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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber Berliner Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0012

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sinne so unendlich Vieles zugemuthet wird, was schliesslich nur Sache eines
wohlorganisirten Staatsregimentes sein sollte.
Würden wir rigoros sein, so könnten wir in den Begriff“ der Kunstpflege
auch das Entstehen und Gedeihen der zahlreichen, oft mit Ausstellungen
verknüpften Geschäftsläden hineinziehen. Wir könnten vermelden, dass man
vor zehn Jahren nur bei Sachse und Lepke oder im Künstlerverein nur
Gelegenheit fand, sich durch den Augenschein mit den Schöpfungen moderner
Malerkunst zu befreunden und dass seitdem eine bedeutende Anzahl neuer
Geschäftsmagazine erstanden sind, die sich neben den alten behaupten. Hier
liegt der einfache Thatbestand vor, dass sich das Bedürfniss nach passablen
Staffeleibildern gesteigert hat, eine Erscheinung, die mit dem steigenden
Luxus und dem vermehrten Geldumsatz in innigerem Zusammenhang steht,
als mit den Interessen der Kunstpflege. Dessen ungeachtet registriren wir
diese Thatsache mit Vergnügen. Ist auch noch nicht abzusehen, ob wir im
Luxus oder in der Kunst eine Blütheepoche erleben werden, so dürfen wir
über das sich hieraus ergebende Fortschreiten oder Zunehmen des Schön-
heitssinnes und nebenbei über das sichtliche Abnehmen des Weissbier-
philisterthums gerechte Freudentöne erheben.
Ein sehr gewichtiges Resultat hinsichts der Berliner Kunstpflege müsste
sich aus der historischen Betrachtung des letzten Jahrzehntes ergeben. Es
sind im heimathlichen Berlin Schöpfungen auf dem Gebiete der bildenden
Künste und der Architektur erstanden, die eben nur durch eine historische
und vergleichende Betrachtung die richtige Beleuchtung erfahren würden.
Eine solche aber liegt äusser unserer Absicht, weil es an dieser Stelle zu
weit führen würde. Nur soviel müssen wir erwähnen, dass von dem Re-
gierungsantritte des Königs Wilhelm eine neue Richtung datirt, die sich,
so weit wir die Sachlage bis heute überschauen, als eine Uebergangsrichtung
charakterisirt. Die beiden ersten Kriege bringen eine Schwankung in die
bestehenden Zustände. Inzwischen fährt man mit Klagen einerseits, anderer-
seits mit Experimentiren fort. Die Kriege erzeugen auf dem Gebiete der
Malerei und Sculptur eine grosse Anzahl künstlerischer Denkmäler, welche
Pietät und Patriotismus ins Werk setzen. In Berlin erstehen eine Anzahl
öffentlicher Monumente, von denen einige der Residenz mehr zur Unehre
als zur Zierde gereichen, die Architektur findet seelenlose Nachbeter Schin-
kels, deren Schöpfungen beweisen, dass sie besser mit den struetiven Formen
als dem Geiste Schinkel’scher Werke Bescheid wissen, der Backsteinbau
feiert grosse Triumphe, die Eisenconstruction gelangt zur Herrschaft in indu-
striellen Privat- und im monumentalen Bau von Bahngebäuden. Die Thätig-
keit der Malerei erfährt schliesslich seit dem französischen Kriege einen neuen
Anstoss, ohne gerade grossartige nationale Schöpfungen zn zeitigen. Bei
dieser Gelegenheit erübrigt uns noch ein Blick auf die bestehenden Vereine
zur Förderung der Kunstinteressen: Es fällt uns da zunächst der Kunst-
verein in’s Auge, der zwar in einseitiger Wirksamkeit beharrt und unter
der allgemeinen Ungunst der Verhältnisse leidet und dann der Verein ber-
liner Künstler. Es wohnt dem letztgenannten Verein viel Lebenskraft und
Lebenstrieb inne. Als Verein wirkt er durch Förderung des geselligen
Lebens unter den Künstlern nach Innen und durch seine permanente Aus-
stellung nach Aussen. Bis heutigen Tages ist ihm allerdings trotz der
mannigfachsten Schritte noch nicht das Glück zu Theil geworden, sich ein
eigenes, seit Jahren projectirtes Künstlerhaus erbauen zu können. Der Staat
resp. die zuständigen Behörden haben sich noch immer nicht zur Ueber-
lassung des nöthigen Bauterrains, geschweige denn zum T orschuss von Bau-
 
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