bankett war dieser doch auch nicht?

Uuserer Ansicht uach hätte die Eröffnung des
artistischen Kongresses den Kern des Ganzen abgeben
müssen. Hier war beisammen, was Rubens voll zu
würdigen vermochte und wcihevoll gestimmt war. Hier
mußte ein Redner auftreten, der, wie ein Perikles den
gefallenen Siegern, so der flandrischen Malerei und
ihrem Haupte, Peter Paul Rubens, die würdige Leichen-
und ewige Lebensrede hielt .... eine Rede, mächtig,
historisch groß, ohne Phrase, eben so ticf und wissenschaft-
lich wie klar und ergreifend, welche von diesem Beginn
dem ganzen Fest und speziell dem Kongreß ein eigen-
thümliches Gepräge aufgedrückt HLtte.

Als Festgabe mußte weiter ein wissenschaftliches
Werk, welches den jetzigen Standpunkt der Geschichte
uud Kritik hinsichtlich Rubens und seiner Werke dar-
thut, sowie vielleicht auch noch ein populäres Gedenk-
buch über Rubens und seine Schule in den Handel
kommen. Jenes Werk hätte seit Iahren vorbereitet,
fertig sein müssen, damit nicht Zufälligkeiten sein Er-
scheinen im nöthigen Augenblick verhinderten. Ein
hochverdienter Rubenskenner hatte, heißt es, ein solches
Buch beabsichtigt. Wie viele von den übrigen kost-
spieligen, nebensächlichen Festlichkeiten hätten wir dafür
eingetauscht!

Welche schönere Erinnerung, welches dauerndere
Audenken konnte man bieten? Was hatte man nun?
Reden, Verhandlungen genug! Tadellose oratorisch-
diplomatische, schmeichelhafte, durch Takt und Wohlreden-
heit ausgezeichnete Ansprachen! Aber was sagten sie
zum Höflichkeilsaustausch Neues? Was haben sie uns
für Rubens' Kenntniß und Verständniß mitgegeben?

Auch die Discours der Herrn de Keyser, Rousseau,
Vicomte Delaborde, Charles Blanc und Gras Rosen
bei der Enthüllung der Rubensbüste leisten dafür keinen
Ersatz, so trefflich sie in ihrer Art waren.

Die Reden der Herren Kaulbach, Hiller (franzö-
sisch) und Steffeck haben wir nirgends gevruckt gelesen;
auch sie werden hoffentlich im Oornxts-rsnän stehen.

Gegen unsere Ansicht wird man die Einrede er-
 
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