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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0171

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mit seinem Pfluge die harte Erde furchte, an die Mühen der Ernte, an jede Ar-
beitsstunde, welche nöthig war, um das Samenkorn in Brod zu wandeln?
Schwerlich! Welchen Geniessenden kümmert Schweiss und Mühe seines Neben-
menschen? Und der Leser, der in angenehmer leichter Form ein Bild vor sich
entwickelt sieht, denkt er wohl, welchen Fleisses, welcher Studien es bedurfte, dieses
Bild zu schaffen?
Wie leicht und sonder Mühe liest sich ein Buch wie das obige, und wie schwer,
wie mühsam mag seine Entstehung gewesen sein.
Aus den Trümmern einer längst gestorbenen Welt, aus dem Moderhaufen eines
Völkergrabes entsteigt vor unsern Augen der Charakter, das Treiben einer ganzen
Zeitepoche. Aus fast nur formlosen Steinen und Mauern bildet sich hier ein Ge-
bäude, kühn und zeitgetreu, plastisch wirkend und fesselnd zugleich.
Ernst und doch anziehend, leichtfüssig und doch streng sind die Gebilde ge-
lehrter forschender Arbeit, wie sie der Autor vor uns ausbreitet. Kein Winkel alt-
römischer Welt blieb undurchsucht. Streng geisselt der Verfasser Zeit und Sitte
und zieht an das Tageslicht, was sich für immer umnachtet wähnte. Durch seinen
geistigen Blick sehen wir eine Welt sich vor uns aufrollen, die, ob auch seit Jahr-
tausenden in Asche zerfallen, unsere Phantasie mächtig anregt und erwärmt. —
Und nun — wundern Sie sich nicht, liebe Leser — ist dieser Verfasser nicht ein-
mal zur Zunft gehörig, und wir müssen ihm doppelt dankbar sein für die cultur-
geschichtliche Bereicherung unserer neuesten Literatur.
Theodor Simons hat den grössten Theil seines Lebens in Süddeutschland zu-
gebracht, und da war es wohl vor allen Dingen München mit seinem reichen Kunst-
leben, zu dem er in den innigsten persönlichen Beziehungen stand, das ihn beein-
flusst, diesen mächtigen Schritt hinauszuthun aus der eigenen Carriere, die fernab
liegt von alledem, was uns seine Culturbilder geben. Einen so glücklichen Einfluss
können umgebende Eindrücke selbstverständlich nur auf den Menschen haben, dessen
individuelle Begabung ihnen innig verwandt ist, und das ist bei Simons der Fall.
Jn manchem Kampf, in mancher Sorgenstunde des Lebens sind ihm seine reichen
Talente, sein frischer Sinn für Kunst und Schönheit zum Segen geworden, und
trotz der Dornen, die oft an seinem Lebenspfade stehn, hat er uns die Blüthen
seines Geistes nicht vorenthalten. Er hat den Muth gehabt, ohne sich von einem
arbeitsvollen Beruf abzulösen, Kraft und Mühe an ein Werk zu setzen, wie das
vorliegende, und das ist eine Seltenheit in unserer Zeit, wo der Mann, der rastlos
um materielles Wohl zu arbeiten hat, selten einer geistigen Thätigkeit Raum giebt.
Die Schilderungen Simons, die in breiten Strichen den Rahmen füllen, führen
uns zu den verschiedensten Stätten, in die mannigfachsten Verhältnisse, bringen
uns in Berührung mit den heterogensten Menschenklassen. Von Roms tobender
Strassenjugend, hinauf bis zu dem Thron des Caesar Augustus; aus den Logen
liebeathmender geschmückter Frauen hinunter in den düstern Kerker der sterbenden
Christin.
Bald fesselt uns das überrege Treiben einer schau- und blutgierigen Menge
auf den blanken Marmorsitzen der Arena von Pompeji, die in fieberhafter Spannung
den wüsten Kämpfen von Gladiatoren und Bestiarien beiwohnt. Wir fühlen das
Zucken der Fibern eines ganzen Geschlechtes, das Kopf an Kopf gedrängt die
grausamen Lieblingsspiele verfolgt, die einen Hauptfactor des bewegten Volkslebens
ausmachten. Wir hören die Fechterrufe, das Wuthgeschrei der Kämpfenden, das
Gebrüll der Wüstenthiere und zittern bei dem grausigen Schauspiel, das uns ge-
fesselt hält bis zum letzten Augenblick.
Und überwältigt von dem Eindruck der geschilderten Scenen wendet sich unser
Blick hinüber in die Gassen Roms, welche eine hochgestachelte Menge bis zum Er-
drücken anfüllt. Heut feiert Flora, die Lieblingsgöttin, ihren Einzug in die Mauern
Roms, und ein Wagenrennen im Circus maximus soll sie ehren. Wir schieben und
drängen mit der bewegten Volksmasse, um uns den Weg zu dem dachlosen Marmor-
gebäude zu bahnen, doch die Circus - Procession verstellt uns den Weg: An uns
vorüber zieht die Schaar blumenstreuender Mädchen, langsam folgen die Priester
mit dem weissen Opferstier, die Grossen und Edeln Rom’s; wir jubeln mit dem
dankbaren Volke beim Erscheinen Caesar Augustus, den die Bürger „Vater“ und
„das Glück“ des Vaterlandes nennen.

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